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AfD-Debatte: Alice Weidel schweigt zu Trump und EU


Umgang mit der AfD
Darf man Alice Weidel einen guten Morgen wünschen?

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

29.04.2025 - 02:59 UhrLesedauer: 5 Min.
AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel (Archivbild): Die AfD kommt in Umfragen auf 24 Prozent.Vergrößern des Bildes
AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel (Archivbild): Kein Ton zu Trump. (Quelle: IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)
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Alle reden über die AfD. Nur die AfD nicht. Überhaupt schweigt die AfD neuerdings viel. Trump hat ihr die Sprache verschlagen.

Was macht eigentlich Alice Weidel? Urlaub? Und Tino Chrupalla? Wird er im eigenen Malerbetrieb gebraucht? Nicht, dass Sie denken, ich würde die beiden vermissen. Aber das politische Berlin streitet über den Umgang mit der AfD. Alle reden mit – außer der AfD. Das Schweigen scheint ihr aber nicht zu schaden. Jedenfalls hat Jens Spahn, der den Streit auslöste, inzwischen gemerkt, dass die Sache schiefläuft: "Der größte Gefallen, den wir der AfD tun können, ist es, die Debatte noch weiterzuführen, obwohl alles gesagt ist."

Nein, ich will der AfD diesen Gefallen nicht tun, halte also gleich meinen Mund, nachdem ich in aller Kürze festgestellt habe, dass Spahn in der Sache ganz richtig liegt. Er fordert, die AfD im Bundestag bei organisatorischen Fragen so zu behandeln wie andere Fraktionen auch. Sein künftiger Koalitionspartner Lars Klingbeil findet das dagegen "unnötig und falsch"; eine Normalisierung der AfD werde es mit der SPD nicht geben. Spahn wiederum legt Wert auf die Feststellung, dass er von Normalisierung gar nicht gesprochen habe.

Damit wir dieses schädliche Klein-Klein hier nicht fortsetzen, nur kurz noch der Hinweis, worum es eigentlich geht. In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages heißt es: "Jede Fraktion ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten." Jede Fraktion, steht da. Nicht: jede Fraktion, außer der AfD. Spahn meinte wohl, man sollte sich an die eigenen Regeln halten. Bisher haben die anderen Fraktionen das verhindert.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

"Traditionell erhält die stärkste Oppositionsfraktion den Vorsitz des Haushaltsausschusses", schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Die AfD ist jetzt stärkste Oppositionsfraktion. Gelten Traditionen auch für sie? "Das ist keine normale Partei", sagt Klingbeil, der sich mit normalen Parteien auskennt. Normale Parteien kommen auf 16,4 Prozent, höchstens. Außerdem mache die AfD Politik auf dem Rücken von Minderheiten. Eine heikle Formulierung, jedenfalls in diesem Zusammenhang. Die parlamentarischen Spielregeln dienen dazu, die Minderheitsrechte der Opposition zu wahren. Also die Rechte der AfD gegen die Mehrheit aus Union und SPD. Spahn akzeptiert das, Klingbeil nicht. Söder auch nicht, er sieht das wie Klingbeil. Und Merz? Man weiß es nicht.

Das war's aber jetzt zu diesem Streit – nur noch ein Zitat, diesmal von Felix Banaszak, dem Grünen-Vorsitzenden. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten, weil es das kühnste Geschwurbel ist, das ich gefunden habe. Also: "Es braucht einen positiven Gegenentwurf einer solidarischen, vielfältigen Gesellschaft, eines erfolgreichen ökologischen Wandels, einer gerechten Verteilung von Wohlstand und Chancen. Und ein neues Miteinander, eine neue politische Kultur – gerade dort, wo sich Antidemokraten breit machen und den öffentlichen Raum dominieren." Amen. Ist er jetzt eher bei Spahn oder bei Klingbeil? Keine Ahnung, aber Sie sehen, die Grünen haben stets das große Ganze im Blick.

So, Schluss der Debatte. Keine weitere Wahlhilfe für die AfD! Lassen Sie uns über ein wichtigeres Thema reden: Was macht eigentlich die AfD? Wie steht die Rechtspartei zum Beispiel zu Trump und seinen Zöllen? Antwort: Die Partei steht gar nicht dazu. Ich habe ihr Pressearchiv durchsucht, da gibt es keine Stellungnahme zum wichtigsten Wirtschaftsthema dieser Tage. Bei X, wo die AfD ansonsten munter drauflospostet: nichts.

Gerade eben noch geflirtet, jetzt Funkstille

Im Wahlkampf hat Alice Weidel heftig mit Elon Musk geflirtet. JD Vance hat der AfD unverhohlen seine Sympathie erklärt, von Populist zu Populisten. Tino Chrupalla und Beatrix von Storch waren bei Trumps Amtseinführung vor Ort. Also nicht direkt im Kapitol, sondern bei einer Art Public Viewing in Washington. Echte Fans lieben das, wenn sie schon kein Ticket fürs Stadion bekommen.

Echte Fans? Eigentlich ist rechts außen ja der Antiamerikanismus tief verwurzelt, dort träumt man einen alternativen eurasischen Traum für Deutschland – mit Russland, Putin und Nord Stream, zusammen gegen Micky Maus, McDonald's und die Vorherrschaft Amerikas. Aber Trump ist anders, der haut alles kurz und klein, die Bürokratie, die woke Gesellschaft, die Migrationspolitik. Die Verkörperung eines besseren Amerikas, finden unsere Alternativen.

Dass er auch den Welthandel kurz und klein haut, ist das ein Problem? Die AfD will die deutsche Industrie zu alter Stärke führen. Die deutsche Industrie lebt vom Export. Also ja, das ist ein Problem. Vor Wochen hat Weidel gesagt, Trumps Politik sei viel zu aggressiv und schädige auch die amerikanische Wirtschaft. Ebenfalls vor Wochen hat Chrupalla gesagt, Trumps Vorgehen sei verständlich, der wolle doch nur seine Handelsbilanz verbessern und die eigene Wirtschaft ankurbeln. Seitdem geht es drunter und drüber: Trumps Politik werde zu riesiger Prosperität führen, sagen die einen in der AfD. Nein, das ist wirtschaftliches Harakiri, sagen die anderen. Die AfD sagt zu Trumps Zollpolitik: keine Ahnung.

Das ist Höchststrafe

Weidel hat übrigens auch gefordert, mit der US-Regierung über eine Abschaffung der Zölle zu verhandeln – damals, bevor sie abtauchte. Vorsichtshalber formulierte sie das anonym, sie sagt also nicht, wer eigentlich mit den Amerikanern verhandeln soll. Zuständig ist nämlich die EU-Kommission. Oje. Ausgerechnet dieses Europa, aus dem die AfD erst austreten wollte, das sie zerstören will, abschaffen, weg mit von der Leyen! Brüssel, der Moloch. Und nun verteidigt die EU auch noch deutsche Interessen. Eine EU-Kommission, die nicht den Konflikt sucht, aber bei Trump auch nicht aufs Wort hört: Europa kann nichts Besseres passieren. Für die AfD ist das die Höchststrafe.

Erinnern Sie sich an all die abfälligen Äußerungen der AfD gegenüber dem Euro? Esperanto-Geld, Weichwährung, Zahlungsmittel im Club Mediterranée. Noch im Programm zur Bundestagswahl 2025 forderte die AfD die Rückkehr zur D-Mark. Jetzt, da Trump den Dollar aufs Spiel setzt, ist der Euro ein Stabilitätsanker in der Welt, stark nach außen, stabil im Innern. Und die AfD? Schweigt. Was soll sie auch sagen?

Als Jens Spahn über den parlamentarischen Umgang mit der AfD sprach, führte er als Argument an, man dürfe den Rechten nicht erlauben, sich als Opfer zu inszenieren. Sondern man müsse sie in der politischen Auseinandersetzung stellen. Ja, das stimmt.

Das ist befremdlich

An diese Forderung dachte ich, als in der vergangenen Woche Carsten Linnemann und Matthias Miersch aufeinander losgingen. Der Generalsekretär der CDU beharrte darauf, dass die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt. Der Generalsekretär der SPD beharrte darauf, dass das notfalls die Regierung tun werde, falls die Kommission zu einem Ergebnis unter 15 Euro je Stunde kommt. Abgesehen davon, dass es dazu eine eindeutige Formulierung im Koalitionsvertrag gibt: Die Manager der künftigen Regierungsparteien streiten untereinander statt mit der größten Oppositionspartei. Das finde ich befremdlich. Weil es am Ende doch der AfD nützt.

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Also bitte, gebt der AfD ihre parlamentarischen Rechte. 20 Prozent der Leute haben sie gewählt, das sind keine Wähler zweiter Klasse. Und dann ran an die politische Auseinandersetzung. Die dreht sich nicht darum, ob Spahn Alice Weidel einen guten Morgen wünscht, wenn er ihr im Aufzug begegnet, ob Klingbeil lieber wegschaut. Nicht um den Umgang mit der AfD, sondern um die Politik der AfD.

Eine kleine Ermunterung für Jens Spahn

Diese Forderung richtet sich übrigens ausdrücklich auch an Jens Spahn. Auf die Empörung, die ihm wegen seiner vermeintlichen Normalisierung der AfD entgegenschlug, antwortete er – empört: Er erlebe persönlich seit Jahren Hass und Hetze, schwulenfeindliche Sprüche, wenn er im Bundestag an den Reihen der AfD-Abgeordneten vorbeigehe. "Mir muss echt keiner erzählen, was für Typen in deren Reihen sitzen."

Das glaube ich ihm, und er hat jedes Recht, das laut zu sagen. Aber über Trump, die Zölle, Europa, den Euro und die ganze Orientierungslosigkeit der AfD hat er nichts gesagt. Das ist das Problem.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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