Wohlstand in Gefahr IW-Chef warnt vor Milliardenschaden durch unbesetzte Jobs
Wenn die Babyboomer in Rente gehen, könnten der deutschen Wirtschaft mehr als fünf Millionen Erwerbstätige fehlen. Ein Risiko für künftige Einkommen, mahnen Forscher – und fordern die Politik zum Handeln auf.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat angesichts tausender unbesetzter Stellen vor einem drohenden Wohlstandsverlust in Milliardenhöhe gewarnt. Nach Berechnungen seines Instituts würden angesichts des Ausscheidens der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt bis 2035 rund fünf Millionen Erwerbstätige wegfallen.
Letztlich drohe der Wirtschaft damit ein Gesamtschaden von 326 Milliarden Euro, sagte Hüther der "Bild". "Die Politik muss jetzt handeln. Den Unternehmen fehlen viele Erwerbstätige: Würden Kitas und Schulen weiter ausgebaut, könnten viele Eltern Vollzeit statt Teilzeit arbeiten. Auch Zuwanderer können helfen, die Fachkräftelücke etwas zu schließen."
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Im schlimmsten Fall 4.000 Euro weniger Einkommen im Jahr
In ihrer Studie entwickelten die IW-Forscher drei Szenarien. Bei einer Fortsetzung der aktuellen Trends werde das Arbeitsvolumen und somit auch das Wirtschaftswachstum ab dem Jahr 2025 deutlich gebremst. Bis 2035 steige das durchschnittliche Einkommen unter diesen Bedingungen nur um durchschnittlich ein Prozent pro Jahr. Für das Jahr 2035 ergebe sich somit ein zusätzliches Pro-Kopf-Einkommen von gut 1.600 Euro.
Gelingt es der Politik, den Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt zu bekämpfen, mehr Kapital zu mobilisieren und so einen stärkeren technischen Fortschritt umzusetzen, könne das reale Einkommen pro Kopf hingegen um bis zu 1,4 Prozent jährlich steigen. Im Jahr 2035 stünden den Menschen in Deutschland dann im Schnitt 3.000 Euro mehr zur Verfügung.
Doch auch eine entgegengesetzte Entwicklung sei möglich: Ein schlechteres Investitionsklima und innovationsfeindliche Weichenstellungen könnten zu "spürbaren Wohlstandsverlusten" führen, warnte das IW. Im Vergleich zum Basisszenario könnte das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2035 dann um 4.000 Euro niedriger liegen, errechneten die Forscher des arbeitgebernahen Instituts.
Ältere sollen länger arbeiten
Um dem demografischen Wandel zu begegnen, forderte das IW einen Ausbau der Kinderbetreuung und Investitionen ins Bildungssystem. Auch ältere Beschäftigte sollten durch Weiterbildungsmaßnahmen länger im Arbeitsmarkt gehalten werden. Die Forscher forderten außerdem bessere Bedingungen für private Investitionen und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur.
Von Fachkräftemangel berichteten in einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung Anfang Oktober auch 66 Prozent der Entscheidungsträger in Unternehmen. Die Personalknappheit fiel damit noch schlimmer aus als erwartet: Ende 2020 hatten lediglich 54 Prozent der Befragten mit einem Fachkräftemangel im Jahr 2021 gerechnet.
- Mitteilung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW)
- Nachrichtenagenturen Reuters und AFP