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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weltweiter Hefepilz-Ausbruch Diese Keime lauern in unseren Krankenhäusern
Jüngst sorgte der weltweite Ausbruch eines Hefepilzes für Aufsehen. Doch das ist nicht die einzige Bedrohung, die in unseren Krankenhäusern schlummert.
Eine ungewöhnliche Alarmbotschaft lässt derzeit die Gesundheitsbehörden weltweit aufhorchen: Zunächst warnte die WHO im Oktober vor dem neuartigen Hefepilz Candida auris, dann zeigten sich Ende März auch die US-Gesundheitsbehörden alarmiert angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der sich der Erreger ausbreitet. Hauptübertragungsort für die Pilzinfektion sind Krankenhäuser. Mehr dazu lesen Sie hier.
In Deutschland sind bislang nur sehr wenige Fälle bekannt. Doch die Dunkelziffer dürfte höher sein, da die Infektion nicht meldepflichtig ist. Kann der Pilz uns gefährlich werden? Im Interview mit t-online erklärt der Infektiologe und Krankenhaushygieniker, Peter Walger, wie hoch das Risiko bei Candida auris ist und welche anderen Keime uns in deutschen Kliniken bedrohen.
Herr Walger, beunruhigt Sie der derzeitige weltweite Hefepilz-Ausbruch?
Peter Walger: Nein, nicht besonders. Weltweit und insbesondere auch in Deutschland sind bislang nur sehr wenige Fälle aufgetreten. Ich bewerte die Berichte über diesen neuen Vertreter aus der Gruppe der Sprosspilze als Frühwarnung. Achtung, wenn er auftaucht, muss man auf ihn achten, er hat unangenehme Eigenschaften, man sollte sie kennen.
Welche sind das? Sind die Infektionen besonders gefährlich oder bereitet der Pilz Probleme für die Krankenhaushygiene? Dort finden doch wohl die Ansteckungen statt …
Ja, beide Aspekte spielen eine Rolle. Im Gegensatz zu den bekannten Candida-Sprosspilzen kann es vermehrt zu Übertragungen von einem auf den anderen Patienten kommen. Deshalb hören wir zurzeit auch von einigen Ausbrüchen. Und bei einer Infektion muss man mit Resistenzen rechnen. Es ist also sicher richtig und wichtig, eine gewisse Aufmerksamkeit zu schaffen, bevor man es das erste Mal mit einem solchen Pilz zu tun bekommt.
Wie meinen Sie das?
Weltweit ist es während der Corona-Pandemie, insbesondere in den Corona-Isolationsstationen, vermehrt zu Ausbrüchen mit multiresistenten Keimen gekommen. Oft hat man mehr auf den Atemschutz geachtet und die Basisschutzmaßnahmen wie Händedesinfektion oder den Wechsel der Schutzkleidung zwischen zwei Patienten vernachlässigt.
In Italien gab es jüngst einen großen Ausbruch mit diesem neuen Pilz, der möglicherweise hier seine Ursachen hatte. Italien ist aber auch schon vor der Corona-Pandemie für eine eher unterdurchschnittlich gute Krankenhaushygiene bekannt gewesen. Ohne eine optimale Krankenhaushygiene sind Probleme mit derartigen Erregern nicht zu meistern.
Dr. Peter Walger ist Facharzt für Innere Medizin, Intensivmedizin und Infektiologie. Außerdem gehört er dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) an.
Was macht denn Krankenhäuser eigentlich so anfällig für solche Problemkeime? Warum ist das Risiko einer Infektion – egal, ob jetzt mit einem Pilz oder einem anderen Erreger – hier besonders hoch?
In ihnen kommen sehr viele verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen zusammen. Viele von ihnen haben besondere Risiken für das Eindringen oder die Verbreitung von Infektionserregern, seien es Operationswunden, Verletzungen, Gefäß- oder Harnkatheter, Beatmungsschläuche oder ein geschwächtes Immunsystem, was sie besonders anfällig für Infektionen macht. Da ist eine besondere und professionelle Hygiene gefragt, um die Übertragung von Erregern zu verhindern.
Besonders kritisch sind in den Krankenhäusern die multiresistenten Keime. Nach Schätzungen sterben in Deutschland jedes Jahr etwa 2.400 Menschen infolge einer Infektion mit einem solchen Erreger. Der bekannteste ist sicherlich MRSA. Was macht ihn so tückisch?
Infektionen mit Staphylococcus aureus gehören zu den häufigsten und im Falle schwerer Verläufe auch zu den gefährlichsten Infektionen. Wenn dann durch eine Resistenz wichtige Standard-Antibiotika ausfallen, wird die Behandlung schwieriger und das Risiko für den Patienten deutlich größer.
Für gesunde Menschen stellt er kein großes Problem dar, oder?
In der Regel nicht. Er besiedelt Haut- und Schleimhäute und wird dann zum Problem, wenn er etwa durch offene Wunden – zum Beispiel nach Operationen – in die Blutbahn gelangt. Dann kann er zu schweren Infektionen führen, die aufgrund der Antibiotika-Resistenz des Keims nicht mehr nach Standard zu behandeln sind.
Welche Therapie gibt es dann noch?
Zum Einsatz kommen hier sogenannte Reserveantibiotika, das sind Medikamente, die nicht routinemäßig, sondern nur in diesen schweren Fällen verordnet werden. Sie dürfen nur unter sehr strengen Vorgaben zum Einsatz kommen, um zu verhindern, dass sich auch gegen sie Resistenzen bilden.
Kommen neben dem MRSA auch andere multiresistente Keime häufiger vor?
Es gibt immer wieder einzelne Infektionen, aber auch Ausbrüche, die hoffentlich früh genug erkannt werden. In anderen Ländern, insbesondere in Süd-Ost-Europa, etwa in Griechenland, Italien oder Rumänien und den anderen Balkanländern stellen diese Keime ein weitaus größeres Problem dar.
Aber Touristen aus diesen Ländern könnten derartige Keime ja mitbringen …
Richtig, was auch immer wieder vorkommt. Die Krankenhäuser befragen bei der Aufnahme Patienten nach ihrer Vorgeschichte, insbesondere wenn sie aus diesen Risikoländern kommen und dort Kontakt zum Medizinsystem hatten. Besteht ein Verdacht auf eine Infektion oder eine Besiedlung, müssen entsprechende Isolierungsmaßnahmen getroffen werden.
Und dann werden die Personen getestet?
Richtig, wir nennen das Aufnahme-Screening. Je nach Vorgeschichte wird dabei nicht nur auf MRSA untersucht. So soll verhindert werden, dass ein Risiko-Keim innerhalb des Krankenhauses weitergetragen wird. Personen, die MRSA- oder sonstige Problemkeim-Träger sind, unterliegen besonderen hygienischen Regeln. Übrigens müssen das nicht unbedingt Touristen sein, auch etwa Nutztierhalter haben ein erhöhtes Risiko. Denn durch den Kontakt zu den Tieren kommen sie mit diesen Bakterien in Kontakt.
Nun gelten MRSA-Keime als besonders tückisch, mit welchen anderen Erregern haben Sie es sonst noch in den Krankenhäusern zu tun?
Die meisten sind Darmbakterien, sie gehören zur normalen menschlichen Darmflora. Der E. coli dürfte vielen ein Begriff sein. Auch sie können Resistenzen entwickeln und sind dann besonders kritisch.
Darmbakterien?
Ja, aber wenn sie dorthin gelangen, wo sie nichts zu suchen haben, kann es zu Infektionen führen, etwa zu Entzündungen der Harnwege, aber auch zu Lungen- oder Wundinfektionen. Das ist das eigentliche Problem vieler Krankenhauskeime.
Sie kommen natürlich im Menschen vor, Darmkeime im Darm oder Hautkeime auf der Haut, und werden dann zum Problem, wenn sie ihren Standort wechseln – etwa wenn Darmbakterien in die Blutbahn oder in die Atemwege oder Hautkeime in die Operationswunden gelangen. Wir sprechen dann medizinisch von einem endogenen Infektionsrisiko, der Patient wird krank an seinen eigenen Keimen.
Weil er nicht dort auftaucht, wo er hingehört. Gibt es noch weitere Problemkeime?
Ja, die gibt es und sie sind hygienisch oft eine besondere Herausforderung. Keime wie Pseudomonas aeruginosa oder Acinetobacter gehören nicht primär zur menschlichen Flora, bei ihnen muss immer nach der Quelle gesucht werden. Die Hygiene spielt hierbei eine herausragende Rolle. Bei ihnen handelt es sich um klassische Krankenhauskeime im eigentlichen Sinne.
Und zu diesen Bakterien kommen dann noch etwa Pilzsporen oder Viren?
Richtig und für jede dieser verschiedenen Infektionen gelten eigene Hygieneregeln, bis hin zu bestimmten Desinfektionsmitteln, mit denen die Patientenzimmer gereinigt werden müssen. Hygienefehler können ernste Folgen haben. Oft stehen solche Fehler am Anfang eines Ausbruchsgeschehens, wie wir immer wieder erfahren, wenn Ergebnisse von Ausbruchsuntersuchungen veröffentlicht werden.
Haben Sie es denn auch mal mit Keimen zu tun, die Sie gar nicht kennen?
Das kommt immer mal wieder vor, aber durch neuere verfeinerte Methoden lässt sich meist doch erkennen, mit wem diese Keime verwandt sind. Und dann braucht es erste Bewertungen und auch Warnungen aus Erfahrungen, wie im Fall des Candida auris, die uns weiterhelfen.
Wie sicher sind unsere Krankenhäuser in Bezug auf die Hygiene? Wie ist Ihre Einschätzung?
Wir haben in Deutschland sehr hohe Standards. Dass es in Krankenhäusern zu Übertragungen von Erregern kommt, werden sie nie ganz verhindern können. Aber allgemein sind wir gut aufgestellt.
Allerdings muss man sagen: Der ökonomische Druck und die Sparmaßnahmen in vielen Kliniken sind ein großes Problem. Die Arbeitsüberlastung führt zu gravierenden Hygienedefiziten. Denn: Wir brauchen gut geschultes Personal, um die Hygieneregeln einhalten und überwachen zu können – das fängt beim Reinigungspersonal an und ist am gravierendsten beim Pflegepersonal.
Herr Walger, wir danken Ihnen für das Gespräch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview mit Peter Walger