Trauma nach Unfall Die Seele leidet ebenso wie der Körper
Wenn die Wunden längst verheilt sind, leidet die Seele weiter: Viele Opfer von Verkehrsunfällen haben mit psychischen Folgeerkrankungen zu kämpfen. Hilfe ist hier nicht selbstverständlich. Das kann die Beschwerden verschlimmern oder sogar deren Ursache sein.
Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt es jedes Jahr 8,6 Millionen Unfallopfer. Nun ergab eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): Etwa jedes vierte Verkehrsunfallopfer leidet an psychischen Folgeerkrankungen wie Angst, Depression oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Diese entwickeln sich oft kurz nach dem Horrorerlebnis, manchmal auch erst Monate später.
Unfallopfer durchleben den Schock immer wieder
Typische Symptome sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Alpträume, Gereiztheit, innere Unruhe, Teilnahmslosigkeit oder das plötzliche Wiedererleben des Unfalls. Die BASt-Studie (200Teilnehmer) zeigt nach Ansicht von DGPPN-Präsident Professor Wolfgang Maier im Ergebnis "ein realistisches Bild". Psychische Unfallfolgen seien keine Seltenheit, kämen in Diagnostik und Versorgung aber oft zu kurz.
Krankenhauspersonal ist nicht richtig geschult
Dafür gibt es laut Maier mehrere Gründe: Mangelnde Sensibilität des Krankenhauspersonals, unter anderem werden Symptome seelischer Unfallfolgen kaum erkannt. "Psychische Langzeitstörungen lassen sich in zwei, drei Wochen Behandlungszeit nach einem Unfall noch nicht feststellen. Aber Mediziner müssten beispielsweise das Risiko erkennen, wenn ein Patient keine familiäre Anbindung hat und mit seinen Sorgen allein dasteht oder wenn er bereits vorher psychisch erkrankt war." Leider sei das Krankenhauspersonal in der Regel dafür nicht ausgebildet.
Das Trauma intensiviert sich durch Hilflosigkeit
Maier kritisiert auf der anderen Seite Mängel im Gesundheitssystem und im Versicherungswesen: Die Krankenhausaufenthalte seien zu kurz, um psychische Unfallfolgen zu erkennen. Außerdem sei es schwierig bei psychischen Folgeerkrankungen einen Therapieplatz inklusive Kostenübernahme zu bekommen. "Unfallopfer fühlen sich in dieser Situation ausgeliefert und ungerecht behandelt", sagt Maier. "Sie leiden körperlich und seelisch, erhalten aber keine Unterstützung. Insbesondere das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins begünstigt psychische Beschwerden oder es ist sogar der Auslöser dafür."
"Der seelische Schaden kann gravierend sein"
Davor warnt auch Stefanie Jeske. Sie ist Gründerin und Vorsitzende des Vereins Subvenio in Düsseldorf, der sich der Unfallopferhilfe verschrieben hat. "Der seelische Schaden nach einem Verkehrsunfall kann gravierend sein oder es durch mangelnde Hilfe von außen werden."
Sechs Monate Wartezeit beim Psychologen sind für Kassenpatienten üblich. Dazu komme nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall meist die Auseinandersetzung mit der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung um die Kostenübernahme. "Dazu muss der Patient medizinische Nachweise für die Notwendigkeit erbringen. Nur ist mir leider bisher noch kein Krankenhausbericht unterkommen, der auch die psychologische Seite berücksichtigt", stellt Jeske fest.
Seelische Leiden offen ansprechen
Dieses Nachspiel nach einem Verkehrsunfall kostet Zeit und Nerven. Beides haben Unfallopfer aber nicht, wenn sich eine posttraumatische Belastungsstörung oder Depression anbahnt. "Wer bei sich selbst nach einem Unfall Alpträume, wiederkehrende Angstzustände und andere Symptome feststellt, muss das ernst nehmen und rechtzeitig reagieren, statt vor den Problemen die Augen zu verschließen", so Jeske. "Leider sind psychische Erkrankungen für viele noch ein Tabuthema", bedauert sie.
Der Erfolg einer Therapie hängt davon ab, wie schnell die Erkrankung erkannt und die Behandlung begonnen wird. Für die Kfz-Versicherer bedeutet das laut Jeske: "Sie müssten sich viel mehr auf die Früherkennung und unverzügliche Behandlung psychischer Unfallfolgen einstellen, so wie die gesetzliche Unfallversicherung im beruflichen Bereich." DGPPN-Präsident Maier sieht das genauso.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.