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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Riviera des Nahen Ostens" Trumps Plan für Gaza erschüttert die Welt
Donald Trump will Gaza übernehmen, alle Palästinenser umsiedeln und das zerstörte Gebiet als amerikanisches Investmentprojekt wiederaufbauen. Sein radikaler Plan dürfte weltweite Empörung auslösen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Zunächst lobte Donald Trump seinen ersten Staatsgast überschwänglich. Mehr als hundert Reporter aus aller Welt blickten den amerikanischen Präsidenten erwartungsvoll an, nachdem er mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu den großen East Room des Weißen Hauses betreten hatte. "Glückwunsch!", sagte Trump angesichts der großen Menge zu Netanjahu. Nur wegen seines Besuchs hätten sich so viele Journalisten hier versammelt.
Doch dann ging es weiter mit ausgiebigem Selbstlob. Immerhin habe er während seiner ersten Amtszeit Jerusalem als Hauptstadt Israels offiziell anerkannt und die amerikanische Botschaft dorthin verlegt – und aufgebaut. "Wir haben sie gebaut. Es ist schöner alter Jerusalem-Stein ganz aus der Nähe", schwelgte Trump. Das sei wirklich etwas ganz Besonderes. Als Präsident habe er Israels Souveränität über die Golanhöhen anerkannt und die sogenannten "Abraham Accords" geschaffen, "das wohl bedeutendste Friedensabkommen des Jahrhunderts", so Trump. Mit dem Abraham-Abkommen hatten Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain 2020 diplomatische Beziehungen aufgenommen.
US-Übernahme des Gazastreifens
So würde er jetzt gerne in seiner zweiten Amtszeit weitermachen, sagte der US-Präsident. Wären da nicht die vier Jahre seines Amtsvorgängers Joe Biden gewesen. Ähnlich wie er es beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine regelmäßig tut, behauptete Trump im Weißen Haus: "Die Schrecken des 7. Oktober wären nie geschehen, wäre ich Präsident gewesen." Die "Schwäche und Inkompetenz der vergangenen Jahre" hätten großen Schaden in der Welt angerichtet, sagte Trump.
Der amerikanische Präsident will nun offensichtlich als derjenige in die Geschichte des Jahrzehnte alten Nahost-Konflikts eingehen, der ihn endlich löst. Daran ließ Donald Trump an diesem späten Dienstagabend in Washington keinen Zweifel. Seine Lösung aber scheint, die traditionellen Pfade der Diplomatie und einer bislang angestrebten Zwei-Staaten-Lösung komplett zu verlassen.
Über die Köpfe von Millionen von Palästinensern hinweg verkündete Trump: "Die USA werden den Gazastreifen übernehmen." Und "alle" Palästinenser sollten seiner Vorstellung nach in mehrere Nachbarstaaten umgesiedelt werden. Der israelische Premierminister neben ihm schien wenig überrascht zu sein von dieser diplomatischen Bombe. Wenige Minuten zuvor hatte Netanjahu den amerikanischen Präsidenten bereits gelobt für sein "out of the box"-Denken, also für seine unkonventionellen Ideen. Trump würde mit ungewöhnlichen Wegen viel erreichen, so der Premierminister.
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Trump schließt US-Truppen in Gaza nicht aus
Die Reporter im East Room des Weißen Hauses mussten sich angesichts dieser Aussagen zunächst sammeln. Was hatte der Präsident da gerade gesagt? Dann prasselten die Fragen auf Donald Trump nieder, und er schien es zu genießen. Ob er zur Durchsetzung seiner Umsiedlungspläne auch US-Truppen einsetzen würde? "Wir werden tun, was notwendig ist", entgegnete er, um dann zu ergänzen: "Wenn es notwendig ist, werden wir das tun."
Wie er sich das genau vorstelle, einfach so ein souveränes Land zu übernehmen? Diese Frage umschiffte Trump und begann stattdessen von den wirtschaftlichen Möglichkeiten und dem Potenzial zu schwärmen. Er sehe Amerika in der Rolle "einer langfristigen Eigentümerposition", sagte er. Diese würde "vielleicht dem gesamten Nahen Osten große Stabilität bringen". Alle Personen, mit denen er gesprochen habe, seien der Meinung, dass diese Entscheidung nicht leichtfertig zu treffen sei. Aber alle, mit denen er gesprochen habe, seien auch "begeistert von der Idee, dass die Vereinigten Staaten dieses Stück Land besitzen, es weiterentwickeln und Tausende Arbeitsplätze schaffen", so Trump.
Hätten die Palästinenser das Recht, nach Gaza zurückzukehren, falls sie während des Wiederaufbaus das Land verlassen? Trumps Antwort dazu: Ich hoffe, dass wir etwas wirklich Nettes, wirklich Gutes machen können, sodass sie nicht mehr zurückkehren wollen. Irgendwo in dem Pulk der Hauptstadtreporter rief eine Stimme daraufhin: "Aber es ist ihr Zuhause, Sir!"
Für Trump ist Gaza ein Investment
Was sich seit vielen Monaten angekündigt hatte, brach sich an diesem Abend Bahn: Donald Trump, seine Familie und sein Team aus politischen Beratern träumen von einem Gazastreifen als amerikanischem Investment. Vor rund einem Jahr hatte Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Ehemann seiner Tochter Ivanka Trump, bei einem Auftritt an der Harvard-Universität die Idee bereits ausgeplaudert: Der ehemalige Immobilienmakler Kushner lobte damals das "sehr wertvolle" Potenzial der "Ufergebiete" von Gaza und schlug vor, Israel solle die Palästinenser aussiedeln, während es den Streifen "säubert".
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Trump ließ im vergangenen Oktober in einem Podcast bei dem konservativen Radiomoderator Hugh Hewitt sein Interesse durchscheinen, als er erklärte, "[Gaza] könnte besser sein als Monaco". Das Gebiet habe "die beste Lage im Nahen Osten, das beste Wasser, das beste von allem", so Trump.
Im Weißen Haus äußert sich Trump nun folgendermaßen: Das durch die israelische Armee infolge des Krieges gegen die Hamas in weiten Teilen zerstörte Gebiet könnte unter der Führung der USA zu einer "Riviera des Nahen Ostens" werden. Diese Idee kommt von einem US-Präsidenten, der selbst über Jahrzehnte sein Milliardenvermögen mit Immobilien aufgebaut hat. Trumps Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, der den Waffenstillstand mit der Hamas mitverhandelt hat, ist Steven Witkoff. Auch er ist amerikanischer Milliardär sowie Immobilieninvestor und -entwickler.
Bei all diesen Investmentplänen aus dem Weißen Haus sollen wohl auch die umliegenden arabischen Staaten mit lukrativen Geschäften im Gazastreifen gelockt werden. Immer wieder sprach Donald Trump von Saudi-Arabien, mit dessen Kronprinz Mohammed bin Salman er gute geschäftliche Beziehungen pflegt. Zuletzt hatte der US-Präsident den nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi seit Jahren geächteten saudischen Kronprinzen als einen "fantastischen Kerl" gelobt.
Pläne ohne Palästinenser
Wer bei all diesen augenscheinlich vom Immobiliengeschäft inspirierten Ideen für Gaza aber nicht vorkommt, ist die palästinensische Bevölkerung. Immerhin leben rund zwei Millionen Menschen nach wie vor in dem nahezu vollständig zerstörten Gebiet im Südwesten von Israel. In der Vorstellungswelt von Donald Trump sollen in Zukunft nicht mehr sie im Gazastreifen leben, sondern "Menschen aus aller Welt". Gaza könne ein zauberhafter, internationaler Ort werden, sagte der US-Präsident. Palästinenser könnten dort irgendwann "auch leben", neben vielen anderen Menschen.
Welchen Sturm der Entrüstung Trumps Pläne im Rest der Welt auslösen werden, war bereits in der Nacht zu erahnen. Zahlreiche Experten meldeten sich direkt zu Wort, darunter der frühere US-Botschafter in Russland, Michael McFaul. "Trumps Gaza-Vorschlag – ein weiteres Geschenk an China", schrieb er auf der Plattform X. Denn die ganze Welt werde sich gegen die USA und auf die Seite Chinas stellen, wenn Trump wirklich versuchen sollte, dies umzusetzen.
Der demokratische Senator Chris Van Hollen nannte Trumps Vorschlag am Abend "eine ethnische Säuberung unter anderem Namen". Iran und anderen Gegnern der USA würde so Munition geliefert. Trumps Idee einer Übernahme des Gazastreifens widerspreche "der jahrzehntelangen parteiübergreifenden amerikanischen Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung", so Van Hollen. Ihm zufolge sei dieser Weg der einzige, "um Frieden, Stabilität und Sicherheit sowohl für das israelische als auch für das palästinensische Volk zu garantieren." Er rief dazu auf, dass der amerikanische Kongress sich gegen Trumps gefährliches und rücksichtsloses System zur Wehr setzen müsse.
Erste Wut auf den Straßen
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Ein paar hundert pro-palästinensische Demonstranten waren wegen des Besuchs des israelischen Premiers vor das weiträumig umzäunte Weiße Haus gezogen. Als sie über die Nachrichten auf ihren Smartphones von Donald Trumps Plänen erfuhren, stimmten sie wütende Gesänge an: "Wir Menschen, vereint, werden niemals besiegt werden." Über ein Megafon rief eine Frau: "Niemand wird über das Schicksal Gazas bestimmen, außer die Menschen in Gaza."
Die Teilnehmerin Deena Khalil sagte angesichts von Trumps Plänen: "Unsere Aufgabe ist es, Widerstand zu leisten. Präsident Trump hat viele Dinge in den vergangenen Jahren gesagt." Sie glaube nicht, dass er vieles von dem, was er plane, wirklich umsetzen könne.
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Doch Trumps Außenminister Marco Rubio, der die Pressekonferenz auf seiner Südamerika-Reise über sein Telefon live mitverfolgt hatte, machte noch in der Nacht deutlich, dass die Gaza-Pläne der US-Regierung kein Scherz seien. "Gaza MUSS FREI SEIN von der Hamas", schrieb Rubio bei X. Wie der Präsident heute mitgeteilt habe, seien die Vereinigten Staaten bereit, eine Führungsrolle zu übernehmen. Dann schob er eine Abwandlung von Trumps Motto "Make America Great Again" hinterher. Der US-Außenminister schrieb: "Make Gaza Beautiful Again."
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Geht es nach Demonstranten wie Deena Khalil vor dem Weißen Haus, verbietet sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Gaza. "Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, wie viele Palästinenser inzwischen in den Gazastreifen zurückgekehrt sind, nachdem dieser bereits ethnisch gesäubert wurde", sagte sie. Sie ist überzeugt, dass nun das "Endspiel" um Gaza begonnen hat.
- Eigene Recherchen, Gespräche und Beobachtungen vor Ort
- apnews.com: "Jared Kushner, Trump’s son-in-law, praises ‘very valuable’ potential of Gaza’s ‘waterfront property’" (englisch)