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Dieter Hallervorden nach N-Wort-Skandal: "So war ich schon immer"


Dieter Hallervorden und der Empörungskult
"Keine Wählerschaft lässt sich das ungestraft gefallen"


12.04.2025 - 12:55 UhrLesedauer: 5 Min.
Dietrich Hallervorden: Ob als Komiker, Kabarettist, Schauspieler oder Theaterleiter – Erfolg hatte er fast immer.Vergrößern des Bildes
Dieter Hallervorden: Ob als Komiker, Kabarettist, Schauspieler oder Theaterleiter – Erfolg hatte er fast immer. (Quelle: Gerhard Leber/Imago)
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Kaum ein Künstler wühlt Debatten so sehr auf wie Dieter Hallervorden – und das konstant über Jahre hinweg. Darauf angesprochen, reagiert der 89-Jährige fast verwundert.

Dieter Hallervorden wird im September 90 Jahre alt. Sieht er Dinge heute mit größerer Gelassenheit – oder gibt es etwas, das ihn mehr aufregt als früher? "Mit größerer Gelassenheit sehe ich, dass mir weniger Alkohol guttut", sagt er t-online in dieser Woche und fügt an: "Mehr aufwühlen tut mich, dass Pöbler, Hassprediger und ewig nörgelnde Miesmacher die Gesellschaft spalten." Ein typischer Hallervorden-Satz. Und einer, der den Eindruck der vergangenen Wochen, wenn nicht gar Jahre, verfestigt.

Ob Winnetou, Gaza, N-Wort oder eine Schnitzelzubereitung mit Paprikasoße: Immer dann, wenn es um kulturelle Aneignung, Rassismus oder politische Minenfelder geht, ist Dieter Hallervorden nicht weit. Der Kabarettist ist so etwas wie der Hauptdarsteller in gesellschaftlichen Diskussionen, die mit der Überschrift "Was darf man heute noch sagen?" treffend umschrieben sind.

Als am 5. April in der ARD das große 75. Jubiläum des Senders gefeiert wird, geriet Hallervorden schnell in den Mittelpunkt. Zwar hatte der Comedian nur einen Kurzauftritt in der Show – aber die Berichterstattung im Anschluss drehte sich hauptsächlich um ihn. Grund war eine Wiederaufführung seines Sketches "Palim, Palim" aus der Siebzigerjahre-Sendung "Nonstop Nonsens".

Sein Spezialgebiet: kalkulierte Eskalation

Da sitzt Dieter Hallervorden in Knastuniform auf einem Etagenbett und beschwert sich darüber, dass er heute nicht mehr das N- oder das Z-Wort sagen dürfe. Doch statt die Formulierungen zu umschiffen, spricht er sie aus – und schon tritt der Effekt ein, der bereits in all den vorangegangenen Debatten zu beobachten war: Während die einen sich empören, wüten die anderen, dass die einen sich empören. Eine Eskalationsspirale mit Ansage.

N-Wort

Der Begriff "N-Wort" umschreibt eine früher übliche, aber rassistische Bezeichnung schwarzer Menschen. Sein Gebrauch zielt darauf ab, das eigentliche Wort nicht unnötig zu reproduzieren, da es beleidigend und diskriminierend ist. t-online nutzt den Ursprungsbegriff nur dann, wenn es zum Verständnis unbedingt erforderlich ist, und ordnet ihn dabei stets als rassistisch ein.

Alles daran wirkt wie einstudiert, gut eingeübt. Eine Parallele zu Schauspiel und Kabarett. Kunstfertigkeiten, mit denen Hallervorden in Deutschland zur Berühmtheit wurde.

"Ich glaube, wir leben in einer Art von Empfindsamkeitskult, bei dem uns andere Leute vorschreiben wollen, mit welchem Slalom wir angebliche Fettnäpfchen in Zukunft zu umrunden haben", sagte er im August 2022 der Deutschen Presse-Agentur, weil damals eine Diskussion um das Buch "Der junge Häuptling Winnetou" entbrannt war – und damit um die Frage, wie sensibel mit historischen Darstellungen anderer Kulturen umgegangen werden sollte.

Provokation als Stilmittel

Knapp drei Jahre später sagt er derselben Nachrichtenagentur zu seinem Auftritt in der ARD: "In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern gerade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt."

Dient ihm die Provokation als Stilmittel zur Aufmerksamkeitssteigerung? Ist sie, gewissermaßen in der Tradition seiner Kabaretttätigkeiten der Vergangenheit, nur Mittel zum Zweck? Oder geht es Hallervorden tatsächlich um etwas Größeres, um ein wichtiges Anliegen? Kann der Kampf gegen eine angebliche Sprachpolizei, neue Sensibilitäten oder einen "Empfindsamkeitskult", wie es Hallervorden nennt, wirklich so wichtig sein?

Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung kann es kaum sein. Als Kulturschaffender hat Dieter Hallervorden so ziemlich alles erreicht. Mit ersten Auftritten in den Sechzigern wurde er über die Jahrzehnte danach zu einem der größten Comedystars des Landes. Ob als Schauspieler, Kabarettist oder Leiter von inzwischen drei Theatern: Hallervorden hat nicht nur finanziell ausgesorgt – seine Karriere war so erfolgreich, dass auch sein Image profitiert hat. Der gebürtige Dessauer wurde nicht mehr als Ulknudel verlacht, sondern als ernst zu nehmender Künstler betrachtet.


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Ich habe nie um den heißen Brei herumgeredet. Direkt war ich schon immer, weil man dann schneller verstanden wird.


dieter hallervorden


In seinem neuesten Buch "Meine erstaunlichen Alltagsabenteuer", das er Ende März herausgebracht hat, schreibt er: "Ich war stets mehr vom Glück als vom Pech verfolgt." Zum Erfolg, so der Autor, gebe es keinen Fahrstuhl: "Man muss die Treppe benutzen, Stufe für Stufe." Das habe er seit Jahrzehnten beherzigt und heute sei er stolz auf das Ergebnis, das er einer Mischung aus Risikobereitschaft, Durchhaltewillen und Glück zu verdanken habe.

Aber wieso dann dieser Hang zur Provokation – und das im Alter von fast 90 Jahren? "Ich habe nie um den heißen Brei herumgeredet. Direkt war ich schon immer, weil man dann schneller verstanden wird", erklärt er t-online. Hallervorden strotzt vor Selbstvertrauen. Gegenwind scheint ihn nicht zu stören. Im Gegenteil scheint es eher so, als treibe ihn dieser an.

Depression, Suizidgedanken – und der Wandel

Diese unerschütterliche Überzeugung, richtigzuliegen, gut zu sein, zeichnete ihn nicht immer aus. Zwar hat er über die vergangenen Jahrzehnte fast durchgehend an Projekten gearbeitet, auf der Bühne gestanden und Witze gerissen, aber ein Blick auf seinen Lebenslauf offenbart auch Lücken. Jahrelang litt der Kabarettist unter Depressionen und dachte sogar an Suizid. "Falsche Schlafmittel zu lange in sich hineinzupumpen, hatte sehr unliebsame Nebenwirkungen", sagt er rückblickend. "Eine Klinik mit Entzugstherapie hat mich auf den rechten Weg geführt."

Die Liebe zu seiner Frau Christiane, die er 2015 kennenlernte und 2022 heiratete, hilft ihm heute über jeden Zweifel hinweg. Hallervorden sagt: "Die Lebenslust ist wieder in voller Blüte!" Und damit auch die Streitlust?

Als Dieter Hallervorden im vergangenen Jahr ein Gedicht über den Gaza-Krieg veröffentlichte, tobte ein Sturm der Entrüstung. Ob er seine Formulierungen heute bereue, will t-online von ihm wissen. Etwa, weil er mit dem Begriff "Apartheid" viel Kritik auslöste. Hallervorden wiegelt ab: "Die gleichgeschaltete Presse schäumte", antwortet er, ohne zu erklären, was er mit diesem Begriff aus der Zeit des Nationalsozialismus meint. Schließlich ist in Studien hierzulande mehrfach belegt worden, dass es im Rahmen der Pressefreiheit sehr wohl ein breites Spektrum verschiedener Meinungen und Positionen in die Medienöffentlichkeit schafft.


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"Mir ist nicht bekannt, jemals von Rechtsextremen Applaus erhalten zu haben. Und wenn doch – dann haben sie mich falsch verstanden.


dieter hallervorden


Hallervorden sagt: "In den Kommentaren aus der Bevölkerung bekam ich 90-prozentige Zustimmung. Und der Internationale Gerichtshof hat dann ja auch – wie von mir vorhergesagt – Anklage gegen Netanjahu erhoben wegen Verletzung des Völkerrechts. Ich bereue nicht nur nichts, sondern bin zufrieden, dass ich eindeutig meine Meinung gesagt habe."

Auch bei t-online findet sich dieses Meinungsbild in Leserbefragungen und nicht repräsentativen Umfragen wieder. Zuletzt verteidigten viele Leser im Kontext der ARD-Sendung Hallervordens Handeln, mehr als 70 Prozent der Befragten gaben zudem an, seine Einlassungen als "notwendige Auseinandersetzung mit Sprachwandel" anzusehen.

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Und wie fühlt sich der Komiker damit, dass er vor dem Hintergrund seiner teils umstrittenen Äußerungen auch häufig aus Ecken Applaus bekommt, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind? "Mir ist nicht bekannt, jemals von Rechtsextremen Applaus erhalten zu haben. Und wenn doch – dann haben sie mich falsch verstanden", antwortet Hallervorden.

Die AfD folgt immer auf eine Art "Aber"

Die politischen Auswirkungen, die angespannte Lage im Land, eine gereizte Stimmung: Das nehme Hallervorden durchaus wahr. Wenn man ihn fragt, wie er sich die wachsende Zustimmung für populistische Parteien erklärt, sagt er: "Mit dem Bockmist, den die etablierten Parteien seit Jahren anhäufen. Zur Zeit allen voran die Merz-CDU und die SPD, die gerade ihr schlechtestes Wahlergebnis eingefahren hat und jetzt in einer Koalition den Kurs bestimmen möchte. Keine Wählerschaft lässt sich das auf Dauer ungestraft gefallen."

Nur um dann sogleich anzufügen: "Wohlgemerkt, ohne dass es mir gefällt, dass die AfD die Lösung sein soll!" Es sind diese Einschränkungen, die Künstler wie er oder Dieter Nuhr angesichts ihrer Äußerungen häufig hinzufügen müssen, um sich von der in Teilen rechtsextremen Alternative für Deutschland abzugrenzen.

Fast wirkt es so, als gehöre das zu einer Art Geschäftsmodell der gelebten Hallervorden-Provokation: Auf den Aufschrei folgt die bissige Kommentierung – und abschließend der Hinweis, nichts mit Rechtsextremen zu tun haben zu wollen. Eine Dynamik, die bei ihm auch mit fast 90 Jahren nichts an ihrer Wirkungskraft verloren hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Interview mit Dieter Hallervorden

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