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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona ein Laborunfall? Virologe Kekulé: "Ich sehe darin keinen Skandal"

In dieser Woche sorgte eine Meldung für Aufregung. War die Corona-Pandemie ein Laborunfall? Das sagt der Virologe Alexander Kekulé dazu.
Eine Recherche der "Süddeutschen Zeitung" und der "Zeit" brachte in dieser Woche Erstaunliches zutage: Der Bundesnachrichtendienst (BND) ging bereits 2020 davon aus, dass das Coronavirus auf einen Laborunfall in einem Hochsicherheitslabor in Wuhan zurückzuführen war. Offenbar gingen diese Informationen auch an die damalige Regierung unter Kanzlerin Merkel. Sie wurden aber nicht öffentlich gemacht. Mehr dazu lesen Sie hier.
Wie schätzt der Virologe Alexander Kekulé diese Geschehnisse ein? t-online hat bei ihm nachgefragt.
t-online: Herr Kekulé, was spricht aus Ihrer Sicht für einen Laborunfall?
Alexander Kekulé: Ein Laborunfall stand von Anfang an als mögliche Ursache der Pandemie im Raum, weil mit sehr ähnlichen Viren genau dort in Wuhan geforscht wurde. Auch die Leiterin des verdächtigten Coronavirus-Labors, Shi Zheng-Li, hatte selbst berichtet, dass sie zuerst an einen Laborunfall dachte, als sie von dem Ausbruch erfuhr.
Das wurde aber nie objektiv untersucht?
Das wurde von zwei Seiten lange verhindert. Erstens gaben die chinesischen Behörden keine Daten heraus und machten mehrfach unwahre Angaben zu den Untersuchungen auf dem Wildtiermarkt Huanan.
Zweitens verurteilte eine Gruppe von Wissenschaftlern gleich ganz zu Anfang in einem dogmatischen Aufruf die Laborthese als "Verschwörungstheorie". Auch Christian Drosten gehörte zu den Autoren dieses Artikels in der Fachzeitschrift "The Lancet". Der seriösen Ursachenforschung hat man damit einen Bärendienst erwiesen. Es war von Anfang an klar, dass das Pandemievirus SARS-CoV-2 wahrscheinlich nicht direkt von einer Fledermaus übergesprungen ist, sondern sich vorher in einem anderen Säugetier an den Menschen angepasst haben muss.

Zur Person
Prof. Dr. Alexander Kekulé ist Facharzt für Virologie, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie und war Berater der Bundesregierung für Seuchenbekämpfung. Als Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle ist er zum 30. September 2024 in den regulären Ruhestand gegangen. In der Pandemie wurde er durch seine Talkshow-Auftritte und seinen Podcast beim MDR bekannt.
Es gab also einen Zwischenwirt?
Ja, als möglicher Zwischenwirt kam ein Marderhund infrage. Marderhunde werden zur Pelzproduktion gehalten, es gab sie aber auch in dem inkriminierten Labor als Coronavirus-Versuchstiere. Damit waren beide Theorien zum Pandemie-Ursprung gleichermaßen plausibel. Das Pendel schlug dann auf die Seite der Laborthese, als im September 2021 ein Entwurf für ein Forschungsprojekt ans Licht kam, mit dem Coronaviren von Fledermäusen genetisch so verändert werden sollten, dass sie für Menschen gefährlich werden.
Wie das?
Dafür sollte ein für diese Viren ungewöhnliches Element eingebaut werden, eine sogenannte Furin-Schnittstelle. Das Projekt stammte von einer US-Firma, der EcoHealth Alliance in New York City, die die Experimente gemeinsam mit dem Labor von Shi Zheng-Li in Wuhan geplant hatte. Genau diese Furin-Schnittstelle hatte man in SARS-CoV-2 gefunden, was bis dahin als überraschende Schöpfung der Natur angesehen wurde. Damit war die Laborthese überwiegend, also zu mehr als 50 Prozent, wahrscheinlich. Bei Gericht reicht das für eine Anklage, aber noch nicht für eine Verurteilung.
Es gibt noch mehr Auffälligkeiten.
Pikanterweise ist der Chef der EcoHealth Alliance, Peter Daszak, auch einer der Co-Autoren des unsäglichen "Lancet"-Artikels, mit dem kritische Wissenschaftler von vorneherein als Verschwörer gebrandmarkt wurden.
Halten Sie es für denkbar, dass die Regierung die Informationen "vertuscht" hat und wenn ja, welche Gründe könnte es dafür geben?
Ich sehe in dem von der "Zeit" und der "Süddeutschen Zeitung" aufgedeckten Vorgang keinen Skandal, wie es jetzt von vielen dargestellt wird. Wissenschaftlich sind seit Jahren keine neuen Fakten dazugekommen, auch der BND hat offenbar nichts Neues gefunden. Dass Behörden und Politiker die wenigen, gut belegten Tatsachen unterschiedlich interpretieren, war ja von Anfang an so.
Was genau meinen Sie damit?
In den USA haben sich das FBI und das Energy Department vorsichtig für die Laborthese ausgesprochen, die CIA wollte sich nicht festlegen. Auch seriöse Wissenschaftler waren mit einer Verurteilung Chinas vorsichtig, weil es nur eine überwiegende, aber keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Abstammung des Virus aus einem Labor gibt. Nun ist, laut Recherche, offenbar der BND schon im Jahr 2020 vorgeprescht und hat die Wahrscheinlichkeit auf "80 bis 95 Prozent" taxiert.
Ganz ehrlich: Da hätte ich als Kanzleramtschef auch gesagt, die sollen das erst einmal überprüfen und vorläufig für sich behalten. Dass in den USA jede Behörde etwas anderes behauptete und der damalige Präsident Trump sich nach Belieben rausgepickt hat, was seine fatale Corona-Politik rechtfertigen konnte, war kein gutes Vorbild.
Was wären Ihre Empfehlungen gewesen?
Wenn es einen Skandal gibt, dann ist das doch die dilettantische Arbeit des BND: Warum hat er nicht von Anfang an Experten wie Christian Drosten oder mich eingebunden? Wenn der BND wirklich so supergeheime Spezialinformationen im Safe hatte, was ich fast ausschließen möchte, dann wäre es sogar ein Verbrechen, diese der Weltgesundheitsorganisation und der an Corona verzweifelten Weltgemeinschaft nicht mitzuteilen. Da muss der BND seinen Schlapphut mal beiseitelegen.
Dumm gefragt: Hat da ein Praktikant bei diesem möglichen Laborunfall seine Schutzkleidung nicht richtig an- oder abgelegt?
Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Freisetzung absichtlich erfolgte, wie einige meinen. Es ist aber schon lange bekannt, dass China seine Bio-Labore nicht gut kontrolliert und es hat dort auch bereits mehrere versehentliche Virusausbrüche aus Laboren gegeben. Die Versuche mit Coronaviren wurden zum Teil unter der Schutzstufe 2 gemacht, obwohl mindestens Schutzstufe 3 erforderlich wäre.
Wie passiert denn dann so ein Unfall?
Das typische Unfallszenario ist ein Mitarbeiter, der sich im Labor ansteckt, zum Beispiel beim Umgang mit einem Versuchstier, und dann nach Feierabend das Virus in die Welt trägt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Corona-Pandemie auf diese Weise ausgelöst wurde.
Herr Kekulé, wir danken Ihnen für das Gespräch.
- Interview mit Alexander Kekulé
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.