ALS-Forschung Ice Bucket Challenge: Was die Aktion der Medizin gebracht hat
Ob im BH wie Sängerin Helene Fischer oder im blauen Hemd wie Bill Gates: Vor zwei Jahren nahmen Menschen weltweit an der Ice Bucket Challenge teil. Sie kippten sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf, luden das Video davon im Internet hoch und spendeten Geld, um die unheilbare Nervenkrankheit ALS zu bekämpfen.
Durch die Spendengelder konnten bereits beachtliche medizinische Erfolge erzielt erden.
Spendenaktion: Millionen für die ALS-Forschung
Ein "spektakuläres und erfolgreiches Ereignis" sei die Eiseimer-Herausforderung im Rückblick betrachtet gewesen, sagt Thomas Meyer, Leiter der ALS-Ambulanz an der Berliner Charité. "Es entstand eine unmittelbare finanzielle Unterstützung für Institute, Arbeitsgruppen und Kliniken, die sich für die Erforschung der ALS und die Versorgung von ALS-Patienten engagieren."
Zugleich sei eine gesellschaftliche Aufmerksamkeit entstanden, die für eine seltene Erkrankung sehr ungewöhnlich sei. Allein die ALS-Ambulanz nahm durch das Spektakel rund 1,6 Millionen Euro Spenden ein und konnte unter anderem Programme zur ALS-Forschung und zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen auflegen. Weltweit am meisten Spenden sammelte die amerikanische ALS Association ein: 92 Millionen Euro in acht Wochen.
Zwei neue Medikamente und drei neue Gene entdeckt
Und die US-Forscher sind es auch, die seitdem mit den spektakulärsten Nachrichten aufwarten können. Mehr als 150 wissenschaftliche Untersuchungen seien mit dem Geld bereits unterstützt worden, teilt die ALS Association mit. Zudem seien zwei neue Medikamente entwickelt und vor allem drei neue Gene entdeckt worden, die in Zusammenhang mit ALS stehen.
Zuletzt fand eine US-europäische Forscherkooperation das Gen NEK1, einen der wohl wichtigsten Bausteine zum Verständnis von ALS. "Diese Forschung wäre ohne die Ice Bucket Challenge in dieser Form nicht möglich gewesen", sagt Charité-Ambulanzleiter Meyer. "Es handelt sich um das Ergebnis eines gigantischen Projektes. Von insgesamt 13.000 ALS-Patienten wurde das gesamte Genom analysiert."
ALS-Betroffene sterben meist an Atemlähmung
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine nach wie vor unheilbare Krankheit. Über ihre genauen Ursachen und Mechanismen ist bislang wenig bekannt. Klar ist: Die Betroffenen können sich im Verlauf der Erkrankung nicht mehr bewegen, und haben Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen und Atmen. Das Bewusstsein und der Intellekt bleiben aber in der Regel intakt.
Etwa die Hälfte der Patienten stirbt innerhalb der ersten drei Jahre, meist an Atemlähmung. Nur in Ausnahmefällen leben sie länger als ein Jahrzehnt mit der unheilbaren Krankheit. Die meisten Fälle treten spontan auf. Am häufigsten erkranken Menschen im Alter von 50 bis 70 Jahren, Männer etwas häufiger als Frauen.
Rund 8000 Menschen in Deutschland betroffen
ALS ist keine Volkskrankheit. Es sind vergleichsweise wenig Menschen betroffen, in Deutschland etwa 8000. Auch der Künstler Jörg Immendorff starb 2007 an dieser Nervenkrankheit. Weltweit bekanntester Patient ist wohl der Physiker Stephen Hawking. Er lebt bereits seit Jahrzehnten mit der Krankheit, sitzt aber im Rollstuhl und kann nicht mehr sprechen. Mit der Außenwelt verständigt er sich über einen Sprachcomputer, den er mit den Augen steuert.
Da ALS eine eher seltene Krankheit ist, haben es Forschungseinrichtungen und Hilfsorganisationen normalerweise sehr schwer, an Gelder zu kommen. Seit der Ice Bucket Challenge sei die Spendenbereitschaft insgesamt aber gestiegen, sagt Ambulanzleiter Meyer. "Die Spenden stammen allerdings zumeist von Menschen, die einen spezifischen Bezug zur ALS haben. So spenden Trauergemeinden, die einen Angehörigen durch die ALS verloren haben, zur Unterstützung unserer Arbeit."
Was der Ice Bucket Challenge fehle, sei die Nachhaltigkeit. "Die ALS-Ambulanzen in Deutschland sind nach wie vor dramatisch unterfinanziert", kritisiert Meyer. "Auch eine Grundausstattung für ALS-Forschung ist in Deutschland nicht vorhanden."
Ice Bucket Challenge schwer wiederholbar
Die Ice Bucket Challenge sei "wahrscheinlich einmalig" und werde sich nicht so leicht wiederholen lassen, sagt Meyer. Es gebe inzwischen in Deutschland aber ein Netzwerk mit prominenten Unterstützern wie dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder oder dem Sänger Udo Lindenberg, die zum Beispiel bei Spendengalas oder Oldtimer-Rallyes Gelder einsammelten. "Die Offenheit, auf ungewöhnlichen Wegen Menschen mit ALS zu unterstützen, ist durch die Ice Bucket Challenge deutlich gestiegen."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.