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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Strafzinsen auf Girokonto Jetzt bittet die Postbank ihre treuesten Kunden zur Kasse
Immer mehr Geldhäuser verlangen auch von ihren Bestandskunden Strafzinsen. Auch die Postbank geht nun diesen Schritt – Kunden und Verbraucherschützer sind wenig begeistert.
Zugegeben, ein Geheimnis macht die Postbank nicht aus ihrem Vorhaben, zumindest nicht gegenüber ihren Kunden. "Das Verwahrentgelt kommt" steht als Überschrift auf einem Schreiben des Kreditinstituts, das unlängst zahlreiche Sparer erhalten haben dürften. Gleich darunter: "Was sich nun für Sie ändert – und was Sie tun können."
Was sich ändert, ist kurz erzählt. Für Bestandskunden der Postbank wird ab dem 1. September 2021 ein sogenanntes Verwahrentgelt fällig, was nichts anderes heißt als: Strafzinsen, und zwar für Guthaben, die oberhalb einer Freigrenze von 50.000 Euro liegen.
So nonchalant die Bank betroffene Kunden informiert, so überraschend ist der Schritt. Denn noch Ende Mai gab die Postbank öffentlich bekannt, dass der Freibetrag auf Konten lediglich für Neukunden sinken wird – ab dem 21. Juni, von 100.000 Euro auf 50.000 Euro.
Postbank verschickt seit Anfang Juni Schreiben
Im gleichen Zuge jedoch setzt die Postbank auch den Freibetrag für Konten von Bestandskunden herunter, wie ein Sprecher der Deutschen Bank , zu der die Postbank gehört, t-online bestätigt. "Seit dem 1. Juni 2021 versenden wir ein entsprechendes Schreiben an Kunden, die Sichteinlagen in Höhe von mehr als 100.000 Euro haben", so der Sprecher.
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Die Deutsche Bank inklusive Postbank ist mit rund 19 Millionen Kunden Deutschlands größte private Filialbank. Lediglich die Sparkassen sowie die Volksbanken haben hierzulande mehr Kunden. Entsprechend groß dürften die Einlagen privater Sparer sein, die die Postbank verwaltet – und für die sie selbst inzwischen Geld bezahlen muss.
Denn: Parken Geschäftsbanken wie die Postbank überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB), müssen sie aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen. Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser weiter und berechnen Privatkunden Negativzinsen meist von 0,5 Prozent.
"Die Niedrigzinsen treffen alle"
In dem unpersonalisierten Brief der Postbank heißt es ebenfalls unverblümt: "Die Niedrigzinsen treffen alle – Sie als Sparer und uns als Bank. Wie andere Banken sehen wir uns leider gezwungen, auf die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank zu reagieren."
Und weiter: "Deshalb möchten wir mit Ihnen eine Vereinbarung über die Entrichtung eines Verwahrentgeltes treffen, damit wir die Geschäftsbeziehung fortführen können."
Die Postbank fordert ihre Kunden also auf, bis zu einem bestimmten Datum – in diesem Fall der 13. Juli 2021 – eine "Zusatzvereinbarung" zurückzusenden. "Ab 01.09.2021 erfolgt dann die Berechnung des Verwahrentgeltes", heißt es in dem Schreiben. "Sie sind uns wichtig. Gerne möchten wir Sie persönlich beraten und Ihnen Alternativen bieten, mit denen Sie das Verwahrentgelt einsparen können."
Postbank: "An erster Stelle steht das Gespräch mit unseren Kunden"
Im Klartext heißt das: Bankkunden müssen entweder die Strafzinsen in Kauf nehmen, auf ein anderes Produkt der Postbank umsteigen, etwa einen Fonds – oder ihnen wird gekündigt.
Der Postbank-Sprecher versucht, die Bedeutung des Schreibens herunterzuspielen. "Es handelt sich um ein Schreiben an die Kunden, mit dem wir eine individuelle Vereinbarung zu Anlagealternativen oder Verwahrentgelten treffen möchten. An erster Stelle steht das Gespräch mit unseren Kunden", sagte der Sprecher.
"Wir sehen unsere Aufgabe als Bank nicht in erster Linie darin, Negativzinsen an unsere Kunden weiterzureichen. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden Wege zu zeigen, auf denen sie trotz Negativzinsen ihr Geld noch rentierlich anlegen können."
Postbank-Kunden fühlen sich unter Druck gesetzt
Damit sind aber nicht alle Postbank-Kunden einverstanden. Eine Psychotherapeutin aus Berlin, die seit 1975 ein Konto bei der Postbank hat und Anfang Juni ein Schreiben des Geldhauses bekam, möchte nicht auf eine andere Anlageform umsteigen.
"Schon in der Vergangenheit wollte die Postbank mir Anlageprodukte andrehen. Doch die haben nichts Vernünftiges – es geht nur darum, dass sie Geld verdienen. Die Kunden spielen keine Rolle", so die Kundin, die ihren Namen nicht öffentlich lesen will.
Auch ein Konto bei einer anderen Bank möchte die Kundin nicht eröffnen. "Ich war schon immer bei der Postbank. Ein Wechsel zu einer anderen Bank kommt nicht infrage. Für mich als Selbstständige ist das einfach ein irrsinniger Verwaltungsaufwand." Und das, obwohl die Mitarbeiter in den Gesprächen einen gewissen Druck ausüben würden. "Ich fühle mich von der Postbank genötigt, ja erpresst."
Änderungen betreffen "eine größere Zahl von Bestandskunden"
Auch ein weiterer Kunde, der nach eigenen Angaben "seit Jahrzehnten" ein Konto bei der Postbank besitzt, berichtet t-online, er fühle sich unter Druck gesetzt. Der Vereinbarung habe er noch nicht zugestimmt.
"Ich gehe jedoch davon aus, dass die Postbank Kunden, die nicht zustimmen, das Konto kündigen wird", schrieb er. Der Sprecher der Postbank wollte sich zu der Kritik der Kunden nicht äußern.
Wie viele Kunden von den Änderungen betroffen sind, teilt die Bank nicht mit. Nur so viel: "Die Verwahrentgelt-Änderung betrifft eine größere Zahl von Bestandskunden der Postbank."
Rund 350 Banken verlangen Negativzinsen
Die Postbank ist dabei nicht die erste und einzige Bank, die Strafzinsen auf Girokonten erhebt. Im ersten Halbjahr hat sich die Anzahl dieser Institute fast verdoppelt, wie das Vergleichsportal Verivox jüngst herausfand. Demnach verlangen aktuell 349 Banken Negativzinsen, 171 mehr als noch zum Jahresende 2020.
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Beinahe täglich kämen weitere Geldhäuser hinzu, erklärte Verivox. Erst in dieser Woche hatte die drittgrößte deutsche Bank ING angekündigt, ab einem Freibetrag von 50.000 Euro einen Negativzins zu verlangen.
Die Negativzinsen treffen vor allem Neukunden. Will eine Bank von Bestandskunden ein Verwahrentgelt verlangen, muss sie das mit den Betroffenen individuell vereinbaren, wie im Fall der Postbank.
"Banken waren kreativ beim Kreieren neuer Entgelte"
Verbraucherschützer kritisieren derweil, dass "Banken und Sparkassen in den vergangenen Jahren besonders kreativ waren, wenn es um das Kreieren neuer Entgelte ging". Der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) hält Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten von Verbrauchern grundsätzlich für unzulässig, unabhängig davon, ob es sich um Neu- oder Bestandskunden handelt.
Der Vzbv hat daher Klagen bei mehreren Gerichten eingereicht. "Uns geht es nicht um einzelne Institute, sondern um eine grundsätzliche Klärung", so der Vzbv. Bis ein womöglich höchstrichterliches Urteil fällt, dauert es aber noch.
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Deutsche-Bank-Sprecher
- Schreiben der Postbank
- E-Mails der Postbank-Kunden, Gespräch mit Postbank-Kundin
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa