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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Ukraine-Gespräche Selenskyj setzt alles auf eine Karte

Wolodymyr Selenskyj trifft den US-Außenminister Rubio in Saudi-Arabien. Bei den Gesprächen geht es um den Fortbestand der Ukraine.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Außenminister Marco Rubio werden am Montag in Saudi-Arabien erwartet, wo neue Ukraine-Gespräche stattfinden sollen. Beide Politiker wollen Kronprinz Mohammed bin Salman treffen, den De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens. Mehr dazu lesen Sie hier.
In den vergangenen Wochen waren die Beziehungen zwischen der Ukraine und ihrem bisherigen engen Verbündeten, den USA, von Konflikten geprägt. Bei einem Treffen zwischen Selenskyj, US-Präsident Donald Trump und seinem Vizepräsidenten J. D. Vance kam es zum Eklat. Trump und Vance provozierten Selenskyj, dieser verließ das Weiße Haus. Die USA hatten daraufhin beschlossen, keine Geheimdienstinformationen mehr an die Ukraine weiterzuleiten und Waffenlieferungen vorerst einzustellen.
In die Gespräche in Saudi-Arabien setzt Selenskyj trotzdem neue Hoffnungen. t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zum Treffen auf der arabischen Halbinsel.
Wer nimmt an den Gesprächen teil?
Wolodymyr Selenskyj und Marco Rubio bringen jeweils eine eigene Delegation mit nach Saudi-Arabien. Selenskyj wird von seinem Kanzleichef Andrij Jermak, Außenminister Andrij Sybiha und Verteidigungsminister Rustem Umjerow begleitet.
Marco Rubio reist in Begleitung von Mike Waltz, dem Nationalen Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, und Steve Witkoff, Donald Trumps Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, an.
Beide Politiker planen außerdem ein Treffen mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, der als Vermittler auftritt. An bilateralen Treffen zwischen Ukrainern und US-Amerikanern wird der Kronprinz allerdings nicht teilnehmen.
Wo finden die Gespräche statt?
In einer Erklärung vom Freitag teilte das saudische Außenministerium mit, dass die Gespräche zwischen USA und der Ukraine in der Hafenstadt Dschidda stattfinden würden. Unklar ist, warum das Königreich die Hafenstadt der saudischen Hauptstadt Riad vorzieht. In Riad fanden am 18. Februar die ersten Gespräche zwischen Vertretern der USA und Russlands statt.
Was erwarten beide Parteien von den Gesprächen?
Sowohl Selenskyj, als auch Vertreter der US-Regierung zeigten sich vor dem Treffen in Saudi-Arabien vorsichtig optimistisch. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte am Sonntag, Rubio wolle ausloten, "wie man das Ziel des Präsidenten, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden, voranbringen kann".
US-Präsident Trump scheint ebenfalls guter Dinge zu sein, was die Gespräche in Saudi-Arabien angeht. Bei einem guten Verlauf könne die Ukraine wieder damit rechnen, wichtige Informationen von den US-Geheimdiensten zu bekommen, erklärte Trump am Sonntag an Bord der Air Force One. Die Aussetzung des Informationsaustauschs mit der Ukraine sei "so gut wie" beendet. Er glaube, bei den Verhandlungen würden beide Länder "große Fortschritte" machen.
Auch der ukrainische Präsident geht mit einer positiven Grundeinstellung in die Gespräche. Die ersten Gespräche der Unterhändler seien bereits zufriedenstellend verlaufen, erklärte der ukrainische Staatschef am Sonntagabend in einer Videobotschaft. "Wir hoffen auf Ergebnisse, sowohl im Hinblick auf den Frieden als auch auf die weitere Unterstützung."
Die Gespräche seien dabei gut vorbereitet, so Selenskyj: "Es liegen realistische Vorschläge auf dem Tisch. Der Schlüssel ist, sich schnell und effektiv zu bewegen".
Welche Ziele haben die Verhandlungspartner?
Die Ukraine will ihre staatliche Souveränität langfristig sichern. Ukrainische Regierungsvertreter kündigten mehrfach in den vergangenen Wochen an, die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität als politisches Ziel zu verstehen. Sollte es zu einem Abkommen mit Russland kommen, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Ukraine die von Moskau besetzten Gebiete als russisch anerkennt. Ebenfalls lehnt die Ukraine die Entmilitarisierung des Landes ab. Eine anhaltende strategische Orientierung zum Westen gilt außerdem als Ziel.
Russlands Führung beharrt dagegen auf seinen Forderungen und zeigt sich bislang nicht bereit, der Ukraine entgegenzukommen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow machte klar, dass eine Räumung der durch Russland besetzten Regionen in der Ukraine nicht infrage kommt. Territoriale Zugeständnisse an die Ukraine bei möglichen Friedensgesprächen seien ausgeschlossen, sagte Lawrow im Februar. Außerdem will Russland, dass die Ukraine offiziell ihren Verzicht auf einen Nato-Beitritt erklärt. Auch andere Sicherheitsgarantien für das Land lehnt Russland ab.
Und dann sind da noch die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump. Der Rechtspopulist schielt auf die Rohstoffvorkommen der Ukraine – im Gegenzug für Sicherheitsgarantien für das Land fordert er Schürfrechte, mit denen er die großen Rohstoffvorkommen der Ukraine anzapfen will. Mehr dazu lesen Sie hier.
Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden nach seinem Amtsantritt zu beenden. Das Abkommen bietet ihm die Gelegenheit, einen diplomatischen Erfolg zu präsentieren, auch wenn es noch keine konkreten Inhalte enthält. Wann Investitionen getätigt werden und ob tatsächlich Erträge in die USA zurückfließen, ist offen.
Welche Auswirkungen könnten die Gespräche auf den Krieg haben?
Laufen die Gespräche gut, könnte Trump es Selenskyj und der Ukraine wieder etwas vereinfachen: Der US-Präsident kündigte die Wiederaufnahme der Unterstützung für die Ukraine an und drohte Russland mit Sanktionen für den Fall, dass Putins Regime weiterhin die zivile Infrastruktur der Ukraine attackiert.
Die europäischen Verbündeten der Ukraine scheinen hinsichtlich der Gespräche in Dschidda noch skeptisch zu sein – und planen massive Unterstützungen für die Ukraine sowie die Aufrüstung Europas, um von den USA unabhängig zu sein. So erklärte der polnische Premierminister Donald Tusk am Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel, die neue Strategie der US-Regierung stelle Europa vor neue Herausforderungen: "Wir müssen diese Aufgabe annehmen", so Tusk. "Wir werden uns schneller, intelligenter und effizienter als Russland bewaffnen."
Warum finden die Gespräche in Saudi-Arabien statt?
Nach seiner Machtübernahme in Saudi-Arabien hat Kronprinz Mohammed bin Salman sowohl im Inland als auch im Ausland eine aggressive Haltung eingenommen. Sein öffentliches Ansehen erreichte einen Tiefpunkt mit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul, die von den Vereinigten Staaten und anderen als von dem Prinzen angeordnet angesehen wird.
Seit einigen Jahren arbeitet Saudi-Arabien allerdings daran, sein Image zu verändern. Die Beziehungen zum langjährigen Feind Iran sowie Israel haben sich entspannt. Der Kronprinz empfing außerdem Wolodymyr Selenskyj bei einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga und beteiligte sich an Verhandlungen über die Kriege im Sudan und im Gazastreifen.
Riad hat zudem seine Beziehungen zu Russland über das OPEC+-Ölkartell aufrechterhalten, während westliche Staaten Sanktionen gegen Russland verhängten. Dadurch konnte das Königreich seine seit Langem angestrebte Rolle als Führer der sunnitischen muslimischen Welt und als dominierende Kraft im Nahen Osten bekräftigen.
Die Ausrichtung von Russland-USA-Gesprächen erhöht Saudi-Arabiens Ansehen als neutrales Territorium für hochrangige Verhandlungen weiter. Die autokratische Regierung Saudi-Arabiens, die staatstreuen Medien und die geografische Distanz zum Krieg ermöglichen zudem, dass Gespräche in einem streng kontrollierten Land mit relativ hoher Vertraulichkeit stattfinden können.
- state.gov: "Secretary Rubio’s Travel to Saudi Arabia and Canada" (Englisch)
- apnews.com: "EU leaders commit to working together after Trump signals that Europe must defend itself" (Englisch)
- dw.com: "What can Ukraine expect from talks with US in Saudi Arabia?" (Englisch)
- reuters.com: "US to assess Ukraine's peace stance in Saudi Arabia meeting" (Englisch)