Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Klartext von Rodel-Legende Scharfe Kritik von Hackl: "eSport, das ist für mich kein Sport!“
Georg Hackl macht sich Gedanken über die Zukunft seines Sports. Besonders neue digitale Angebote sieht er auch kritisch. Im Interview mit t-online.de geht der 52-Jährige noch weiter.
Seit über drei Jahrzehnten steht Georg Hackl stellvertretend für das deutsche Rodeln. Nach zahlreichen Olympia- und Weltcup-Titeln oder Auftritten bei Stefan Raabs Wok-WM betreut er nun das deutsche Team als Techniktrainer.
- Anzeige: Hausbesuch bei einer Legende: So wohnt der Hackl Schorsch
In seiner Karriere hat Hackl viele Sportler kommen und gehen sehen, doch in letzter Zeit macht ihm Nachwuchsmangel Sorgen. t-online.de traf den 52-Jährigen in seinem Haus im bayerischen Bischofswiesen zum Interview.
t-online.de: Herr Hackl, vor beinahe genau 30 Jahren, am 10. Februar 1989, haben Sie bei der Weltmeisterschaft in Winterberg ihren ersten großen Titel gewonnen. Wie war das damals?
Georg Hackl: Das weiß ich noch ganz genau. Es war meine große Chance, als junger Fahrer zur Weltspitze aufzuschließen. Damals wusste ich noch nicht, wie lange ich den Sport überhaupt betreiben werde. Und dann kam die einmalige Gelegenheit, in Winterberg eine Heim-WM zu haben. Deshalb habe ich da alles reingelegt…
… was dann ja auch gelungen ist.
Genau, ich habe vorher sehr viel trainiert und kannte die Bahn aus dem Effeff. Das hat meine fahrerische Performance, vor allem im Hinblick auf Präzision, sehr weit nach vorne gebracht und der Titel war ein Grundstein für meine weitere Laufbahn. Ein echter Meilenstein.
Danach folgten 21 weitere WM- und fünf Olympiamedaillen. Heute arbeiten Sie als Techniktrainer und geben Ihre Erfahrung an den Nachwuchs weiter. Wie hat sich die Sportler-Generation seit Ihrem ersten großen Titel verändert?
Puh. Soll ich das ganz ehrlich sagen? (lacht) Genauso wie unsere Gesamtgesellschaft – nämlich, dass Informationen viel, viel schneller als früher verbreitet werden, jeder irgendwo alles weiß. Das ist die positive Seite. Die negative ist, dass jeder wahnsinnig viel Energie und Zeit dafür investiert, diese Informationen abzugreifen oder zu verbreiten. Aus meiner Sicht, und das hört sich jetzt natürlich etwas altklug an (lacht), hat das teilweise krankhafte Züge. Wobei Sportler natürlich wissen, was sie leisten müssen. Die haben ein gesundes Maß zwischen ihrer Arbeit und den ganzen Begleiterscheinungen.
Welche Begleiterscheinungen meinen Sie?
Na, dass jeder seine Nase andauernd in so ein Gerät steckt und in sozialen Medien oder Ähnlichem unterwegs ist. Wenn denen mal eine halbe Minute langweilig ist, holen sie ihre Handys raus und spielen irgendein blödsinniges Spiel.
Verlieren Athleten dadurch den Fokus für ihren Sport?
Ja, manche vielleicht. Besonders die, die dafür anfällig sind. Andere Menschen außerhalb des Sports verlieren vielleicht sogar den Fokus für das Leben. Ich bin beispielsweise zuletzt durch die Natur gewandert, genieße die Landschaft – und dann sehe ich Leute, die sich die Landschaft durch ihr Smartphone anschauen. Und die stolpern dann, weil sie nicht nach vorne schauen, und fliegen auf die Nase. Generell bin ich der Meinung, dass man Medien nutzen sollte, wo sie einem behilflich sind, aber man darf den Fokus für das reale Leben nicht verlieren.
Ist das ein Grund dafür, dass weniger junge Menschen eine Karriere als Profisportler einschlagen oder beispielsweise auf eine Eliteschule des Sports gehen?
Auf jeden Fall. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass nicht nur wir Rodler, sondern auch andere Sportarten, massive Nachwuchssorgen haben. Das ist in der gesamten Gesellschaft so. Auf mich sind sogar Musikvereine zugegangen und haben gefragt: „Herr Hackl, wie gehen Sie mit der Nachwuchsproblematik um? Denn unser Musikverein stirbt aus.“ Das Problem betrifft also nicht nur den Sport.
Worin äußert sich das konkret im Rodeln?
Wenn jemand im Kindesalter beginnt, hat er ja noch nicht im Hinterkopf, einmal Olympiasieger zu werden. Es geht darum, Spaß an der Sache zu haben – und den Sport auch regelmäßig zu betreiben. Und dazu kommen immer weniger Kinder. Wir sind früher in den Verein gegangen oder beispielsweise ins Trainingslager gefahren, um mal rauszukommen. Unsere Eltern hatten das Geld nicht, um in den Urlaub zu fahren. Oder wir haben im Sommer arbeiten müssen. Das ist heutzutage total anders. Wir haben schon einen tollen Wohlstand. Aber das Internet und die sozialen Medien beschäftigen uns so stark, dass die Bereitschaft der Menschen, sich in die Gesellschaft einzubringen, weniger wird. Ob Sport- oder Kulturvereine, Feuerwehr oder THW – alle haben Nachwuchsprobleme.
Ganz anders sieht es beim eSport aus. Der boomt. Wie stehen Sie dazu?
Ganz ehrlich: eSport, das ist für mich kein Sport! Wenn einer die Knöpfchen von seiner Spielekonsole, seinem iPad oder seinem iPhone bedienen kann, und dann meint, Sport zu machen, dann hat er etwas nicht verstanden. Hier ist eine gewisse Komponente, die Bewegung, Koordination und Metabolismus beinhaltet, völlig ausgeklammert.
- Hackl zu Olympia: "Hatten große Befürchtungen. Die sind nicht eingetreten"
- Deutscher eSport-Star erklärt: So sieht der Alltag eines Profi-Zockers aus
Im Fußball entsteht gerade ein regelrechter Hype um eSport. Fast alle Bundesligisten haben bereits entsprechende Abteilungen gegründet. Was halten Sie davon?
Sport ist für mich erst einmal Bewegung in irgendeiner Form – ob in Verbindung mit Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit oder einem hochgradig koordinativen Anspruch wie zum Beispiel auf einer Slackline. Aber es geht immer um eine Anforderung, der ich mich mit meinem Körper in meiner Umwelt stelle. Das eine ist also das Lösen von Bewegungsaufgaben, das andere die Wahrnehmung der Umwelt – zwei ganz wesentliche Bestandteile beim Sport. Und das fällt beim eSport beides weg.