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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mückenatlas Deutschland Hier tummelt sich die gefährliche Asiatische Tigermücke
Die Asiatische Tigermücke breitet sich weiter in Deutschland aus. Ein Experte erklärt, wo sie besonders verbreitet ist und was sie potenziell gefährlich macht.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist die Asiatische Tigermücke?
- Warum kann sich die Mücke hier verbreiten?
- Was macht sie potenziell so gefährlich?
- Was begünstigt die Ausbreitung?
- Wie kann man gegen die Plage vorgehen?
- Warum ist die Region Oberrhein besonders betroffen?
- Wie erkenne ich eine Infektion, sollte die Mücke die gefährlichen Viren weitergegeben haben?
In Deutschland gibt es 52 Stechmückenarten. Die meisten sind für uns ungefährlich. Bei einigen Menschen können ihre Stiche jedoch – zum Teil sogar schwere – allergische Reaktionen auslösen. Als besonders besorgniserregend stufen Experten jedoch die Ausbreitung einer invasiven Art ein: der Asiatischen Tigermücke. Was Sie über das Insekt wissen sollten.
Was ist die Asiatische Tigermücke?
Es handelt sich um eine Mückenart, deren Eier 2007 zum ersten Mal in Deutschland entdeckt wurden. Beheimatet ist sie eigentlich in Südostasien, sie kam auf sehr ungewöhnlichen Wegen nach Deutschland.
Dr. Helge Kampen, Mückenexperte am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald, erklärt: "Weltweit verbreitet sich die Asiatische Tigermücke im Wesentlichen über den Gebrauchtreifenhandel. Dieser ist weltweit, und vor allem im Ursprungsgebiet der Mücke, ein großes Geschäft. Damit werden der Mücke ideale Bedingungen geboten: In den Reifen sammelt sich Wasser, das für die Reifung der Eier benötigt wird. Durch den Export werden die Eier verbreitet."
So wanderte die Mücke um den Globus. Die Einschleppung in Europa kam vermutlich aus den USA.
Warum kann sich die Mücke hier verbreiten?
"Die Bedingungen für ihr Überleben und ihre Ausbreitung hier sind ausreichend, aber nicht optimal. Besonders wohl fühlt sie sich eigentlich in tropischen Gebieten mit Hitze und Feuchtigkeit", so Kampen.
Das hat Deutschland nicht zu bieten. Dennoch: Durch die mit dem Klimawandel steigenden Temperaturen scheinen zumindest die Temperaturbedingungen für das Insekt in unseren Breiten besser zu werden.
Helge Kampen ist Medizinischer Entomologe (Insektenforscher) und Laborleiter am Institut für Infektionsmedizin am Friedrich-Loeffler-Institut
Was macht sie potenziell so gefährlich?
Die Mücke gilt als besonders aggressiv und sticht auch tagsüber, das unterscheidet sie von den heimischen bekannten Arten, die eher in der Dämmerung stechen. Dazu kommt: Die Asiatische Tigermücke kann zahlreiche gefährliche Krankheitserreger übertragen, zum Beispiel Dengue- und Chikungunya-Fieber und Zika-Viren. Dazu muss das Insekt sich mit diesen Viren allerdings erst selbst infizieren, es trägt sie nicht per se in sich.
Kampen: "Nach Deutschland reisen jährlich etwa 1.000 mit dem Dengue-Fieber infizierte Menschen ein und etwa 100 mit dem Chikungunya-Virus Infizierte. Die Gefahr ist, dass die hier angesiedelten Insekten dieses Virus aufnehmen und weitertragen."
In Deutschland kam es noch zu keinem nachgewiesenen Fall der Übertragung von Krankheitserregern durch die Tigermücke, aber in Südeuropa kam es bereits zu einigen Ausbrüchen. Kampen: "2012 wurden 200 mit dem Chikungunya-Fieber-Virus Infizierte in Norditalien verzeichnet, auf Madeira waren es 2015 etwa 2.000 Dengue-Fälle."
Was begünstigt die Ausbreitung?
Die Insekten bevorzugen für ihre Eiablage kleine künstliche Wassergefäße im Siedlungsbereich, so Kampen. Das können Gießkannen sein, Pflanzenuntersetzer oder auch Sandkastenförmchen, in die es hineinregnete. Daher sind auch Kleingartenanlagen besonders gut für die eine Ansiedlung geeignet. Bekannt wurden diesbezüglich in den vergangenen Jahren unter anderem Fälle aus Heidelberg, Freiburg, Jena und Berlin.
Wie kann man gegen die Plage vorgehen?
In den von großen Ausbrüchen betroffenen Gebieten wurden die Brutstätten gesucht, eliminiert oder Bio-Insektizide zum Abtöten der Larven eingesetzt, so Kampen. Sein Institut und das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg sammeln auf der Internetseite "mueckenatlas.com" Einsendungen von Bundesbürgern, die auffällige Mücken entdecken und werten sie aus.
Auf dieser Grundlage entsteht eine Karte mit den Regionen, in denen das Insekt am häufigsten nachgewiesen wurde, und die lokalen Behörden werden daraufhin kontaktiert. "Selbst handeln können wir nicht", so Kampen. "Das liegt in der Verantwortung der Landesbehörden."
Warum ist die Region Oberrhein besonders betroffen?
Zum einen handelt es sich um die wärmste Region in Deutschland – die Bedingungen für die Vermehrung sind also besser als woanders. Doch Kampen berichtet auch von einer überraschenden Erkenntnis in der Wissenschaft. Da die Mücke aus Südeuropa eingeschleppt wird, spielt eine Autobahn eine besondere Rolle: die A5. Sie reicht hinunter bis an die schweizerische Grenze und gilt als Transitstrecke für Reisende etwa nach – oder noch wichtiger – aus Italien.
Kampen: "Die Asiatische Tigermücke kommt zu uns weitgehend auf dem Übertragungsweg Kraftfahrzeug. Das heißt: Eine Familie macht Urlaub in Italien, steigt dann für den Rückweg ins Auto und nimmt die Mücke mit. Vermutet wird, dass in der Schweiz eher nicht gerastet wird, weil es dort zu teuer ist. Bei der ersten Rast hinter der Grenze steigt die Familie aus – und auch die Mücke."
Wie erkenne ich eine Infektion, sollte die Mücke die gefährlichen Viren weitergegeben haben?
Die ersten Anzeichen sind in der Regel Unwohlsein und Fieber, so Kampen. Doch da es bislang keinen nachgewiesenen Fall der Erreger-Übertragung in Deutschland gab, schließen Ärzte da sicher erst einmal nicht unbedingt auf den Stich einer Mücke. Dennoch empfiehlt es sich für die Ärzte, hier wachsam zu sein.
Übrigens: Ähnlich wie bei Corona kann auch hier eine Virusinfektion asymptomatisch sein. Die Mücke kann den Erreger allerdings bis zum Ende ihres Lebens weitergeben. Die gute Nachricht: Die Asiatische Tigermücke lebt nur etwa vier bis sechs Wochen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview mit Helge Kampen
- Eigene Recherche