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Rheinmetall-BVB-Deal: Sponsoring sorgt für Kontroversen


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Brisanter Werbedeal
Ein Waffengigant auf Kuschelkurs mit dem BVB


31.05.2024Lesedauer: 6 Min.
Rheinmetall und Borussia Dortmund gehen Werbedeal einVergrößern des Bildes
BVB und Rheinmetall: Der deutsche Waffenhersteller und der Bundesligist haben einen Sponsoring-Vertrag über drei Jahre abgeschlossen.

Rheinmetall auf neuer Mission: Mit einem überraschenden Sponsoring-Deal präsentiert sich der Waffenhersteller einem Millionenpublikum. Das ungewöhnliche Bündnis birgt Chancen – wirft aber auch ethische Fragen auf.

Wer noch nicht wusste, wer oder was Rheinmetall ist, dürfte es spätestens seit diesem Mittwoch wissen. Denn: Deutschlands größter Rüstungskonzern, Dax-Unternehmen und einer der weltweit führenden Hersteller von Waffen und Munition wird neuer Sponsor des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund.

Bisher haben sich Rüstungskonzerne in Deutschland mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten eher zurückgehalten. Wohl auch, weil sie um die Kritik in weiten Teilen der Bevölkerung an ihrem Geschäftsmodell wissen. Seit dem russischen Angriffskrieg hat sich jedoch etwas gedreht im Land. Mit dem Sponsoring kommt der Konzern nun aus der Deckung. Es geht um ein neues Image. Und auch Anleger könnten profitieren.

Traditionsunternehmen aus der Automobilbranche

Rheinmetall, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, gehörte einst zu den Motorenspezialisten der ersten Automobilgeneration. Heute fungiert die Aktiengesellschaft als Holding. Das Unternehmen beschäftigt rund 28.600 Mitarbeiter. Die Konzernzentrale ist in Düsseldorf ansässig. Untergeordnet sind unter anderem die Tochtergesellschaften Automotive und die Defence-Sparte.

Während Automotive Module und Systeme rund um den Motor produziert, gehört die Defence-Sparte von Rheinmetall zu den namhaften Adressen der internationalen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie. Gebaut werden Rüstungsgüter aller Art: Panzer, Panzerungen für Fahrzeuge, Geschützrohre, Luftabwehr, Drohnen und Munition. Diese Schutzsysteme sollen vor allem der Verteidigung dienen.

Gleichzeitig produziert Rheinmetall aber auch Waffen, die offensiv eingesetzt werden können, wie Artilleriesysteme (Panzerhaubitze 2000), Mörsergranaten, Bomben und Lenkwaffensysteme. Diese Waffen sind zwar offiziell für die Landesverteidigung konzipiert, könnten aber ebenso für Angriffszwecke missbraucht werden.

Der Rüstungskonzern betont ausdrücklich, dass weder das Unternehmen noch Tochtergesellschaften Streumunition, Munition mit angereichertem Uran oder andere durch das Völkerrecht im "Osloer Vertrag" geächtete Waffen herstellen.

Großaufträge treiben Geschäfte voran

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Weltlage verändert. Die Bundesregierung hat den russischen Angriff scharf verurteilt und als Zäsur für Deutschland bezeichnet. "Wir erleben eine Zeitenwende", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Sondersitzung des Bundestages und kündigte zudem deutliche Mehrausgaben für das Militär an.

Von diesen zusätzlichen Mitteln der Bundesregierung profitiert Rheinmetall. Aus einem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr bekommt der Konzern nach eigener Schätzung Schritt für Schritt etwa 30 Milliarden – verteilt auf einen Zeitraum von mehreren Jahren, was bei Rüstungsaufträgen üblich ist.

Die hohe Nachfrage nach Rüstungsgütern wegen des Krieges in der Ukraine beschert dem Dax-Unternehmen einen Großauftrag nach dem anderen. Beispielsweise hat der Konzern im vergangenen Jahr Artilleriemunition an die Ukraine im Wert von rund 142 Millionen Euro erhalten. Produziert werden sollen Artilleriegranaten des Kalibers 155 Millimeter.

Der Konzern liefere außerdem eine dreistellige Zahl von Waffenrohren für die Panzerhaubitze 2000 an einen Nato-Mitgliedsstaat, heißt es aus Unternehmenskreisen. Der Auftrag habe einen Wert von rund 300 Millionen Euro.

Rheinmetall ist beauftragt, 25 Kampfpanzer des Typs Leopard 1A5 an die Ukraine zu liefern, hinzu kommen fünf Berge- und zwei Fahrschulpanzer (Leopard 1). Die Auslieferung soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Zudem will Rheinmetall in der Ukraine die ersten Panzer bauen. Im Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" erklärte Rheinmetall-Chef Armin Papperger, dass er im Spätsommer nach Abschluss entsprechender Verträge mit der Ukraine den Bau des radgetriebenen Transportpanzers Fuchs erwarte. Der Puma-Konkurrent Lynx könne im Sommer 2025 folgen.

Kontrolle durch den Bundestag

Das Rüstungsunternehmen darf jedoch nicht aus wirtschaftlichen Gründen – zum Beispiel zur Steigerung des Gewinns – Waffen in jedes beliebige Land exportieren. In Deutschland gilt das sogenannte Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG). Es regelt Genehmigungsverfahren und Pflichten im Umgang mit Kriegswaffen.

Vor allem soll es Vorbereitungen für einen Angriffskrieg und alle Handlungen verhindern, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Das Kriegswaffenkontrollgesetz dient in erster Linie der Friedenssicherung und Kriegsverhinderung. Zudem soll es das deutsche Ansehen im Ausland und die innere Sicherheit schützen.

Deutschlands Haltung im Ukraine-Konflikt jedoch ist klar: Wir werden die Ukraine "so lange wie nötig" unterstützen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in der Regierungserklärung zum Europäischen Rat am 13. Dezember 2023.

Die Bundesregierung hat der Ukraine bereits Hilfen im Gesamtwert von rund 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, als humanitäre Unterstützung, direkte Zahlungen oder in Form von Waffen.

Das bisher größte militärische Unterstützungspaket hat die Bundesregierung im Mai 2023 auf den Weg gebracht: Die Bundesregierung lieferte Kampf- und Schützenpanzer, Luftabwehrsysteme, Waffen und Artilleriemunition im Wert von mehr als 2,7 Milliarden Euro.

Umsatz und Gewinn steigen

Rheinmetall profitiert, wenn Staaten – aus welchen Gründen auch immer – aufrüsten und die Bundesregierung eine Exportgenehmigung erteilt. Seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine im Februar 2022 ist Deutschland nach den USA weltweit das größte Geberland.

Der Rüstungskonzern konnte in dieser Zeit nicht nur Umsatz und Gewinn steigern, sondern auch seinen Börsenkurs verfünffachen. Lag der Kurs vor dem 24. Februar 2022 noch bei rund 94 Euro, liegt er heute bei 525 Euro.

Allein im ersten Quartal 2024 ist der Umsatz laut eigenen Angaben der Waffenschmiede in der Munitionssparte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent auf 362 Millionen Euro gestiegen. Seit Anfang 2022 stieg der Auftragsbestand um rund 10 Milliarden Euro auf 24 Milliarden Euro, der Umsatz soll in diesem Jahr 10 Milliarden Euro erreichen. Damit wäre er fast doppelt so hoch wie im Jahr 2021, also vor dem Ukraine-Krieg (5,7 Milliarden Euro).

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Die Rheinmetall AG wurde am 20. März 2023 in den Dax aufgenommen und zählt damit zu den 40 wertvollsten Unternehmen Deutschlands. Die Aktie ist damit Teil vieler Aktienfonds, die den deutschen Leitindex nachbilden, unter anderem sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds), die per Definition den Leitindex nachbilden. Große Geldgeber und institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen kaufen also Rheinmetall-Aktien, ebenso haben viele Privatanleger vermutlich mittlerweile Rheinmetall im Portfolio.

Die Marktkapitalisierung von Rheinmetall beträgt 22,5 Milliarden Euro. Was Marktkapitalisierung ist, lesen Sie hier. Nach Börsenwert belegt der deutsche Rüstungskonzern weltweit Platz 16. General Electric, Raytheon Technologies, Airbus, Lockheed Martin und Boing liegen mit einer Marktkapitalisierung von über 100 Milliarden Dollar auf den vordersten Plätzen.

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In Zeiten von Krisen und Kriegen wächst das Geschäft von Rheinmetall scheinbar ungebremst. Während Aktionäre jubeln, gibt es viele Menschen, die aus Gewissensgründen Waffen und Kriege grundsätzlich ablehnen – selbst dann, wenn ein Staat angegriffen wird.

Gesellschaftliche Debatte

Die Partnerschaft zwischen dem Rüstungskonzern Rheinmetall und Borussia Dortmund wäre auch deshalb früher ein Tabu gewesen. Laut "Handelsblatt" umfasst das Bündnis in den kommenden drei Jahren die Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und sogenannte Hospitality-Angebote im Stadion und auf dem Vereinsgelände. Zu Hospitality-Angeboten zählen zum Beispiel VIP-Logen und Premium-Parkplätze.

Doch obwohl sich die Zeiten geändert haben, hat der Sponsoring-Vertrag nun eine Debatte ausgelöst. Während viele Fans und Kritiker ethische Bedenken äußern, eine Fußballmannschaft mit der Waffenindustrie zu verbinden, hat der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck überraschenderweise den BVB unterstützt.

"Dass Rheinmetall jetzt einen Fußballverein sponsert, ist in der Tat erst einmal ungewöhnlich, aber es zeigt, wo wir stehen", sagte Habeck. "Wir wissen und müssen es leider zugeben, dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt sind."

Laut Medienberichten will der BVB einen einstelligen Millionenbetrag pro Jahr für die Bandenwerbung erhalten. Alleine des Geldes wegen will der Bundesligaverein die Zusammenarbeit mit Rheinmetall nicht eingegangen sein, berichtet das "Handelsblatt" weiter. Wie aus dem Klub zu vernehmen sei, gehe es ihm auch darum, eine öffentliche Debatte darüber zu entfachen, was für die Sicherheit des Landes notwendig sei.

Borussia Dortmund öffne sich deshalb bewusst für diesen Diskurs. Auch der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, erklärte seine Position zu der Zusammenarbeit mit Rheinmetall. "Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss."

 
 
 
 
 
 
 

Lohnt sich der Einstieg?

Für Anleger ist die Sache recht eindeutig. Wer im Jahr 2022 beispielsweise 1.000 Euro investiert hat, konnte sein Investment bis heute verfünffachen und steht nun bei 5.000 Euro. Sollten die Gewinne bei Rheinmetall weiter sprudeln, steht weiteren Kursgewinnen nichts im Wege. Und eine Entspannung in den Krisen- und Kriegsgebieten ist derzeit nicht in Sicht.

Ob sich der Einstieg von Rheinmetall beim BVB lohnt, bleibt abzuwarten. Für die Gegner des Deals wiegt der mögliche finanzielle Gewinn die moralischen Implikationen einer solchen Verbindung nicht auf. Der Streit verdeutlicht nach wie vor den Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und ethischen Grundsätzen im Profisport.

Am Ende bleibt immer ein Restrisiko – das wissen Anleger, Fußballfans, aber auch die Verantwortlichen des BVB.

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