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Koalitionsverhandlungen: Gelingt die "Wirtschaftswende"?


Krisenstrategie gesucht
Hoffen auf den Befreiungsschlag


08.04.2025Lesedauer: 5 Min.
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Söder, Merz, Klingbeil: Zum Erfolg verdammt. (Quelle: Sean Gallup/getty-images-bilder)
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Trumps Zollkrieg hat den Druck auf die schwarz-roten Verhandler erhöht, die deutsche Wirtschaft zu beflügeln und Land aus der Krise zu führen. Gelingt Merz und Klingbeil der große Wurf?

Die Zahlen sind eindeutig – eindeutig schlecht: Deutschlands Wirtschaft ist in den vergangenen zwei Jahren geschrumpft. Während der Wohlstand in fast allen anderen großen Industrienationen wuchs und weiter wächst, bewegt sich das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland heute weiter auf in etwa dem Niveau von vor der Pandemie.

Und: Das laufende Jahr 2025 dürfte kaum besser werden. Schon vor der jüngsten Zoll-Tirade von US-Präsident Donald Trump prognostizierten Wirtschaftsforscher eine abermalige Stagnation. Mit den Zöllen und erwarteten Gegenzöllen der EU droht es für die deutsche Wirtschaft jetzt noch einmal steiler bergab zu gehen.

Entsprechend gewachsen ist damit der Druck auf die schwarz-roten Koalitionsverhandler in Berlin. Der Kampf um die "Wirtschaftswende" wird neben der Migrationspolitik einmal mehr zur zentralen Herausforderung für Union und SPD. Ein Scheitern können sich Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Co. kaum erlauben, denn die Erwartungen der Bürger und der Unternehmen sind hoch: Die neue Regierung muss die Konjunktur-Talfahrt beenden und endlich wieder für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.

Allein: Dass das klappt, daran mehren sich inzwischen die Zweifel. Denn das, was bisher aus den Koalitionsverhandlungen nach außen gedrungen ist, stimmt Experten und Verbände nur wenig optimistisch. Vor allem in Steuer- und Finanzfragen scheinen sich Konservative und Sozialdemokraten kaum die Butter auf dem Brot zu gönnen. Gelingt ihnen trotzdem der große Wurf?

Wie kommt Deutschland aus der Krise?

Entscheidend für die Antwort auf diese Frage ist, ob Deutschlands Unternehmen wieder mehr Geld für Investitionen ausgeben. In den vergangenen zwei Jahren ist die Investitionsquote deutlich gesunken. Viele Firmenchefs waren angesichts der politischen Lage in Deutschland und der Welt verunsichert, warteten lieber ab – und vertagten so Modernisierungsmaßnahmen, die es für einen starken Wirtschaftsstandort braucht.

Entsprechend machten schon im Wahlkampf Konservative und Sozialdemokraten Vorschläge, um mehr Investitionsanreize zu setzen. Diese allerdings sind zum Teil so grundverschieden, dass sie kaum miteinander vereinbar scheinen. Weil sie gänzlich unterschiedlichen Denkschulen folgen.

Während CDU und CSU glauben, dass weniger Steuern für alle Unternehmen mehr Geld in den Firmen freisetzt, das diese dann in neue Anlagen investieren, will die SPD erst die Zusage für Investitionen sehen, um dann staatliches Geld an die Unternehmen auszuzahlen. Eine Variante für eine solche Investitionsprämie ist der von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) erdachte "Made in Germany"-Bonus, der Firmen zehn Prozent ihrer Investitionen in Maschinen und Anlage zurückerstatten soll.

Ebenfalls im Raum steht die Unionsidee sogenannter "degressiver Abschreibungen" für Investitionen. Damit ist gemeint: Firmen können ihre Steuerlast durch jährliche Abschreibung von Anschaffungskosten, etwa für eine neue Maschine, verringern, wobei sich die Höhe der Abschreibung stets am restlichen Buchwert der Maschine bemisst.

Streit um das richtige Instrument

Für alle drei Vorschläge gibt es Argumente und Gegenargumente – und Experten, die sie einfordern. Der Ökonom Jens Südekum etwa hält die SPD-Idee von Investitionsprämien für sinnvoll, dabei handle es sich um "zielgenaues Instrument". Anders sieht es der frühere "Wirtschaftsweise" Lars Feld, der unlängst sagte: "Es ist notwendig, die Steuern insgesamt und in der Breite zu senken und nicht nur Subventionen an einzelne Unternehmen zu verteilen." Ähnliches forderten vergangene Woche auch 100 Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Die Steuerbelastung der Unternehmen und Betriebe müsse demnach "spürbar reduziert" werden.

Doch was davon nun kommen soll, darüber sind sich die Verhandler von CDU, CSU und SPD weiterhin nicht einig. In der Arbeitsgruppe "Haushalt, Steuern, Finanzen", die bis Ende März tagte, krachte es dem Vernehmen nach heftig: Im geleakten Abschlusspapier der AG findet sich unter dem Punkt "Unternehmensteuer/Investitionen anreizen" kein einziger geeinter Satz. Stattdessen besteht die gesamte Passage aus blau und rot markierten Worten – die blauen Stellen halten die Position der Union fest, die roten die der SPD.

Lediglich die Forderung nach degressiven Abschreibungen findet sich nun auch in der SPD-Position wieder. Ein Kompromiss, der nicht so wirken sollte – oder von der Union nicht als solcher erkannt wurde?

Wie schwierig die Verhandlungen der Finanz-Arbeitsgruppe mitunter waren, verdeutlicht eine Szene, die erst jetzt bekannt wird. Sie zeigt vor allem, wie unabgestimmt die Unionsleute in die Gespräche gingen, sich teils auf offener Bühne zerlegten – und sich dabei Chancen für Verhandlungsfortschritte selbst verspielten.

Verschenkte Einigung

Nach Informationen von t-online kam die SPD in der Arbeitsgruppe demnach zu dem Schluss, dass der "Made in Germany"-Bonus womöglich teurer werden könnte als bisher angenommen: Noch im Wahlkampf war die Rede von bis zu 18 Milliarden Euro, neueste Schätzungen taxierten die Kosten jedoch auf rund 25 Milliarden Euro.

Angesichts knapper Kassen schien das Instrument also nur schwer realisierbar, auch, weil die SPD sich finanzpolitische Solidität – "alles muss gegenfinanziert sein" – auf die Fahnen geschrieben hatte.

Die Genossen waren daher bereit, sich dem Unionsvorschlag über degressive Abschreibungen anzuschließen, wollten aber nicht einfach ihre Position räumen, ohne etwas im Gegenzug zu erhalten. Der "Made in Germany"-Bonus war immerhin eines der Top-Themen im SPD-Wahlkampf, die Union müsste also ihrerseits etwas aufgeben, so die Strategie der Sozialdemokraten um Verhandlungsführer Dennis Rohde.

Doch Rohdes Pendant auf der Unionsseite, Mathias Middelberg, roch den Braten: Der CDU-Haushaltsexperte merkte, dass die SPD das Thema nicht mehr ganz so offensiv vertrat und begann, die Genossen mit Fragen zu löchern. Wie genau stellten sie sich die Prämie eigentlich vor? Wie teuer würde das Ganze und wie solle sie finanziert werden?

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"Warum stellst du solche Fragen?"

Middelberg kam mit seinen seinen Nachfragen so weit, dass die SPD-Seite ernsthaft ins Schlingern geriet, als plötzlich Bayerns Finanzminister Albert Füracker dazwischen grätschte. Der CSU-Politiker, der offenbar das Kalkül hinter Middelbergs Manöver nicht begriff und von diesem auch nicht in Kenntnis gesetzt wurde, fuhr seinen Unionskollegen demnach vor versammelter Runde an: "Warum stellst du solche Fragen? Wir wollen den Bonus doch gar nicht!"

Der Querschuss aus Bayern, über dem im Gespräch mit t-online mehrere mit der Sache Vertraute berichteten, düpierte nicht nur Middelberg auf offener Bühne, sondern bewahrte auch die SPD davor, einen ihrer Wahlkampfschlager kampflos aufzugeben. Der weitaus größere Kollateralschaden war jedoch ein anderer: Das wichtige Thema Investitionsanreize blieb ungeeint – und musste so, wie viele andere Punkte, an die Chef-Runde hochgereicht werden.

In der SPD heißt es, man sei "erstaunt" gewesen, wie unkoordiniert und unvorbereitet die Unionsseite in die Gespräche gestolpert sei: Der Merz-CDU fehle es "erkennbar an erfahrenen Verhandlern".

Paketlösung als möglicher Kompromiss

Wie genau ein möglicher Kompromiss aussieht, wird sich erst nach Abschluss aller Gespräche der Chefs herausstellen, aus denen bislang nur wenig nach außen dringt. Denkbar wäre etwa eine Paketlösung, die für die nächsten Jahre unter anderem degressive Abschreibungen vorsieht und in einem späteren Schritt eine Senkung der Unternehmenssteuer in Angriff nimmt. Doch ob das so kommt, ist noch offen.

Für den Moment jedenfalls zeigen sich selbst Wirtschaftsvertreter, die der CDU nahestehen, nur mäßig zufrieden mit dem bislang Erreichten. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, sagte t-online am Dienstag: Der Unionswunsch nach einer Steuerreform für die Unternehmen sei zwar richtig. "Dennoch überwiegt derzeit ein erhebliches Unbehagen bei vielen unserer Mitglieder. Da wurden seitens CDU schnell viele Konzessionen gemacht, die kaum mit der zuvor vertretenen Linie kompatibel scheinen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Statement von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU
  • Pressemitteilung von 100 Verbänden: "Erklärung der deutschen Wirtschaft zu den Koalitionsverhandlungen"

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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