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"Künftiges Verhältnis zu Russland": Scholz-Berater kritisiert Panzer-Debatte in Deutschland


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Scholz' Chefstratege
In der Sackgasse


21.06.2022Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz (SPD) kommt beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU mit seinem Sprecher Steffen Hebestreit (M.) und Jens Plötner (l.) ins Schloss Versailles bei Paris.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz (SPD) kommt beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU mit seinem Sprecher Steffen Hebestreit (M.) und Jens Plötner (l.) ins Schloss Versailles bei Paris. (Quelle: dpa)

Kanzler Scholz steht wegen mangelnder Kommunikation in der Ukraine-Krise oft in der Kritik. Sein außenpolitischer Berater Jens Plötner wirft den Medien nun vor, zu viel über Panzerlieferungen zu berichten.

Deutschland steht im Ukraine-Konflikt unter genauer internationaler Beobachtung: Insbesondere osteuropäische Staaten befürchten, dass die Bundesrepublik zu ihrem russlandfreundlichen Kurs zurückkehren könnte, sollte sich der Krieg noch länger hinziehen oder Kiew und Moskau tatsächlich einen Waffenstillstand verhandeln sollten. Aber sind die Sorgen berechtigt?

Zwar betonen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) oft, dass es nach diesem Angriffskrieg keine Rückkehr zur Normalität mit dem Regime von Wladimir Putin geben kann. Trotzdem sorgt vor allem die zögerliche Kommunikation von Scholz in dieser Krise im In- und Ausland immer wieder für Zweifel an den wahren deutschen Kriegszielen. So steht die Bundesregierung seit Wochen in der Kritik, weil sie keine Kampf- oder Schützenpanzer westlicher Bauart an die Ukraine liefert – obwohl auch Frankreich, Großbritannien oder die USA diese Panzertypen nicht liefern. Kampfpanzer haben bisher nur osteuropäische Staaten in die Ukraine geliefert, ausschließlich altes sowjetisches Gerät.

Unglücklich für Scholz ist nun, dass sich sein wichtiger außenpolitischer Berater Jens Plötner auf einer Veranstaltung für eine Debatte über das künftige Verhältnis zu Russland ausspricht und die Medienberichterstattung über Panzerlieferungen kritisiert. Das streut Salz in die Wunde der gescheiterten deutschen Russland-Politik der vergangenen 20 Jahre.

Medienschelte statt Eingehen auf die Kritik

"Mit 20 Mardern (Anm. d. Red.: gemeint sind Schützenpanzer) kann man viele Zeitungsseiten füllen, aber größere Artikel darüber, wie das künftige Verhältnis zu Russland sein wird, gibt es weniger", sagte Plötner auf einem "Zeitenwende"-Event der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am Montag. "Und das ist eine genauso spannende und relevante Frage, über die man diskutieren könnte."

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Im Angesicht des russischen Angriffskrieges ist zumindest für die Ukraine die relevanteste Frage, wie sie ihre Staatlichkeit bewahren und einen möglichst großen Teil ihres Staatsgebietes vor Putins Invasion bewahren kann. Da die diplomatischen Bemühungen in einer Sackgasse sind und Putin aktuell kein Interesse an einem Frieden zu haben scheint, fährt der Westen die gemeinsame Strategie, die Ukraine verteidigungsfähig zu rüsten – und zwar so lange, bis Russland sich offen zu Gesprächen zeigt.

Plötners Aussage irritiert vor allem deshalb, weil aktuell niemand verlässlich einschätzen kann, wie eine Friedensordnung aussehen könnte. Immerhin kündigt der Scholz-Berater an, dass es keine Ratschläge aus Berlin an Kiew geben wird, sich auf einen Waffenstillstand einzulassen. "Von uns wird es keinen Druck geben, einen Diktatfrieden zu akzeptieren." Aber das macht eine Debatte über eine Nachkriegsordnung mit Russland müßig, da es zunächst im Westen um den Schutz der Ukraine gehen muss.

Jens Plötner ist zwar kein Sprachrohr der Bundesregierung, aber der erfahrene Diplomat gilt als außenpolitischer Chefstratege von Scholz. Von 2014 bis 2017 hat er das Ministerbüro vom damaligen SPD-Außenminister und heutigen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geleitet. Dessen Russland-Politik, die Deutschland auch energiepolitisch weiter in die Arme Wladimir Putins getrieben hat, gilt maßgeblich auch als Plötners Werk – und sorgt bis heute für Unmut in der Ukraine.

Kein EU-Rabatt für die Ukraine

Die Darstellungen des Scholz-Beraters in der DGAP-Diskussionsrunde sind durchaus von einem gewissen Realismus geprägt. "Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass es bei der Bundeswehr volle Regale gibt", erklärte Plötner weiter. "Aber so ist die Lage nicht, sonst bräuchten wir kein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro." Doch der Diplomat scheint dabei zu unterschätzen, dass es in der gegenwärtigen Krise auch um wichtige Signale geht, auch gegenüber dem russischen Präsidenten.

Schließlich müssen Nato und Europäische Union vermitteln, dass ihre Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen wird, weil die ukrainische Armee auch für demokratisch-freiheitliche Werte kämpft. Deshalb war der Besuch von Scholz in Kiew und deswegen ist ein EU-Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine in der jetzigen Situation wichtig, weil das der Regierung in Kiew politische Rückendeckung vermittelt.

Doch Plötner stellt nun klar: "Nur weil man angegriffen wird, wird man nicht automatisch ein besserer Rechtsstaat." Die strukturellen Probleme in der Ukraine seien weiterhin vorhanden und müssen angegangen werden. "Deshalb gibt es bei den allermeisten in der Europäischen Union ein klares Verständnis dafür, dass wir den Kandidatenstatus nicht mit einem Rabatt bei dem Erfüllen der Beitrittskriterien verbinden." Eine strikte Anlegung der Kriterien sei der größte Dienst, den man den Menschen in der Ukraine erweisen kann.

Im Prinzip sind diese Aussagen nicht falsch, aber sie kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die EU gar nicht ernsthaft über eine sofortige Aufnahme der Ukraine diskutiert. Klar ist, dass das Land große Probleme zum Beispiel mit Korruption hat, aber es wird viele dieser Schwierigkeiten nicht lösen können, solange es von Russland angegriffen wird. Auch diese Debatte führt aktuell in eine Sackgasse, da es die Ukraine am Ende dieses Krieges noch geben muss, damit sie der EU beitreten kann. Plötners Ausführungen sind allerdings strategisch fatal, weil sie das Bild vermitteln, dass mit einem EU-Beitritt der Ukraine ohnehin viele Jahre nicht zu rechnen ist. Das hilft vor allem Putin.

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"Wäre ein Fehler, China und Russland in einen Topf zu werfen"

Wie auch bei Scholz formuliert Plötner keine genaue Vision, wie deutsche Außenpolitik nach dieser Zeitenwende – dem russischen Angriff auf die Ukraine seit dem 24. Februar – gestaltet werden soll. Dazu will die Bundesregierung eine neue nationale Sicherheitsstrategie ausarbeiten und diese mit der Nato und der EU abstimmen. Aber hat Scholz dabei überhaupt eine ähnliche Haltung wie Außenministerin Baerbock, die sich für eine wertegeleitete Außenpolitik starkmacht?

Zweifel daran sind zumindest angebracht und werden in der Debatte um eine mögliche China-Strategie deutlich. "Es wäre ein Fehler, China und Russland in einen Topf zu werfen", sagte Plötner auf dem DGAP-Panel. Das hätte etwas von einer "selbsterfüllenden Prophezeiung". Es wäre falsch, einen Antagonismus herbeizureden, denn zum Beispiel im Kampf gegen die Klimakrise sei eine Zusammenarbeit mit China wichtig, so der Diplomat.

Doch auch hier scheint der Scholz-Berater den Kanzlerkritikern nur neue Nahrung zu liefern: Schließlich stellt sich der chinesische Präsident Xi Jinping hinter Putins Krieg, gibt der Nato Schuld an diesem Konflikt und rüstet mit Blick auf das Südchinesische Meer massiv militärisch auf. Wenn Deutschland erst darauf reagiert, wenn China Taiwan oder Vietnam angreift, wird die Bundesregierung international mit der Kritik konfrontiert werden, nicht aus den Fehlern in den Beziehungen zu Putin gelernt zu haben.

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Auch Scholz' Berater ist nicht der weltbeste Kommunikator

Eines ist klar: Die Zeitenwende ist für Deutschland ein wichtiges Aufbruchssignal, das außenpolitisch aber noch gestaltet werden muss. Immerhin gibt sich Plötner nicht der Illusion hin, dass der Westen Russland im Ringen um eine neue globale Ordnung entscheidend isoliert hat. "Wir mögen zwar in der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Stimmenmehrheit haben, aber man wird sehr schnell berechnen können, dass wir keine Mehrheit der Weltbevölkerung für diese Sichtweise hinter uns haben", so der Scholz-Berater.

Diese richtige Diagnose zeigt, dass auch Deutschland neben der militärischen Unterstützung für die Ukraine zahlreiche Gespräche mit weiteren Staaten führen muss. Dafür braucht es aber auch eine gewisse Entschlossenheit in der Kommunikation, die Scholz und sein Berater in dieser Krise teilweise vermissen lassen. Das führt immer wieder zu Sorgen bei internationalen Partnern, die eigentlich vermeidbar wären.

Verwendete Quellen
  • "Zeitenwende"-Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
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