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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bedenkliche Konsequenzen für die ganze Welt Trumps plötzliche Härte gegen Putin

Donald Trump droht Russland – aber nur für einen kurzen Moment. Seine offenkundige Sympathie für Putin überwiegt. Das hat nicht nur Konsequenzen für die Ukraine. Der US-Präsident spielt ein gefährliches Spiel mit weltweiten Folgen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Für einen kurzen Moment schien es so, als würde Donald Trump umschwenken. Nach der wochenlangen Schelte für die Ukraine und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fand er am Freitagmorgen klare Worte für den Aggressor des Krieges. In einem Social-Media-Post auf seiner Plattform "Truth" ließ der US-Präsident die Weltöffentlichkeit wissen, dass er Russland mit "umfangreichen Bankensanktionen, Sanktionen und Zöllen" drohe, weil Putin die Ukraine brutal bombardiere.
Doch innerhalb weniger Stunden änderte sich Trumps Tonalität wieder ins Gewohnte. Im Oval Office sitzend, sympathisierte er geradezu mit Wladimir Putin und sagte: "Er ist großzügiger als er sein müsste." Er denke nach wie vor, dass der russische Präsident den Krieg beenden wolle. Das mit der Flächenbombardierung würde schließlich "jeder machen in seiner Situation", so Trump. Mit Russland gestalte sich alles hervorragend. "Ich finde es ehrlich gesagt schwieriger, mit der Ukraine umzugehen", sagt der US-Präsident. Das Land stecke derzeit enorm viel ein, so Trump. Und das verstehe er nicht ganz.
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Diese erneuten Aussagen Trumps fassen seine Herangehensweise an den Krieg gut zusammen. Seine explosive Mischung aus öffentlicher Diffamierung der Ukraine und andauernden Zugeständnissen und Lobhudeleien für Putin gefährden nicht nur Millionen von Menschen in der Region. Mit Chaos ohne echten Fortschritt ermutigte der US-Präsident nicht nur Russland, sondern auch China. Er zerrüttet die Nato und bedroht den Frieden in ganz Europa.
"Als würde man einem Maultier auf die Schnauze schlagen"
Wie gnadenlos die Trump-Regierung dabei vorgeht, den Krieg um jeden Preis zu beenden, machte in der vergangenen Woche Trumps Sondergesandter für die Ukraine deutlich. Der pensionierte General Keith Kellogg war schon oft in der Ukraine und gilt als einer der besten Kenner der Situation.
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Bei einer Veranstaltung der Washingtoner Denkfabrik "Council on Foreign Relations" erläuterte Kellogg unter anderem die Entscheidung der US-Regierung, der Ukraine aktuell überlebenswichtige Geheimdienstinformationen vorzuenthalten. Der General verglich die Ukraine mit einem störrischen Tier. "Das ist, als würde man einem Maultier mit einem Kantholz auf die Nase schlagen", sagte Kellogg. Es gehe darum, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, damit sie verstehen, dass es Trump wirklich ernst sei. "Sie haben es selbst verschuldet", so Kellogg. Er will die Maßnahme als Pause und Erziehungsmaßnahme verstanden wissen.
Plötzlich heißt es "Stellvertreterkrieg"
Grund für das aktuelle Fallenlassen der Ukraine sei nach wie vor, dass die Ukraine das Abkommen über Seltene Erden bisher nicht unterzeichnet hat, das US-Unternehmen im Gegenzug für eine wiederaufgenommene Unterstützung exklusive Abbaurechte einräumen soll. Bei einem hitzigen Treffen im Weißen Haus vergangene Woche hatten Trump und sein Vizepräsident J. D. Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras beschimpft. Denn Selenskyj zögerte, weil er dem Friedenswillen von Putin nicht traut und darum militärische Sicherheitsgarantien der USA für sein Land hineinverhandeln wollte.
Kellogg ließ bei der Veranstaltung offen, ob die Geheimdienstpause wieder aufgehoben würde, wenn Selenskyj schließlich zustimmte. Das sei allein die Entscheidung von Präsident Trump, dem Oberbefehlshaber der USA, so Kellogg. Vehement forderte er aber in Richtung Ukraine: "Unterzeichnet das Dokument!" Über die Gründe, warum das noch immer nicht geschehen ist, schwieg sich der General aus.
Dafür übernahm Kellogg die gleichen Worte, die schon US-Außenminister Marco Rubio öffentlich geäußert hatte. Trump wolle einen "endlosen Stellvertreterkrieg" beenden. Damit übernimmt das Weiße Haus die Erzählung des Kremls. Eine Sichtweise, die den klaren Angreifer, Wladimir Putin, weiter verschleiert.
"Trump glaubt, dass Putin ihn respektiert"
Über die wahren Beweggründe des US-Präsidenten weiß Fiona Hill Bescheid. Die renommierte Russland-Expertin arbeitete viele Jahre im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses, auch noch während Trumps erster Präsidentschaft. Sie kennt ihn also noch aus ihrer gemeinsamen, täglichen Arbeit. Hill, die kurz nach Kellogg auf dem Podium in Washington sprach, kennt den General seit Jahren. Was er gesagt habe, sei zu hundert Prozent und vollkommen ungeschminkt das, was Trump vorschwebt, so Hill.
Trumps Vorgehen sei sowohl in seinem transaktionalen Verständnis von Außenpolitik als auch in seinem Narzissmus verwurzelt. "Präsident Trump glaubt, dass Präsident Putin ihn respektiert. Er will, dass er ihn respektiert. Trump sieht die Welt so, dass jeder dabei verdient und jeder etwas davon hat", sagte Hill. Hinzu kommt, dass Trump sich "nicht um Abkommen kümmert, die er nicht selbst unterzeichnet hat".
Das sei auch ein Grund für die Wut auf Selenskyj im Oval Office gewesen, so Hill. Der ukrainische Präsident hatte das gescheiterte Minsk-Abkommen aus der Obama-Präsidentschaft angeführt. Für Trump ist das vollkommen irrelevant. Sein Motto: Er ist das Genie mit der Friedensformel.
"Russland braucht dringend einen Waffenstillstand"
Dass sein Plan funktioniert, muss Trump der Welt allerdings erst noch beweisen. Das Problem: Die Verhandlungsweise des US-Präsidenten lässt ihn nicht stark, sondern schwach erscheinen. "Wir behandeln Russland mit Samthandschuhen und die Ukraine mit dem Hammer", sagte etwa der pensionierte Nato-Kommandeur General Philip Breedlove.
Bevor die Verhandlungen überhaupt wirklich begonnen haben, hätten die USA Russland schon große politische Zugeständnisse gemacht. "Wir betreten den Verhandlungsraum nicht mit starker Hand", so Breedlove. Trump lasse Russland die Bedingungen in Europa diktieren, ohne dass Europa überhaupt mit am Verhandlungstisch sitze. "Wir haben immer gesagt, dass wir das nicht tun würden, und jetzt tun wir es", sagte der General. Das habe schwerwiegende Konsequenzen. Er reise viel nach Europa und habe dort große Schwierigkeiten, zu erklären, warum in den USA geschehe, was geschehe.
In Wahrheit verhalte es sich so: "Russland braucht dringend einen Waffenstillstand", so Breedlove. Die Russen zögen sich im Donbass zurück, würden Menschen in Cherson verheizen und Nordkorea zum zweiten Mal angebettelt, Soldaten zu schicken. "Das sagt alles, was man über den Zustand der russischen Armee wissen muss. Sie müssen sich neu ausrüsten und wieder aufstellen, und sie wollen, dass die USA einen Waffenstillstand garantieren, damit sie Zeit dafür haben", sagte Breedlove. Und Trump scheint Putin nun ebendiesen Gefallen zu tun.
"Eine vollständige geopolitische Neuausrichtung"
Doch die Folgen der Trump-Politik gehen weit über Europa hinaus. "Wenn wir hier Schwäche zeigen, ändert das alles", urteilte Fiona Hill. Jedes Land auf der Welt würde beobachten, was die USA nun in der Ukraine täten. Egal, ob China, Taiwan, Iran oder Nordkorea. China sei schon vor dem Krieg der größte Einzelinvestor in der Ukraine gewesen und habe sich inzwischen voll auf die Seite Russlands gestellt. "Es geht längst nicht mehr nur um Russland und die Ukraine. Es handelt sich um eine vollständige geopolitische Neuausrichtung", so Hill.
Das Problem: Trump sehe die Ukraine aber nicht aus geopolitischer Sicht. "Er sieht sie aus wirtschaftlicher Sicht", sagt sie. Auch bei dem Mineralien-Abkommen gehe es für Trump nur darum, einen Deal zu machen, bei dem jeder mit Gewinn davonkommt. "Er sieht diesen ganzen Konflikt als eine Geschäftstransaktion, nicht als einen geopolitischen Kampf", so Hill. Das heißt aber nicht, dass es diesen Kampf deswegen nicht gibt. "Man kann diese Konflikte nicht als getrennte Probleme behandeln. Sie sind jetzt alle miteinander verflochten."
Neuer Anlauf in Saudi-Arabien
Doch ungeachtet solcher globalen Folgen hält Trump an seiner Strategie der ukrainischen Erpressung und der russischen Umarmung fest und scheint damit vorerst auch weiterzukommen – schlicht, weil Selenskyj ohne die amerikanische Unterstützung im Krieg nichts anderes übrig bleibt. Trotz der Spannungen mit Trump sagte der ukrainische Präsident, er werde am kommenden Montag nach Saudi-Arabien reisen, um sich mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu treffen.
Im Anschluss soll es dann zu Gesprächen zwischen amerikanischen und ukrainischen Verhandlungsteams kommen. Trumps Sondergesandter Steve Witkoff, der eigentlich für Israel und Gaza zuständig ist, jetzt aber wie der wahre Ukraine-Beauftragte agiert, hat bereits ausführliche Gespräche mit der russischen Seite geführt. Der bestätigte in Washington vor dem Weißen Haus: "Wir diskutieren derzeit zur Koordination eines Treffens mit den Ukrainern in Saudi-Arabien."
Dort soll "der Rahmen für ein Friedensabkommen und einen ersten Waffenstillstand" geschaffen werden, sagte Witkoff. Neben ihm soll auch US-Außenminister Marco Rubio zu den Gesprächen nach Saudi-Arabien reisen. In dauerndem engem Austausch befinden sich derweil Andriy Yermak, Selenskyjs wichtigster Berater, und Trumps nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz.
Trump erreicht das Gegenteil
Unabhängig davon, wie es jetzt weitergeht, ist klar: Die Vereinigten Staaten haben mit dem Präsidentenwechsel im Weißen Haus ihre Strategie im Ukraine-Krieg drastisch verändert. Die Trump-Regierung hat nahezu allen Druck von Russland auf die Ukraine verlagert. Das mag kurzfristig Fortschritte im Friedensprozess bringen, aber nicht auf Kosten der angegriffenen Ukraine, sondern auch zum Nachteil der Rolle der USA auf der globalen Bühne. Trumps ganze eigene Sicht auf Machtspiele, Deals und Diplomatie, gepaart mit seiner Bewunderung für autoritäre Führer, läuft einer über viele Jahrzehnte aufgebauten strategischen Stabilität mit engen Bündnissen zuwider.
Deutlich wird das auch an einem der wichtigsten Anliegen Donald Trumps: Immer wieder betont der US-Präsident, dass er anstrebt, die Zahl der Atomwaffen weltweit deutlich zu reduzieren – zuerst mit Russland, dann mit China. Aktuell führen seine Äußerungen und Handlungen allerdings eher zum Gegenteil. Die europäischen Partner denken offen über nukleare Aufrüstung nach, weil auf die USA kein Verlass mehr im Rahmen der Beistandsverpflichtungen der Nato ist. Mehr dazu lesen Sie hier.
Andere Länder, Japan oder Südkorea etwa, dürften in ähnlich großer Sorge um ihre Sicherheit sein. Neben seinen neuesten Ukraine-Bemerkungen im Oval Office sagte Trump bezüglich des amerikanischen Beistandabkommens mit Japan: "Mit Japan haben wir einen Deal, der sehr interessant ist. Wir müssen Japan schützen, aber sie müssen uns nicht schützen. Und übrigens, sie machen mit uns wirtschaftlich ein Vermögen. Ich frage mich tatsächlich, wer diese Geschäfte macht."
- Eigene Recherchen und Gespräche vor Ort
- Livestream des Weißen Hauses (englisch)
- Trumps Profil auf Truth Social (englisch)
- Aussagen von Steve Witkoff vor dem Weißen Haus (englisch)