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Kohlekraftwerk: Christian Lindner will Ausstieg verschieben – Kritik


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Energiesicherheit
Kommt der Ausstieg vom Ausstieg?


05.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg. (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)
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RWE wäre dabei und auch Finanzminister Lindner kann sich eine längere Laufzeit von Kohlekraftwerken vorstellen: Doch das stünde dem Koalitionsvertrag entgegen – droht neuer Ampelzoff?

Russisches Gas fällt weg, Atomkraft fällt weg, der Ausbau der Erneuerbaren läuft, aber bei Weitem nicht schnell genug. Um die Energieversorgung auch über den aktuellen Winter hinaus sicherzustellen, braucht Deutschland also eine sichere Energiequelle.

Wenn es nach Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geht, könnte die Antwort – oder zumindest ein Teil davon – beim Kohleausstieg zu finden sein. "Solange nicht klar ist, dass Energie verfügbar und bezahlbar ist, sollten wir die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden", sagte der FDP-Parteivorsitzende kürzlich dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Diese Äußerung sorgt in der Branche für Verunsicherung. "Die Bundesregierung sollte rasch Klarheit darüber schaffen, wie Versorgungssicherheit in Deutschland mittel- und langfristig organisiert werden soll", sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), t-online.

Denn eigentlich hatten sich die Parteien der Ampelregierung im Koalitionsvertrag bereits auf ein Ziel verständigt: den Kohleausstieg "idealerweise" auf das Jahr 2030 vorzuziehen. Von Idealbedingungen ist die deutsche Energieversorgung seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aber weit entfernt. Das hatte – vor allem aus Reihen der FDP und CDU/CSU – bereits zu Kritik am Atomausstieg in diesem Jahr geführt (t-online berichtete).

Kohle verursacht doppelt so viele Emissionen wie Gas

Nun steht also der Kohleausstieg auf dem Prüfstand. Zur Erinnerung: In monatelanger Arbeit verhandelten Mitglieder aus Politik und Verbänden sowie Branchenvertreter in der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, auch Kohlekommission genannt, den Ausstieg Deutschlands aus der Kohleenergie. Das Ergebnis dieser langwierigen Diskussionen war im Januar 2019 das Jahr 2030 als Ausstiegszeitpunkt. Mit dem Koalitionsvertrag beschlossen SPD, Grüne und FDP dann, dass sie den Ausstieg schneller schaffen wollten.

Hauptgrund für den geplanten Ausstieg und auch für die ambitionierteren Ziele der Ampel ist der hohe CO2-Ausstoß. "So entsteht bei der Verbrennung von Braunkohle rund doppelt so viel Kohlendioxid bezogen auf den Energiegehalt wie bei der Verbrennung von Erdgas", schreibt der Energieexperte Volker Quaschning.

Gleichzeitig hat Deutschland ein hohes Kohlevorkommen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt, dass 83.000 Millionen Tonnen Steinkohle noch im Boden liegen. Damit könnten theoretisch 680.000 Terawattstunden Strom erzeugt werden. Das entspricht beim aktuellen Strombedarf Energie für mehr als 1.000 Jahre. Es wäre eine entscheidende Ressource, vor allem wenn es darum geht, unabhängiger von Energieimporten aus anderen Ländern zu werden.

Reserve wurde im vergangenen Jahr aktiviert

Schon im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung deshalb trotz ihrer Klimaziele auf mehr Kohle statt Gas gesetzt. So wurde ein Drittel des deutschen Stromverbrauchs durch Kohleenergie gedeckt. Dafür hatte die Bundesregierung Reserve-Braunkohlekraftwerke mit insgesamt 1,9 Gigawatt Leistung zurück ans Netz geholt. Und obwohl die Versorgungslage laut Bundesnetzagentur in diesem Jahr deutlich besser ist, wurde Anfang Oktober erneut die Freigabe der Reserven bis ins kommende Frühjahr beschlossen. Mehr zur aktuellen Versorgungslage lesen Sie hier.

Das hat auch die Kraftwerksbetreiber auf den Plan gerufen: RWE betreibt in Nordrhein-Westfalen derzeit zwei Kraftwerksblöcke (Neurath D und E), die ursprünglich bereits Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, dann aber am Netz gehalten wurden. Das Unternehmen hat der Bundesregierung nun angeboten, diese auch über das Frühjahr 2024 hinaus zu betreiben.

Laut der Bundesregierung wird ein Weiterbetrieb bis Ende März 2025 derzeit geprüft. "Eine schnelle Entscheidung wäre hilfreich, um Klarheit für die Mitarbeiter zu schaffen und die notwendigen technischen Maßnahmen vorzubereiten", sagte die RWE-Sprecherin.

Im Jahr 2022 waren regulär noch rund 130 Kohlekraftwerke, vor allem in Nordrhein-Westfalen, in Betrieb. Aus der Reserve wurden dann 14 Steinkohlekraftwerke und fünf Braunkohleblöcke zurück ans Netz geholt.

BUND: "Falsche Informationen"

Entsprechend wenig erstaunlich ist es, dass Lindners Vorstoß beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf Kritik stößt. Während Lindner behauptet hatte, dass in Deutschland eingesparte CO2-Emissionen dann in anderen Ländern anfallen würden.

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt hält dagegen: "Die in Deutschland dadurch frei werdenden CO2-Zertifikate müssen gelöscht werden, damit die Emissionen auch nicht an anderer Stelle in Europa anfallen. Falsche Informationen werden nicht richtig, nur weil sie beharrlich wiederholt werden." 2030 sei deshalb als Ausstiegsjahr unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen.

Auch Kerstin Andreae vom BDEW plädiert dafür, die Klimaziele im Auge zu behalten, mahnt aber auch zu vorausschauendem Handeln."Ob wir bis 2030 aus der Kohle aussteigen können, hängt in großem Maße davon ab, ob wir bis dahin ausreichend steuerbare Leistung, insbesondere in Form von wasserstofffähigen Kraftwerken haben", sagt sie t-online. "Hier ist Eile geboten, denn Projektrealisierungszeiten im Kraftwerksbau betragen zwischen vier und sechs Jahren."

Droht erneut Ampelzoff?

Doch auch innerhalb der Ampelkoalition ist ein Verschieben des Kohleausstiegs umstritten. "Das Wort 'idealerweise' steht nicht umsonst im Koalitionsvertrag. Zielführend ist nicht, über das Datum zu diskutieren, sondern über die Maßnahmen, die wir jetzt brauchen, um die erneuerbaren Energien schnell auszubauen", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der "Rheinischen Post". Er hatte als ein Vertreter der Großen Koalition auch bei den Verhandlungen der Kohlekommission teilgenommen.

Ein Sprecher von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) verwies auf den Koalitionsvertrag. Daran arbeite die Bundesregierung. Der Prozess eines vorgezogenen Kohleausstiegs sei eingebettet in eine andauernde Überprüfung der Versorgungssicherheit. Die große offene Kritik bleibt an dieser Stelle also zunächst aus, doch schon die Debatte um den Atomausstieg hat gezeigt, dass das Thema Energieversorgung selten so heiß diskutiert wurde wie dieser Tage.

Erdgas aus Deutschland als Alternative

Für die Zukunft will Lindner auf Erdgas setzen – statt aus Russland, dann aber aus Deutschland: "Die inländische Gasförderung muss intensiviert werden." Außerdem müsse der Zubau von erneuerbaren Energien schneller ermöglicht werden. Auf die Frage, ob Deutschland neue Gaskraftwerke als Reserve im Energiemix brauche, sagte der FDP-Politiker: "Darauf wird es hinauslaufen, aber die Frage ist, wie dies so effizient marktwirtschaftlich gelingt, dass die Strompreise nicht weiter steigen."

Kerstin Andreae vom BDEW setzt zudem auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie. Es sei daher wichtig, dass die Bundesregierung "endlich die angekündigten Ausschreibungen für wasserstofffähige Kraftwerke auf den Weg bringt".

Verwendete Quellen
  • Statement von Kerstin Andreae (BDEW)
  • deutschlandfunk.de: "Welche Rohstoffe hat Deutschland?"
  • volker-quaschning.de: "Spezifische Kohlendioxidemissionen verschiedener Brennstoffe"
  • manager-magazin.de: "So wichtig sind die Kohlekraftwerke für Deutschland"
  • destatis.de: "Stromerzeugung 2022: Ein Drittel aus Kohle, ein Viertel aus Windkraft"
  • zeit.de: "Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke verursachte 15 Millionen Tonnen CO2"
  • tagesschau.de: "Reserve-Kohlekraftwerke gehen laut Habeck 2024 vom Netz"
  • tagesschau.de: "Bund reaktiviert Reserve von Kohlekraftwerken"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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