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Alzheimer: Demenz-Erkrankter über neues Medikament


Umgang mit Frühdemenz
"Ich dachte nur: Jetzt schon?"

  • Lynn Zimmermann
InterviewVon Lynn Zimmermann

18.04.2025 - 14:28 UhrLesedauer: 4 Min.
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Der 52-jährige Journalist Jo Failer erhielt voriges Jahr die Diagnose Frühdemenz: Jetzt will er über das Thema aufklären. (Quelle: Jo Failer)
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Die Zahl der Menschen mit Demenz nimmt weiter zu – und das nicht erst im hohen Alter. Ein neuer Wirkstoff soll hier helfen. t-online spricht mit einem Betroffenen.

Die Europäische Kommission hat erstmals eine Alzheimer-Therapie zugelassen, die bei einer der möglichen Ursachen der Erkrankung ansetzt. Allerdings ist es nur für Betroffene in einem frühen Stadium der Erkrankung geeignet (mehr dazu lesen Sie hier).

Jo Failer ist 52 Jahre alt und leidet an Frühdemenz. Vor einem Jahr erhielt der Journalist die Diagnose. t-online sprach mit ihm darüber, was das neue Medikament für ihn bedeutet und wie er mit seiner Frühdemenz umgeht.

Jo Failer
(Quelle: Jo Failer)

Zur Person

Jo Failer (52) ist Journalist und Künstlervermittler mit zwei Kindern (4 und 6). 2024 erhielt er die Diagnose Frühdemenz / Alzheimer. Als Betroffener und als Sohn einer Alzheimer-Patientin will er mit Vorträgen und seinem Instagram-Account das Thema Demenz enttabuisieren.

t-online: Ihre Mutter erkrankte mit 59 Jahren an Demenz, Sie bekamen im vergangenen Jahr die Diagnose. Was war Ihre erste Reaktion?

Jo Failer: Ich dachte nur: Jetzt schon? Durch die Erkrankung meiner Mutter wusste ich, dass ich wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko habe. Aber so früh habe ich nicht damit gerechnet. Und dann kam natürlich die Angst. Das Schlimmste ist zu wissen, dass ich meine Kinder irgendwann nicht mehr erkenne. Diese Erfahrung habe ich mit meiner Mutter gemacht. Zu wissen, dass meine Kinder das auch erleben werden, ist schlimm. Noch sind sie aber zu jung, um das richtig zu verstehen.

Hoffen Sie nun auf das neu zugelassene Alzheimer-Medikament?

Die große Hoffnung ist das für mich nicht. Durch meine Ärzte wusste ich schon von dem Wirkstoff – und den Einschränkungen und Nebenwirkungen. Das Prozedere ist sehr anstrengend.

Was heißt das konkret?

Das Medikament kann unter anderem Hirnschwellungen auslösen. Ich müsste daher regelmäßige MRTs machen lassen. Es kann zudem nur über eine Infusion in einer Klinik verabreicht werden. Dafür müsste ich dann alle zwei Wochen dorthin. Das ist nichts für mich. Bei mir ist auch gar nicht sicher, ob ich das Medikament überhaupt nehmen kann. Bestimmte Gene machen einen anfällig für Nebenwirkungen. Das muss bei mir noch getestet werden. Zudem gibt es eine lange Warteliste. Obwohl ich mit meinen 52 Jahren eine hohe Priorität habe, käme ich wahrscheinlich frühestens nächstes Jahr dran.

Gibt es für Sie denn eine andere Therapie?

Richtig ursächlich bekämpfen kann man die Krankheit ja noch nicht. Aber ich bekomme derzeit ein sogenanntes Antidementivum. Das soll das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit unterstützen, indem es in bestimmte Stoffwechselvorgänge im Gehirn eingreift. Allerdings habe ich davon bisher keine Effekte bemerkt. Ansonsten gehe ich zu Demenzgruppen. Es hilft, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und verstanden zu werden.

Haben Sie denn das Gefühl, woanders nicht verstanden zu werden?

Bei Ärzten und Pflegepersonal ist das Verständnis und der Umgang schon sehr gut. Aber im privaten Umfeld und in der Arbeitswelt gibt es noch Nachholbedarf. Da fehlt einfach das Wissen, was sich hinter der Krankheit verbirgt. Das ist natürlich nicht deren Schuld, da müsste die Politik mehr aufklären. Aber Sätze wie "rückwärts zählen kann ich auch nicht mehr" oder "das merkst du ja dann erst in 20 Jahren" regen einen schon auf. In 20 Jahren werde ich nicht mehr leben, wahrscheinlich schon in 10 Jahren nicht mehr. Alzheimer-Erkrankte sind nicht einfach vergesslich oder dumm. Und sie verdienen weiterhin Respekt. Da braucht es noch mehr Verständnis.

Sie arbeiten also noch. Wie hat Ihr Arbeitgeber reagiert?

Das kommt bestimmt auf den Arbeitgeber an. Mein Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit, steht voll hinter mir. Das ist ein Segen für mich.

Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen, jetzt höre ich auf zu arbeiten?

Nein, ich will so lange wie möglich arbeiten. Dieser soziale Kontakt ist so wichtig für mich. Und mein Wissen ist noch da. Aber irgendwann werde ich aufhören müssen.

Und sind Sie dann finanziell abgesichert?

Nein. Ich bin finanziell nicht abgesichert. Deshalb muss ich so lange wie möglich in meine Rente einzahlen.

Woran haben Sie damals bemerkt, dass Sie Frühdemenz haben könnten?

Unterbewusst habe ich schon seit Längerem gemerkt, dass ich vergesslicher werde und länger brauche, um komplexe Themen zu verstehen. Zudem habe ich schlecht geschlafen. Aber der Auslöser, weshalb mich mein Arzt dann auf Alzheimer untersucht hat, war die Diagnose einer schweren Depression. Im vergangenen Januar bekam ich dann die Diagnose Frühdemenz. Mit 51 Jahren.

Was ist eine Frühdemenz?

Bei Demenz handelt es sich um Erkrankungen des Gehirns mit zunehmenden kognitiven Störungen, etwa Gedächtnisproblemen, Schwierigkeiten bei der Orientierung oder Sprach- und Verständnisstörungen. Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. Von einer Frühdemenz spricht man, wenn die ersten Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Man schätzt, dass nur etwa fünf Prozent aller Menschen mit Alzheimer jünger als 65 Jahre sind.

Wie leben Sie jetzt – nach dem ersten Schock – mit der Diagnose?

Zunächst einmal bin ich froh, endlich eine Diagnose zu haben. Das nimmt mir den Druck – sowohl im Privaten als auch bei der Arbeit – und erlaubt mir, wieder ich selbst zu sein. Ansonsten versuche ich, meinen Humor zu bewahren. An guten Tagen gelingt mir das sehr gut. Aber an schlechten Tagen ist der Alltag durch die Erkrankung einfach nur anstrengend. Und was es manchmal wirklich schwer macht: Durch die Alzheimer-Erkrankung meiner Mutter weiß ich, was noch auf mich zukommen kann.

Was genau meinen Sie damit?

Meine Mutter wurde zunehmend vergesslicher und verwirrter. Sie hat den Haushalt allein nicht mehr geschafft und ist immer mehr im Chaos versunken. Das wird mir wahrscheinlich auch passieren. Ich habe Angst, dass ich irgendwann Stück für Stück nicht mehr allein lebensfähig sein werde.

Haben Sie sich schon auf diese Zeit vorbereitet?

Ja. Als Erstes kam die Bürokratie dran, von Patientenverfügung bis Pflegekraft ist schon alles erledigt. Dann habe ich an meiner Einstellung gearbeitet und gelernt, mir keinen Stress mehr zu machen. Dinge, die man nicht ändern kann, muss man gehen lassen. Und jetzt ist es das Wichtigste, Zeit mit meinen Kindern zu verbringen und mit Dingen, die ich liebe.

Lieber Herr Failer, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jo Failer
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.

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