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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Entwickler von Investment-App Scholz-Neffen: "Unser Onkel scheut den Aktienmarkt"
Die Neffen von Finanzminister Olaf Scholz haben eine App entwickelt, die Verbraucher leicht zu Anlegern machen soll. Zur Politik, die auch ihr Onkel vertritt, haben sie eine klare Meinung.
Fragt man Fabian und Jakob Scholz, was ihre App Rubarb kann, kommen sie ins Schwärmen – und denken gleich an die ganz große Nummer. Mit der Smartphone-Anwendung wollen sie und ihr Partner Kelvin Craig die 85 Prozent der Deutschen ansprechen, die wenig bis keine Ahnung vom Aktienmarkt haben. Und die er auch nicht interessiert.
Rubarb ist eine sogenannte Microinvestment-Plattform. Die Idee dahinter: Beim Einkaufen rundet die App krumme Beträge an der Kasse auf den nächsten Euro. Diese Summe, in der Regel ein paar Cent, investiert Rubarb dann automatisch in breit gestreute Indexfonds, sogenannte ETFs. Kunden haben dabei die Wahl zwischen drei Portfolios.
ETFs bilden per Computersteuerung einen ganzen Aktienindex nach. Die Nutzer der App investieren also in einen ganzen Strauß an Aktien. Der Vorteil von ETFs: Sie sind vergleichsweise günstig, das Verlustrisiko relativ gering. Mehr dazu lesen Sie hier.
"Wir wollen jeden Deutschen zum Investor machen"
"Unsere App soll es möglich machen, schon mit kleinen Beträgen zu investieren", sagt Fabian Scholz, Chef des Start-ups. "Mit Rubarb wollen wir jeden in Deutschland zum Investor machen", ergänzt sein jüngerer Bruder Jakob, der die Idee dazu hatte.
Das Ziel ist durchaus ambitioniert. Denn: Bislang sind laut Deutschem Aktieninstitut gerade einmal 12,4 Millionen Menschen am Aktienmarkt investiert, also etwa jeder sechste Deutsche.
Zwar ist der Bevölkerungsanteil, die sogenannte Aktionärsquote, vergangenes Jahr stark gestiegen. Doch die Mehrheit der Deutschen setzt statt auf die Börse weiterhin aufs Sparbuch oder gar das Girokonto, wo Null- oder Negativzinsen und Inflation an dem Ersparten zehren.
- Geldanlage: Warum Sie Ihr Sparbuch beerdigen sollten
- Negativzinsen: Was ist das und was bedeutet das für mich?
Finanzminister Scholz nutzt die App wohl nicht
Einer von ihnen ist mutmaßlich auch der Onkel von Fabian und Jakob, seines Zeichens Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat der SPD. Bei einer Bankentagung des "Handelsblatts" zumindest sagte Olaf Scholz 2018, er sei nicht am Aktienmarkt investiert. Sein Geld liege auf dem Bankkonto "und kriegt keine Zinsen". Später erläuterte er bei "Focus Online", er lasse sein Geld auf dem Sparbuch oder dem Girokonto – "aus Zeitgründen".
Ob das heute noch der Fall ist, ist nicht überliefert. Wäre es so, wäre der Politiker jedoch der perfekte Kunde für das Start-up seiner Neffen. Nutzt er denn die App? "Ich habe keinen Zugriff auf die Kundendaten", sagt Fabian Scholz. "Aber ich vermute stark: nein. Unser Onkel scheut offenbar den Aktienmarkt, sieht ihn wie viele andere als 'böse' an."
Natürlich kann auch Olaf Scholz selbst entscheiden, wie er sein Geld anlegt. Nun wird es aber politisch. Denn viele Kritiker werfen Scholz vor, er fördere die Aktienkultur in Deutschland nicht genug, vergräme Anleger mit seiner Politik sogar.
"Olaf Scholz ist kein Vorbild für die deutsche Aktienkultur"
So deutlich werden Fabian und Jakob Scholz zwar nicht, zu einer direkten Kritik an ihrem Onkel lassen sie sich nicht hinreißen. Allerdings sagt Fabian Scholz: "Die Politik muss endlich richtig kommunizieren, dass der Aktienmarkt nichts Böses ist." Und: "Es braucht mehr Aufklärung in Fragen finanzieller Bildung. Hier muss die Politik dringend handeln. Denn Strafzinsen und Inflation fressen das Vermögen schnell auf."
So sieht es auch FDP-Politikerin Katja Hessel, Vorsitzende des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag. Sie wird mit ihrer Kritik am Finanzminister allerdings deutlicher. "Olaf Scholz ist kein Vorbild für die deutsche Aktienkultur. Dabei wäre ein solches Vorbild dringend nötig", sagte sie im Gespräch mit t-online.
Das zeige alleine sein Vorstoß zu einer Finanztransaktionssteuer für die EU. Hierbei würde beim Kauf von Aktien großer Konzerne 0,2 Prozent des Geschäftswerts an Steuern fällig werden. "Mit solchen Vorschlägen schadet Scholz den Anlegern – und der Aktienkultur." Das Bundesfinanzministerium äußerte sich bislang auf t-online-Anfrage weder zur Aktienkultur noch zur App der Scholz-Neffen.
Doch der Minister sei nicht allein Schuld an der fehlenden Begeisterung für Aktien, sagt Hessel. "Scholz muss mehr tun, allerdings gilt auch: Die Deutschen sind ein Volk von Aktien-Muffeln." Viele hätten immer noch das Debakel mit der T-Aktie in Erinnerung. Auch der Wirecard-Skandal habe zuletzt viele Menschen verunsichert.
Für Altersvorsorge helfe App der Scholz-Brüder nicht
"Die Angst ist aber nicht berechtigt", sagt Hessel. "Es gibt genug Studien, die belegen, dass ein langfristiges Investment am Aktienmarkt fast risikofrei ist." Ob die App der Scholz-Brüder hier helfen könne? "Das kann sicher ein Ansatz sein, um die Menschen überhaupt an Aktien heranzuführen."
Fakt ist: Mit kleinen Beträgen wie bei Rubarb wird es in Sachen Altersvorsorge schwer. Hessel schlägt deshalb etwa die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist vor. Anleger, die Aktien eine bestimmte Zeit halten, sollten dadurch keine Abgeltungssteuer zahlen müssen, sagt sie: "Besonders für die Altersvorsorge kann es nicht sein, dass Erträge aus Aktien besteuert werden."
Auch Verbraucherschützer blicken skeptisch auf das, was die App der Gebrüder Scholz leisten kann. "Solche Trading-Apps sind ohne Kenntnisse in Geldanlage-Dingen immer mit einem Risiko verbunden", sagt etwa Kerstin Becker-Eiselen, Abteilungsleiterin Geldanlage und Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Hamburg. "Zum Ausprobieren und Spielen mit Geld, das 'übrig' ist, können sie sicher helfen. Aber nicht für die langfristige Altersvorsorge."
"Bisherige Altersvorsorgeprodukte sind einfach schlecht"
Diese Kritik nehmen die Scholz-Brüder an. "Rubarb ist kein explizites Produkt für die Altersvorsorge", sagt Jakob Scholz. "Alle uns bekannten klassischen Altersvorsorgeprodukte sind allerdings auch einfach schlecht und dringend reformbedürftig."
Eine langfristige Anlagestrategie auf Basis von ETFs sei daher neben anderen staatlichen, betrieblichen und privaten Vorsorgemöglichkeiten "mindestens eine sehr gute Idee", so Jakob Scholz weiter. "Hier kann unsere App helfen, Menschen genau diesen Baustein einfach zugänglich zu machen."
Bald wollen die Brüder Geld mit der App verdienen
Bislang nutzen ohnehin gerade einmal 3.500 Menschen Rubarb, übrigens hauptsächlich junge Leute und Frauen. Auch verdienen die Brüder bislang noch kein Geld mit der App, Rubarb sei "quasi eine Charity-Organisation".
Das aber soll sich ändern. Bald wollen sie die App ausbauen – und profitabel machen. "Es geht nicht nur ums Geld anlegen, sondern auch darum, wie man das Geld ausgibt", so Fabian Scholz. "Hier wollen wir etwa mit Partnern aus dem Handel zusammenarbeiten, die exklusive Angebote für Rubarb-Kunden bieten."
Der Name der App, Rubarb, fast wie das englische Wort "rhubarb" für "Rhabarber", ist übrigens nicht groß ausgeklügelt sondern ein Zufallsprodukt. Bei einem Meeting stand eine Rhabarberschorle auf dem Tisch. "Da haben wir uns gedacht: Das ist unser Name", sagt Fabian Scholz. "Aus Rhabarber kann man auf viele Weisen etwas Leckeres machen – ähnlich wie beim Aktienmarkt."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Fabian und Jakob Scholz
- Gespräch mit Katja Hessel
- Gespräch mit Kerstin Becker-Eiselen
- Anfrage ans Bundesfinanzministerium
- Handelsblatt-Bankengipfel 2018
- Focus Online: ""Nicht für alles Vorbild": Scholz erklärt seine private Mini-Zins-Strategie"
- rubarb.app
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa