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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Füllstand der Speicher So sicher ist die deutsche Gasversorgung im Winter
Im vergangenen Winter schaute Deutschland gebannt auf den Füllstand der Gasspeicher. Wie steht es aktuell um die Versorgungssicherheit?
Noch genießen die Deutschen mit Eis und Ausflügen an den See die letzten warmen Sommertage. Dabei schon an den Winter denken, an die kalten Tage, ans Heizen – das machen wohl nur die wenigsten.
Vergangenes Jahr zur selben Zeit war das anders. Da warnte insbesondere die Bundesnetzagentur (BNetzA) vor Energieengpässen und vor leeren Gasspeichern. Die Bitte von Behördenchef Klaus Müller damals: Energie sparen, Heizung abdrehen, damit in Deutschland trotz des Wegfalls russischer Gaslieferungen niemand frieren muss.
Doch wie ist die Lage jetzt gerade? Wie voll sind Deutschlands Speicher? Und worauf müssen sich Endverbraucher in den kalten Monaten einstellen?
"Wir schauen entspannter auf diesen Winter", sagt eine Sprecherin der BNetzA t-online. Die Zahlen der Behörde zeigen, warum: Bereits im Juli wurde das Speicherziel von 85 Prozent Füllstand erreicht. Eigentlich muss das erst im Oktober der Fall sein. Jetzt, am 18. September, sind alle Gasspeicher zusammengenommen sogar zu 94,2 Prozent gefüllt. Doch Entwarnung geben will die Behörde nicht. Es blieben "Restrisiken".
Zudem reicht es nicht aus, nur auf den Füllstand zu achten. Denn ob und zu welchem Preis die Versorgungssicherheit gegeben ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Der wichtigste: die Lieferverträge für Gas aus dem Ausland.
Großteil des Erdgases kommt aus Norwegen
Zwar fördert Deutschland auch selbst Erdgas, aber nur in sehr geringen Mengen. Auf diesem Weg ist der Bedarf von 847.470 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2022 nicht zu decken. 2021 hatte der Verbrauch mit 1.029.056 GWh sogar noch 17,6 Prozent höher gelegen. Aktuell liegt der deutsche Gasverbrauch 21,7 Prozent unter den Durchschnittswerten von 2018 bis 2021.
Bis ins vergangene Jahr hinein bezog Deutschland mehr als die Hälfte seines Gases aus Russland. Als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine jedoch verhängte die EU Sanktionen gegen Russland, die Kremlchef Wladimir Putin wiederum beantwortete, indem er die Gaslieferungen an den Westen erst drosselte, dann ganz stoppte. Das löste große Verunsicherung in Importländern wie Deutschland und Polen aus und führte zu drastischen Preisanstiegen an den Energiebörsen.
Um die deutsche Gasversorgung weiterhin zu sichern, haben die Bundesregierung und Energieversorger gemeinsam neue Verträge mit Lieferanten verhandelt und bei bestehenden Verträgen die Liefermenge erhöht. Mittlerweile bezieht Deutschland die größten Mengen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Die Bundesnetzagentur schreibt dazu in ihrem Lagebericht: "Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet."
Temperaturen und Sparsamkeit sind entscheidend
Ob der Winter wirklich "entspannt" wird, hängt derweil davon ab, wie viel Gas am Ende tatsächlich benötigt wird – was wiederum vom Wetter abhängt. Üblicherweise läuft die Heizperiode in Deutschland von Anfang Oktober bis Ende April. Wenn die Temperaturen allerdings höher ausfallen, muss kürzer geheizt werden und der Gesamtverbrauch sinkt. So auch im vergangenen Winter: Die Monate Dezember, Januar und Februar waren durchschnittlich 0,5 Grad wärmer als üblich, hieß es vom Deutschen Wetterdienst (DWD).
Im vergangenen Jahr brachten zudem die hohen Preise viele Menschen dazu, weniger Gas zu verwenden. Und: Wie die Netzagentur rief auch die Bundesregierung zum Sparen auf, um so Deutschlands Abhängigkeit von Russland zu verringern und mit gut gefüllten Speichern einen Puffer für den Winter zu haben.
Speicher reichen nur für wenige Wochen
Die Bundesnetzagentur ruft trotz voller Speicher zur Vorsicht auf. "Wir sollten bei der Sparsamkeit nicht nachlassen", so die Sprecherin. Die aktuell hohen Füllstände bei den Gasspeichern stellen einen wichtigen Pfeiler für die Versorgungssicherheit dar, allerdings reichen sie allein nicht aus. Sie sollen Schwankungen beim Gasverbrauch ausgleichen und bilden dadurch eine Art Puffersystem für den Gasmarkt.
Für gewöhnlich sind sie mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt. Bis zum Frühjahr nehmen die Füllstände dann ab. An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt. Doch den Gesamtbedarf können und sollen sie nicht decken.
Zahlen des Branchenverbands Ines (Initiative Erdgasspeicher) zeigen: Die Speicher in Deutschland können insgesamt Gas mit einem Energiegehalt von maximal rund 256 Terawattstunden speichern. Das entspricht etwa einem Viertel des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland (rund 1.000 Terawattstunden). "Dieses Speichervolumen allein kann Deutschland zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen", hieß es von der Bundesregierung im vergangenen Winter.
Preise könnten wieder steigen
Doch was heißt das für die Verbraucher? Wird Gas jetzt automatisch noch billiger als ohnehin schon?
Zuletzt mussten Neukunden im Mittel 9 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Zum Höhepunkt im vergangenen Herbst lag der Preis bei 40 Cent pro Kilowattstunde.
Eine Prognose über die Entwicklung der Gaspreise will die Bundesnetzagentur nicht abgeben. Auf ihrer Webseite stellt sie allerdings die Veränderungen der vergangenen Monate dar. Die Kurve hat zwar immer wieder kleinere Ausschläge, insgesamt aber halten sich die Preise an den Energiebörsen seit Wochen auf einem ähnlichen Niveau von etwa 30 bis 40 Euro pro Megawattstunde (Day Ahead).
Auf Vorkrisenniveau befinden sich die Preise dennoch bisher nicht wieder – und die Preise könnten sogar wieder steigen. Denn das Finanzministerium will früher als erwartet die Mehrwertsteuer auf Erdgas wieder auf ihren früheren Anteil anheben. Wenn die Anbieter diese Erhöhung vollständig weitergeben, steigen die Gaspreise für private Haushalte nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox zum Januar um rund 11 Prozent.
Das könnte viele Deutsche mitten in der Heizperiode treffen. Laut Energiewirtschaftsverband BDEW wurde 2022 knapp die Hälfte der gut 43 Millionen Wohnungen und Einfamilienhäuser mit Erdgas beheizt.
Wegen der plötzlich extrem hohen Preise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die Bundesregierung Gas und Fernwärme im vergangenen Jahr steuerlich begünstigt. Ursprünglich sollte der niedrigere Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent bis März 2024 gelten. Nun aber soll die Entlastungsmaßnahme nach dem Willen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon zum Jahreswechsel auslaufen, wie zuerst die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete. Noch ist die Verkürzung nicht beschlossen.
- Eigene Recherche
- Bundesnetzagentur: Lagebericht Gasversorgung (Stand 14.09.2023)
- Statement einer Sprecherin der Bundesnetzagentur
- Mit Material der dpa