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Zum journalistischen Leitbild von t-online.100 Tage US-Außenpolitik Trump löst Kopfschütteln aus

Donald Trump hat in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Präsidentschaft auch außenpolitisch viel Porzellan zerschlagen. Der Schaden ist schon jetzt immens, auch für die USA selbst.
Man mag kaum glauben, dass er am Mittwoch erst 100 Tage im Amt ist: Seit dem Beginn seiner Präsidentschaft bestimmt Donald Trump die Nachrichten. Kaum ein Tag vergeht ohne bedeutsame Nachricht, ohne einen neuen Knall aus Washington. Trumps Politik ist disruptiv, seine Administration lässt politisch keinen Stein auf dem anderen – und das hat Folgen für die gesamte Welt.
Außenpolitisch verfolgte der US-Präsident in den ersten Monaten keinen klaren Kurs. Oft war seine Politik chaotisch, ein ewiges Hin und Her. Trump erhöhte Zölle auf US-Importe für zahlreiche Länder, pausierte sie in vielen Fällen allerdings wieder. Er wetterte gegen frühere US-Verbündete, sympathisierte mit Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und brüskierte damit die Ukraine und seine transatlantischen Partner.
Doch wofür das alles?
Trump schlägt aufs Wasser – bislang war seine Außenpolitik vor allem durch Misserfolge geprägt. Obwohl der US-Präsident stellenweise seine folgenschweren Fehleinschätzungen wieder korrigierte, verursachten seine außenpolitischen Aktionen großen Schaden. Der Republikaner verkennt in der internationalen Politik sowie in der Wirtschaft einen zentralen Faktor: die Bedeutung von Vertrauen.
Trump stellt Ideologie in den Vordergrund
Der 78-Jährige möchte alles anders machen als seine Vorgänger im Weißen Haus. Im Mittelpunkt steht Protektionismus, gemäß seinem ideologischen Leitspruch "America First". "Ich bin ein Nationalist, wenn es um Amerika geht", sagte Trump in einem Interview im März. Bei seiner Amtseinführung am 20. Januar betonte er, dass er die USA in ein "goldenes Zeitalter" führen wolle.
Er ergänzte: "Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen."
Fast täglich wettert der US-Präsident über frühere Präsidenten, besonders über Joe Biden und Barack Obama. Sie hätten zugelassen, dass andere Staaten die USA wirtschaftlich ausbeuten. Sie hätten Millionen illegale Einwanderer in die Vereinigten Staaten gelassen und Krisen wie die in der Ukraine nicht verhindert. Mit ihm als Präsident – so Trumps Lesart – wäre all das nicht passiert.
Diese Botschaft ist auch der Kern von Trumps Außenpolitik, der rote Faden, der sich durch fast alle außenpolitische Bereiche zieht.
t-online gibt einen Überblick:
1. Wirtschaft
Nach Ansicht von Trump hat sich praktisch die ganze Welt wirtschaftlich gegen sein Land verschworen: Fast alle Länder hätten die USA jahrelang ausgenutzt und die EU sei nur geschaffen worden, um die Vereinigten Staaten auszunehmen.
Sein Allheilmittel: Zölle.
Am sogenannten "Liberation Day" – dem "Tag der Befreiung" – kündigte er horrende Sonderzölle auf Waren aus zahlreichen Ländern an. Mit einer großen Tafel stellte der US-Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses die Zölle vor, die er nun erhöhen werde. Der Aufschrei im Ausland war groß.
Die Zölle hatten auch Auswirkungen auf die US-Wirtschaft: An den Börsen ging es bergab, viele US-Bürger fürchteten um ihre Pensionen. Trump machte schließlich einen Rückzieher und verkündete eine teilweise 90-tägige Pause, um zu verhandeln.
Weiter gelten aber für fast alle Länder Zölle von 10 Prozent, für die Nachbarländer Mexiko und Kanada sind es in vielen Bereichen 25 Prozent, und für China gar 145 Prozent. Zudem gelten Autozölle und Zölle auf Stahl und Aluminium von 25 Prozent. Im eigenen Land drohen deutliche Preiserhöhungen, während der US-Dollar gegenüber dem Euro fällt.
Zwar erholten sich die Börsenkurse nach Trumps Hin und Her wieder etwas, aber der Schaden bleibt. Trumps Wirtschaftspolitik hat Vertrauen gekostet, bei Anlegern und bei Unternehmen, die darüber nachdenken, ihr Geschäft in den USA auszubauen. Nach den ersten 100 Tagen des US-Präsidenten liegt eines auf der Hand: Auch die stärkste Volkswirtschaft der Welt ist den Regeln der Globalisierung unterworfen.
Die Republikaner unterstützen Trumps Kurs allerdings weiter: Bei einem Treffen mit republikanischen Parlamentariern frohlockte der Präsident am 8. April, dass zahlreiche Länder neue Handelsbedingungen aushandeln wollten. "Diese Länder rufen uns an und kriechen mir in den Arsch", so Trump.
Mittelfristig werden Staaten in Europa, aber auch Mexiko und Kanada wohl versuchen, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA zu verringern. Schon jetzt hat Trump in vielen Ländern Bewegungen in den Bevölkerungen ausgelöst, die auf Produkte oder Dienstleistungen aus den USA verzichten möchten. All das schwächt die US-Wirtschaft.
2. Migration
Trumps Zustimmungswerte sind im Sinkflug. Im Schnitt aller Meinungsumfragen stehen mittlerweile nur noch knapp 46 Prozent der Amerikaner der Politik des US-Präsidenten positiv gegenüber, schreibt die US-Politikseite "Real Clear Politics". Eine knappe Zustimmung hat aber die Migrationspolitik des Republikaners, obwohl auch hier langsam ein Stimmungswechsel zu beobachten ist.
Ein harter migrationspolitischer Kurs war eines der zentralen Wahlversprechen Trumps: An der Grenze zu Mexiko kommt kaum noch jemand durch. Mit einem Kriegsgesetz von 1789 versucht die US-Regierung, Ausländer aus den USA zu schaffen. Der US-Präsident erklärte ein venezolanisches Kartell zur Terrororganisation, um damit leichter dagegen vorgehen zu können. Und selbst in Fällen, in denen Zweifel an der Abschiebung bestehen, gibt Trump nicht nach – und ignoriert dabei auch Gerichtsentscheidungen.
Tatsächlich konnte in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft die irreguläre Migration zurückgedrängt werden. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Migranten in den USA werden von der US-Regierung quasi entmenschlicht, sie werden als "Aliens" bezeichnet und als Kriminelle angesehen.
Auch das hatte Auswirkungen auf andere Bereiche: Aktuell geht der Tourismus in den USA zurück, auch das Auswärtige Amt warnte vor Festnahmen bei der Einreise. Ebenso werden internationale Studierende von ihren amerikanischen Universitäten vor der Teilnahme an Demonstrationen gewarnt. Wenn sie ausreisen würden, könnten US-Sicherheitsdienste ihnen die Wiedereinreise verbieten. Andere Studierende wurden bereits abgeschoben.
3. Abkehr von US-Verbündeten und Imperialismus
Den ersten Eindruck der sich verschlechternden Beziehungen bekamen die Europäer keine drei Wochen nach der Amtseinführung Trumps. Sein Vize JD Vance attackierte die europäischen Verbündeten auf der Münchner Sicherheitskonferenz ungewöhnlich scharf und unterstellte ihnen, die Demokratie zu gefährden. Der US-Vizepräsident stellte im Februar in Deutschland die politische Kultur in westlichen Demokratien als größere Gefahr als die autokratischen Systeme in China oder Russland dar.
Seither wuchs stetig die Erkenntnis in der Europäischen Union: Unter Trump sind die USA kein transatlantischer Partner mehr. Es geht nun in den kommenden Jahren darum, möglichst viel von den transatlantischen Beziehungen über seine Präsidentschaft zu retten.
Dabei attackiert die US-Regierung nicht nur die Europäer. Seinen nördlichen Nachbarn Kanada demütigte er, indem er wiederholt davon sprach, das Land als 51. Bundesstaat eingemeinden zu wollen. Zudem besteht Trump darauf, dass die USA Grönland bekommen sollten und schickt Truppen nach Panama, um den Kanal zu sichern. "Wir brauchen Grönland für die internationale Sicherheit. Wir müssen es haben", sagte der US-Präsident im März. Aus Grönland und Dänemark kommt scharfer Widerspruch.
4. Ukraine
Trump ordnet die US-Bündnisse neu und stellt dabei selbst die Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine infrage. Das zeigte sich etwa, als er und Vance beim Besuch von Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus dem ukrainischen Präsidenten mangelnde Dankbarkeit unterstellten.

Schon vor seiner Amtsübernahme machte auch Vizepräsident Vance kein Geheimnis daraus, dass er den Krieg als europäisches Problem sieht. Ihm sei die Ukraine egal, sagte er in einem Podcast des rechten Senders Breitbart. Trump dagegen hatte angekündigt, den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden zu wollen. Dahinter steckt auch ein eigennütziges Kalkül: Der Ukraine-Krieg soll nicht sein Krieg sein. "Das ist der Krieg des schläfrigen Joe Biden, nicht meiner", schrieb der US-Präsident erst am Samstag wieder auf "Truth Social".
Nach seinem Streit mit Selenskyj legte die US-Regierung Waffenlieferungen und die Weitergabe von Geheimdienstinformationen auf Eis. Vor allem Letzteres hatte negative Folgen für die ukrainische Armee für ihre Kämpfe in der russischen Region Kursk.
Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigte Trump hingegen häufig mehr Verständnis, folgte nach Ansicht von Kritikern sogar dessen Narrativ. Selenskyj warf er derweil abwechselnd vor, den Krieg gegen den großen Nachbarn Russland begonnen oder ihn nicht verhindert zu haben. "Wenn man einen Krieg beginnt, muss man wissen, dass man ihn gewinnen kann", so Trump. "Man fängt keinen Krieg gegen jemanden an, der 20 Mal so groß ist wie man selbst und hofft dann, dass dir jemand ein paar Raketen gibt."
Doch der Plan des US-Präsidenten ging bislang nicht auf. Die Ukraine wird wahrscheinlich keinen US-Friedensplan hinnehmen, der fast alle russischen Kriegsziele erfüllt und ukrainische Gebietsverluste zementiert. Ob der US-Präsident dazu bereit ist, den Druck auf Russland zu erhöhen, bleibt weiter unklar. Ein gemeinsames Bild, das Trump und Selenskyj am Samstag am Rande der Trauerfeier von Papst Franziskus in Rom zeigte, weckte zumindest bei einigen westlichen Politikern etwas Hoffnung.
5. Krieg im Nahen Osten
Trump gibt an, den Krieg in der Ukraine schnell beenden zu wollen, um das Sterben zu beenden. Im Nahostkonflikt suchte der US-Präsident erneut den Schulterschluss mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und lässt die israelische Regierung mit allen Mitteln gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen vorgehen.
Netanjahu lässt nicht nur Ziele in Gaza bombardieren, sondern greift auch Syrien und den Libanon an. Washington kommentiert dieses Vorgehen nicht. Stattdessen erregte Trump international Aufsehen mit einem Plan, den Gazastreifen unter US-Kontrolle zu bringen und als eine Art riesiges Küstenresort neu aufzubauen. "Die Riviera des Nahen Ostens, es könnte so großartig werden", sagte Trump am 4. Februar. Die mehr als zwei Millionen im Gazastreifen lebenden Palästinenser sollen nach Trumps Vorstellungen von anderen Ländern wie Ägypten und Jordanien aufgenommen werden.
Mangels fehlender Unterstützung durch die Nachbarstaaten scheint der Plan bislang nicht umsetzbar zu sein. Trump ist auch in dieser Frage am Ende in eine politische Sackgasse gelaufen. Zumindest ein Großteil der internationalen Verbündeten der USA hofft, dass Trump aus seinen Niederlagen der ersten 100 Tage lernen kann – denn bis zur nächsten US-Präsidentschaftswahl sind es mutmaßlich noch knapp 1.300 Tage.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters