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Plastischer Chirurg: Gewisse Operationen haben in Corona-Pandemie zugenommen


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Immer öfter, immer mehr?
Chirurg warnt: Damit täuscht man die anderen

InterviewVon Nora Schiemann

Aktualisiert am 09.10.2021Lesedauer: 5 Min.
Schönheitsoperationen: Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Eingriff, um ihr Aussehen zu verbessern.Vergrößern des Bildes
Schönheitsoperationen: Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Eingriff, um ihr Aussehen zu verbessern. (Quelle: dimid_86/getty-images-bilder)
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Vollere Lippen, größere Oberweite, glatte Stirn: Ästhetische Eingriffe nehmen zu, auch bei den Jüngeren. Der Chirurg Lukas Prantl erklärt im Interview, warum es den Drang gibt – und nach welchem Aussehen wir streben.

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Operation, um ihr Aussehen zu verbessern – so scheint es zumindest, wenn man den Blick auf die sozialen Medien richtet. Eingriffe wie Lippenaufspritzungen oder ein Augen- beziehungsweise Stirnlift sind bei vielen mittlerweile offenbar kein Tabuthema mehr.

t-online hat im Interview mit dem Plastischen und Ästhetischen Chirurgen Prof. Lukas Prantl über aktuelle Trends in der ästhetischen Chirurgie gesprochen – und darüber, wieso sich vor allem Jüngere immer häufiger unters Messer legen.

t-online: Herr Prantl, sie arbeiten seit 27 Jahren als Plastischer Chirurg und forschen unter anderem zur menschlichen Attraktivität. Werden wir immer künstlicher?

Lukas Prantl: Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt eher ein hohes Bestreben von plastischen Chirurgen, eine natürliche Schönheit zu erzielen und Alterungsprozesse aufzuhalten. Die natürliche Schönheit finden wir in den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, daran orientieren sich Chirurgen die letzten 15 bis 20 Jahre.

Früher gab es eher übertriebene Vorstellungen. Beispielsweise wurden in den USA Implantate verwendet, um sehr große, unnatürliche Brüste zu bilden. Doch man hat gemerkt, dass das eigentlich die falschen Entwicklungen sind. Auch heute gibt es immer noch einige wenige Patientinnen, die solche Extreme wünschen.

Was meinen Sie genau mit natürlicher Schönheit?

Natürliche Schönheit bedeutet, dass bestimmte Proportionen wie der Goldene Schnitt, Ausgewogenheit, Harmonie und Geometrie vom Menschen als besonders schön empfunden werden. Diese Merkmale sind in der Natur vorzufinden und dieses Schönheitsempfinden wird beständig so bleiben.

Was ist der Goldene Schnitt?
Der Goldene Schnitt taucht häufig im Zusammenhang mit Fotografie und Kunst auf. Er definiert, dass zwischen zwei Größen ein mathematisches Teilungsverhältnis besteht. Daraus ergibt sich eine harmonische Proportionierung, die vom Gehirn als besonders ästhetisch und schön wahrgenommen wird.

Das Wort "natürlich" und ästhetische Eingriffe stehen doch aber im Gegensatz zueinander?

Das würde ich nicht sagen. Die ästhetischen Eingriffe haben eigentlich zum Ziel, das Körperbild zu perfektionieren. Wenn zum Beispiel eine jüngere Patientin in die Praxis kommt, die eine sehr schmale Oberlippe und ein fliehendes Kinn hat, dann entsprechen die Proportionen nicht dem, was wir als natürlich schön empfinden.

Sie haben gerade schon die "jüngere Patientin" angesprochen. In den sozialen Medien wie Instagram zeigt sich der Trend, dass Menschen schon im jungen Alter Eingriffe vornehmen lassen. Warum gibt es diesen Drang?

Das Bedenkliche an den sozialen Medien ist, dass sie teilweise eine Realität erzeugen, die oft nicht der Wirklichkeit entspricht. Zum Beispiel die bearbeiteten Selfies oder die Filter, die nicht dem realen Aussehen entsprechen. Das ist ein Täuschen der anderen und führt zu Selbstzweifeln.

Gibt es denn das eine Schönheitsideal?

Das kann man nicht verallgemeinern – man kann nicht sagen, nur weil man ein bestimmtes Aussehen hat, entspricht man dem Ideal. Grundsätzlich ist zwischen Merkmalen wie den bereits genannten harmonischen Proportionen, die über die Jahrhunderte beständig sind und Trends zu unterscheiden.

Die Trends werden von der Masse bestimmt. Trends, die für Jüngere immer wieder infrage kommen, werden auch von den Jüngeren gesetzt, das haben meine Studien gezeigt. Meistens von den 15- bis 25-Jährigen.

Wenn man Schönheit rein wissenschaftlich erfassen will, dann muss man ein großes Kollektiv der Bevölkerung unterschiedlichen Alters und Geschlechts befragen. Und wenn diese große Zahl an Personen bestimmte Merkmale attraktiv findet, dann stellen diese das derzeitige Schönheitsideal dar. Das muss nicht immer mit der natürlichen Schönheit übereinstimmen.


Lukas Prantl ist Klinikdirektor für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Regensburg und am Caritas-Krankenhaus St. Josef. Er ist zudem Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC).

Wie finden Sie in Gesprächen gerade mit jüngeren Patienten heraus, ob die Idee zur Schönheits-OP schon gereift ist und nicht aus einer Laune heraus entsteht?

Es ist sehr wichtig, sich mit dem Patienten mehrmals in der Sprechstunde zu treffen. Und wenn man im ersten Gespräch schon merkt, dass die Vorstellungen abweichen von dem, was ich als plastischer Chirurg als natürlich schön empfinde, dann sollten dringend weitere, auch kritische Gespräche geführt werden.

Es gibt auch Patienten, die gewisse Selbstwahrnehmungsstörungen haben – Dysmorphophobie nennt man das –, dann sollte man sehr vorsichtig sein und auch psychologische Beratung hinzuziehen.

Bereitet Ihnen etwas Sorgen, wenn Sie sich die Schönheitstrends anschauen?

Viele Schönheitstrends werden auch gerne von den Medien zugespitzt. Bei meinen Patienten gibt es relativ wenige mit unrealistischen Vorstellungen, das heißt extremen. Die meisten wünschen sich, dass es natürlich aussieht. Ich sehe zum Beispiel selten den Trend des "Brazilian Butt Lifts", wo übergroße Gesäße gewünscht werden, die nicht mehr zu den Proportionen des Körpers passen.

Was sich aber durch die Onlinemeetings verstärkt hat, ist, dass viele – auch Jüngere – sehr viel kritischer mit ihrem Gesicht umgehen. Gewisse Operationen haben in der Corona-Pandemie zugenommen, zum Beispiel Lidoperationen, Gesichtsoperationen, Lippenaufspritzungen und Botoxbehandlungen.

Besteht da nicht eine Gefahr zur Sucht, wenn Patienten einmal mit ästhetischen Eingriffen angefangen haben?

Da muss man sicher aufpassen. Wenn Patienten anfangen, haben sie schon Tendenzen, immer mehr zu wollen. Da muss man vorsichtig sein, besonders im Umgang mit extremen Wünschen. Deshalb ist eine seriöse Beratung wichtig und man sollte nur das zusagen, was auch mit den derzeitigen Operationstechniken möglich ist.

Ist es denn ein Problem unserer Gesellschaft, dass wir um jeden Preis äußerlich nicht mehr altern wollen?

Ja, das hat sich in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft verstärkt. Es ist schon immer ein Urbedürfnis des Menschen, dass er nicht altern möchte. Aber es hat sich gerade in den vergangenen 20, 30 Jahren gezeigt, dass die plastische und ästhetische Chirurgie nicht mehr tabu ist – ich würde sagen, fast gesellschaftsfähig geworden ist.

Es gibt aktuell die Gegenbewegung "Body Positivity", die sich für eine positive Haltung zum Körper, so wie er ist, ausspricht. Haben Sie Sorge, dass die ästhetische Chirurgie irgendwann ausstirbt?

Da habe ich keine Bedenken. Es ist nichts Verwerfliches, wenn man sagt, man hat Makel oder es setzen Alterungsprozesse ein, die man mithilfe der ästhetischen Chirurgie gut verbessern kann. Dadurch kann auch die Lebensqualität zunehmen.

Es ist natürlich wichtig und da hilft auch diese Bewegung, dass nicht nur rein das Äußere zum Glück beitragen kann. Es muss eine Harmonie zwischen innerem Seelenempfinden und dem Äußeren vorhanden sein, damit Glück, Zufriedenheit und Harmonie entsteht.

Wenn Sie 20 Jahre in die Zukunft blicken, was könnte es für Veränderungen bei der ästhetischen Chirurgie geben?

Es gibt jetzt schon einen Trend: Die Patienten sind sehr stark im Berufsalltag eingebunden. Viele wollen daher möglichst kurze Ausfallzeiten. Deshalb werden viele kleine Eingriffe vorgenommen – zum Beispiel die Lippen auffüllen, einzelne Falten glätten. Diese vielen kleinen Eingriffe führen allerdings nicht zu einem Endergebnis, welches mit einer guten, etwas aufwendigeren Operation möglich ist und nachhaltig zur Verjüngung beiträgt.

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Außerdem werden die ästhetische Chirurgie und das Aussehen noch mehr an Bedeutung in unserer Gesellschaft zunehmen. Ich denke, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass alles sehr flüchtig, kurzlebig ist und der Fokus sehr auf das Äußere gelegt wird. Vieles ist oberflächlicher geworden.

Bewirken die zunehmenden ästhetischen Eingriffe aber nicht auch, dass wir insgesamt oberflächlicher werden?

Ich glaube, das ist nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein. Das Oberflächliche ist eher durch die gesamte Gesellschaft geprägt. Es beginnt bei den Medien und dem gesamten Einfluss bei Jugendlichen durch Social Media oder Computerspiele. Die ganze Wahrnehmung verändert sich.
Es wird alles schnelllebiger und unpersönlicher. Das hängt auch damit zusammen, dass grundsätzliche Werte teilweise an Bedeutung verloren haben. Wer redet heute noch über große philosophische Werke und deren bedeutende Gedankengänge oder über Grundsatzfragen?

Wie meinen Sie das?

Philosophische und religiöse Gedanken und Vorstellungen sind in der heutigen Zeit für viele nicht mehr so präsent.

Ich will nicht sagen, dass Jugendliche hinsichtlich ihrer moralischen und ethischen Haltung schlechter geworden sind, sondern es sind andere Themen, die an Bedeutung gewonnen haben.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prantl.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Lukas Prantl
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