G7-Gipfel in Frankreich Die Stimmung ist explosiv
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die G7 sind in einer schlechten Verfassung. Beim Gipfel in Biarritz drohen zahlreiche Konflikte zu eskalieren. Vor allem Trump und Johnson machen den Ausgang unberechenbar.
Normalerweise ist es ruhig im französischen Biarritz. Eigentlich zieht der idyllische Ort an der Atlantikküste vor allem Sommerurlauber und Surfer an. Doch wo noch vor wenigen Tagen zahlreiche Menschen am Strand entspannten, herrscht nun Leere. Die Strände sind gesperrt, Tausende Sicherheitskräfte riegeln viele Teile der Stadt ab. Denn Biarritz ist die Bühne für den diesjährigen G7-Gipfel.
Für drei Tage ist hier die große Weltpolitik zu Gast. Doch die malerische Kulisse kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die G7 in den letzten Jahren an Bedeutung verloren haben. Das Format scheint überholt und hat an weltpolitischem Einfluss verloren. US-Präsident Donald Trump ist ein treibender Faktor hinter dieser Entwicklung. Zusammen mit dem neuen britischen Premierminister Boris Johnson stellt er das G7-Format auch in Frankreich vor eine Zerreißprobe.
Teilnehmer am G7-Gipfel in Biarritz
USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada.
Ob beim Klimaschutz, bei wirtschaftlichen Fragen oder beim Vorgehen in internationalen Krisen: Einigkeit untereinander gibt es selten. Der Gipfel in Frankreich droht zum Debakel ohne Abschlusserklärung zu werden.
Spannungen im Vorfeld
Jeder G7-Gipfel hat ein vom Gastgeber bestimmtes Motto. So soll es in Frankreich laut dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Biarritz um den "Kampf gegen die Ungleichheit in der Welt" gehen. Doch dieses Motto ist bestenfalls eine Randnotiz, andere Themen stehen im Vordergrund: Iran-Krise, Handelsstreit mit den USA und China, Klimakrise, die Konflikte in Syrien und der Ukraine. Selten gab es unter den G7 so viel Redebedarf, selten war die Gemeinschaft bei so vielen Themen zerstritten.
Im Fokus stehen vor allem Donald Trump und Boris Johnson. "Das Zusammentreffen von zwei Persönlichkeiten, die nicht gerade für ihre Selbstkontrolle bekannt sind, wird ein beispielloses Ereignis. Das wird eine hoch-explosive Stimmung", erklärte Francois Heisbourg, Politikberater beim "International Institute of Strategic Studies", im ARD-Morgenmagazin. Schon vor dem Gipfel trat Gastgeber Macron daher intensiv als Vermittler auf. Diese drei Politiker spielen in Biarritz entscheidende Rollen.
1. Donald Trump, der Spalter
US-Präsident Trump folgt auf internationaler Ebene vor allem seiner "America First"-Agenda. Er setzt auf starke Nationalstaaten und hat kein Interesse an einem geeinten Europa als wirtschaftlichen Gegenspieler zu den USA. Deshalb macht er mit einem Handelsabkommen Großbritannien wirtschaftspolitische Avancen für die Zeit nach dem Brexit. Wirtschaftspolitisch setzen die USA außerdem auf Strafzölle gegen China und die EU.
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In internationalen Krisengebieten möchte Trump mehr Verantwortung an die G7-Partner abtreten, auch Deutschland soll sich stärker militärisch engagieren. Aus dem Pariser Klimaabkommen stieg der US-Präsident aus, beim letzten G7-Treffen in Kanada erklärte er das Abschlussabkommen des Gipfels noch auf dem Rückflug für ungültig. Durch diese zahlreichen politischen Uneinigkeiten schwächen und spalten die USA die G7.
2. Boris Johnson, der Unberechenbare
Es ist der erste G7-Gipfel für Boris Johnson als britischer Premierminister. Für Großbritannien steht ein Großteil der internationalen Politik im Zeichen des Brexit. Johnson möchte, dass Großbritannien im Notfall auch ohne Deal aus der Europäischen Union aussteigt. Doch scheinen ihm in seinem neuen Amt die Folgen dieses Szenarios immer deutlicher zu werden. Deshalb besuchte er Kanzlerin Angela Merkel und G7-Gastgeber Macron vor dem Gipfel und machte der EU neue Verhandlungsangebote. Merkel und Macron zeigten sich zwar gesprächsbereit, nicht aber bei der von Johnson kritisierten "Backstop"-Regelung für die irische Grenze.
Auch weil dadurch ein harter Brexit wahrscheinlicher wird, sieht Johnson einen Ausweg in einem guten Verhältnis zu Trump. Großbritannien setzt wirtschaftspolitisch auf ein schnelles Handelsabkommen mit den USA nach dem Brexit, der Premierminister soll seit seinem Amtsantritt mindestens viermal mit dem US-Präsidenten telefoniert haben. In der Iran-Krise schloss sich Großbritannien der US-Mission an. Aber wie sich der Brexit-Streit mit der EU auf die britische G7-Politik auswirkt, ist noch unklar. Johnson ist in Biarritz der unberechenbare Neuling.
3. Emmanuel Macron, der Diplomat
Er ist Gastgeber und möchte ein Debakel wie beim letzten G7-Gipfel in Kanada unbedingt verhindern. "Angesichts neuer aufstrebender Mächte etwa in Asien kann sich der Westen keine Schwäche erlauben", warnte Emmanuel Macron vor dem Treffen. "Wir müssen die neue Weltordnung aktiv mitgestalten, andernfalls kann sich Europa letztlich in einer Vasallenrolle" wiederfinden. Der französische Präsident will, dass die G7 und Frankreich international mehr Verantwortung übernehmen.
Einst hat Angela Merkel auf dem G7-Parkett Dialoge initiiert und ist als Vermittlerin aufgetreten. Nun steht sie vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft und Macron möchte in ihre Fußstapfen treten. Auch deshalb traf er sich vor dem Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin oder mit Vertretern des Iran. Besonders wichtig sind die deutsch-französischen Beziehungen: Berlin und Paris sind in einem Großteil der internationalen Fragen der gleichen Meinung oder haben Kompromisse gefunden.
Der Schatten von Putin
Doch trotz aller Bemühungen: Einfach wird der G7-Gipfel für den französischen Präsidenten nicht. Klima, Brexit, Handelsstreit, jedes dieser Themen könnte zum Scheitern des Gipfels führen. In Kanada reichte eine kurze Twitter-Nachricht von Trump nach dem Gipfel, um alle Bemühungen während der Verhandlungen zunichte zu machen. "Wir werden auf sehr informelle Weise über die großen Themen sprechen – Sicherheit, Handel und die Weltwirtschaft. Wir werden sehen, ob es dann genug Stoff für Abschlusserklärungen gibt", dämpfte Macron bereits die Erwartungen.
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Der G7-Gipfel wird zeigen, ob die führenden Industriestaaten noch in der Lage sind, gemeinsam Politik zu machen. Das Format steht ohnehin mehr denn je in der Kritik. Denn es ist wenig nachhaltig, globale Fragen der Wirtschaftspolitik ohne China zu diskutieren, und Fragen der globalen Sicherheit ohne Russland.
Immer größere Risse
Auch deswegen kam unter anderem von Trump der Vorschlag, Russland wieder zu integrieren. Auch darüber sind sich die G7 uneinig. Russland ist wegen seiner Rolle in der Ukraine-Krise seit 2014 von dem Format ausgeschlossen. In den russischen Staatsmedien wird dies zwar diskutiert und das Treffen von Macron und Putin als Zeichen russischer Stärke interpretiert. Allerdings scheint der Kreml kaum mehr Interesse an dem Gesprächsformat zu haben. Russland wäre am G7-Tisch isoliert und Moskau setzt eher auf die G20, wo auch China dabei ist.
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Es wird auch auf den Gipfel in Frankreich ankommen, ein Zeichen gegen den wachsenden Bedeutungsverlust der G7 zu setzen. Allerdings ist fraglich, ob dieser Zusammenschluss von Industriestaaten noch in der Lage ist, über nationale Alleingänge hinaus gemeinsam Politik zu machen. Dafür müssten auch Trump und Johnson Kompromissbereitschaft demonstrieren. Wenn dies nicht passiert, könnten auch künftige Gipfel nicht mehr über zahlreiche bilaterale Gespräche hinauskommen. Gemeinsame Beschlüsse oder Absichten gäbe es keine mehr. Die Bedeutung der G7 würde weiter schwinden.
- Eigene Recherchen
- Macron zum G7-Gipfel: "Seien wir doch ehrlich..." (SpiegelOnline)
- Ein Gipfel mit ungewissem Ausgang /tagesschau.de)
- Mit Material der AFP