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Impfprämie – Ökonom rechnet mit Linken-Vorschlag ab: "Äußerst fragwürdig"


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Milliarden-Forderung der Linken
"Bonus für Booster-Impfungen ist falsch"


17.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Menschenansammlung vor Impfzentrum in München (Symbolbild): Der Linken-Politiker Christian Görke forderte einen Impfbonus von 500 Euro – auch rückwirkend.Vergrößern des Bildes
Menschenansammlung vor Impfzentrum in München (Symbolbild): Der Linken-Politiker Christian Görke forderte einen Impfbonus von 500 Euro – auch rückwirkend. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Mit der Forderung nach einer Impfprämie hat der Linken-Politiker Görke eine Debatte losgetreten. t-online hat sich umgehört, was Wirtschaftsexperten und Handel von dem Vorstoß halten.

Es gibt kein Problem, das man nicht mit Geld lösen kann – an diese Maxime erinnert der neue Vorschlag des Finanzpolitikers Christian Görke (Linke), der frisch in den Bundestag eingezogen ist. Görke will mit seinem Impfbonus sowohl den Bürgern als auch der Wirtschaft helfen. In Deutschland gibt es im internationalen Vergleich deutlich mehr ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger.

Zeitgleich nimmt zum Winter die Schutzwirkung bei vielen, die sich früh impfen ließen, ab. Ein plötzlicher Geldsegen soll die Motivation ankurbeln: 300 Euro sollen die Impfwilligen für die erste vollständige Impfung, also Erst- und Zweitimpfung, erhalten, weitere 200 Euro für die Auffrischung, den "Booster-Shot". Das erklärte er exklusiv bei t-online.

Von den politischen Parteien wurde der Vorstoß unterschiedlich aufgenommen (t-online berichtete). Doch auch Wirtschaftsexperten sind sich uneins. t-online hat sich bei Ökonomen und Handelsvertretern umgehört.

Ökonom: Bonus kann Solidarität zerstören

Verhaltensökonom Dominik Enste vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) steht dem Vorstoß skeptisch gegenüber: "Ich halte nichts von einem Impfbonus. Er kann sogar die gesellschaftliche Solidarität zerstören." Bislang hätten sich die Menschen zum Selbst- und Fremdschutz impfen lassen. Dieser Akt der Solidarität würde von einer Geldzahlung ausgehebelt.

Und dabei sei die Wirkung äußerst fragwürdig. "Laborexperimente zeigen bereits, dass die Geldbeträge von einigen Hundert Euro kaum Einfluss auf die Impfbereitschaft haben. Selbst mit deutlich höheren Beträgen sind nur minimale Verbesserungen zu erreichen", sagte Enste t-online. Stattdessen könnte der Vorschlag sogar nach hinten losgehen. "Impfgegner dürften sich durch einen solchen Vorstoß sogar noch zusätzlich bestätigt fühlen", befürchtet Enste.

Politiker Görke rechnet mit Kosten von rund 37,5 Milliarden Euro für seine Idee. Dieses Geld würde Ökonom Enste anders verwenden: "Das Geld sollte lieber sinnvoll ausgegeben werden: für Pflegekräfte und Ärzte oder auch zur Kompensation von Einnahmeausfällen in der Veranstaltungswirtschaft und der Gastronomie."

Ökonom Fratzscher: Geldsumme noch erhöhen

Ganz anders sieht es hingegen Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er hält einen Impfbonus für Ungeimpfte für eine sinnvollen Motivation. "Die Summe sollte sogar höher als die genannten 300 Euro sein, um starke Anreize zu setzen. Wir wissen aus Lotterien in den USA und anderswo, dass finanzielle Anreize wirken, um Menschen zum Impfen zu bewegen", sagte er t-online. Es gehe darum, möglichst viele Menschen zum Impfen zu bringen.

Bei der Booster-Impfung sei das Problem ein anderes, daher brauche es hier keine Geldzahlungen. "Einen Bonus für Booster-Impfungen halte ich hingegen für falsch", so Fratzscher. Das Problem bei den Booster-Impfungen liege hier bei den fehlenden Angeboten, nicht beim mangelnden Willen der Menschen. "Die Politik hat im Sommer die Fehler der Vergangenheit wiederholt und die absehbar notwendigen Maßnahmen nicht rechtzeitig vorbereitet und ergriffen", kritisiert er.

Mit relevanten Auswirkungen auf die Wirtschaft rechnet Fratzscher bei dem Vorstoß hingegen nicht: "Ich erwarte weder einen Konjunkturimpuls noch eine höhere Inflation durch einen solchen Impfbonus, da in diesen Zeiten der Unsicherheit die meisten Menschen dieses Geld auf die hohe Kante legen werden."

Ökonom Dullien: Inflation könnte angeheizt werden

Ein Impfbonus könnte durchaus kurzfristige wirtschaftliche Auswirkungen haben – und zwar negative, befürchtet Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

"Wenn die Deutschen tatsächlich den Bonus kurzfristig ausgeben würden, gäbe es in der Tat die Gefahr, dass die aktuelle Inflation noch einmal angeheizt wird", sagte er t-online.

Allzu groß schätzt er die Effekte allerdings nicht ein, denn in den vergangenen Monaten hätten die Deutschen überdurchschnittlich viel gespart. Noch sei es schwer, sorgenfrei einzukaufen oder in den Urlaub zu fahren. "Es ist derzeit nicht der Mangel an Kaufkraft, der die Konjunktur zurückhält. Deshalb käme aus meiner Sicht jetzt eine solche Kaufkraft-Stützung zum falschen Zeitpunkt", so Dullien.

Insgesamt zweifelt Dullien am Impfbonus. "Ich halte den Vorstoß nicht für zielführend." Das Projekt sei teuer und würde kaum wirkliche Impfgegner erreichen. "Die meisten der jetzt noch verbleibenden Nicht-Geimpften scheinen für diese Art der moderaten monetären Anreize nicht zugänglich zu sein", so der Ökonom.

HDE-Chef Genth: Es mangelt nicht an Geld

Der Handel dagegen begrüßt weitere Kampagnen zum Impfen. "Die Impfung ist der derzeit einzig bekannte Weg raus aus der Pandemie", sagte der Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, t-online. Zu einem Impfbonus selbst möchte sich Genth dagegen nicht explizit äußern. Der Verband selbst hatte im Sommer einen 200-Euro-Gutschein zur Unterstützung des stationären Handels gefordert.

Einen Schub für das Weihnachtsgeschäft, wie ihn Görke in seinem Vorschlag anführt, hält Genth dagegen nicht für realistisch. "Es mangelt nicht an Geld. Die Konten der Kundinnen und Kunden sind gut gefüllt, weil während des Lockdowns viele Dinge nicht stattgefunden haben und das Geld nicht ausgegeben wurde", so Genth. Zusätzliche Gelder bräuchten viele Menschen daher also gar nicht für die aktuellen Ausgaben über die Feiertage.

Hohe Inzidenzen seien eher eine Gefahr für den Handel. Der HDE verwehrt sich dennoch gegen verschärfte Maßnahmen wie etwa 2G oder 3G im Einzelhandel. Neue Einschränkungen würden viele Händler gefährden, so die Befürchtung. "Viele Unternehmen stehen nach den vergangenen Lockdowns ohnehin schon am Abgrund und brauchen jetzt ein starkes Weihnachtsgeschäft, um das Jahr zu retten", betont Genth.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Austausch mit Stefan Genth, HDE
  • Gespräch mit Dominik Enste, IW Köln
  • Schriftliche Statements von Marcel Fratzscher und Sebastian Dullien
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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