Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wer wird Außenminister? Es gibt einen Favoriten

Union und SPD ringen in Berlin um einen Koalitionsvertrag. Ministerposten sollen eigentlich erst am Ende der Verhandlungen verteilt werden. Spekulationen gibt es trotzdem – besonders über den möglichen künftigen Außenminister.
In Berlin geht es dieser Tage ums Geld. Anhebung der Mütterrente, Erhöhung der Pendlerpauschale, Reduzierung der Umsatzsteuer in der Gastronomie. CDU, CSU und SPD haben im Wahlkampf viele Versprechungen gemacht und ihre Herzensprojekte Anfang März in das gemeinsame Sondierungspapier geschrieben. Bislang bleibt jedoch unklar, wie das alles finanziert werden soll – besonders mit Blick auf die schwächelnde deutsche Wirtschaft.
Diese Finanzierungsfragen werden auch großen Einfluss auf die Ressortverteilung in der künftigen Bundesregierung haben. Welche Partei übernimmt welche Ministerien? Wer wird Ministerin oder Minister? Das ist auch eine Geldfrage. Denn Ministerien wie etwa das Verteidigungsministerium oder das Auswärtige Amt sind angesichts der aktuellen geopolitischen Verwerfungen und der Bedrohung durch Russland von großer Bedeutung.
Traditionell liegen beide Ressorts nicht in den Händen von Union oder SPD – auch aufgrund ihres politischen Einflusses und ihrer öffentlichen Sichtbarkeit. Besonders im Ringen um das Auswärtige Amt bringen sich bereits interessierte Politiker in Stellung, machen Werbung in eigener Sache. Wer wird Nachfolger der noch amtierenden Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)? Die Gerüchteküche brodelt.
Auswärtiges Amt in Krisenzeit von besonderer Bedeutung
Das Auswärtige Amt (AA) zählt traditionell in der Hierarchie der Bundesministerien zu den Ressorts mit hervorgehobener Machtstellung. Die Außenministerin oder der Außenminister sind nach dem Bundeskanzler die Repräsentationsfigur des Landes – und das ist gerade in diesen Krisenzeiten von besonders hoher Relevanz.
Embed
Im Kanzleramt werden zwar die außenpolitischen Leitlinien vorgegeben, aber es ist Aufgabe des Außenamts, diese Politik umzusetzen. Es steuert multilaterale Diplomatie (UN, EU, G7, Nato), Krisenmanagement (Geiseln, Kriege, Konflikte), außenpolitische Narrative in der Öffentlichkeit und die außenpolitische Agenda Deutschlands in Europa. Das ist angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Konflikte mit US-Präsident Donald Trump von großer Bedeutung.
Wissen ist Macht. Das AA verfügt über genaue internationale Lagebilder und kann auf zahlreiche Auslandsvertretungen zurückgreifen. Das macht Außenministerinnen und Außenminister öffentlich sichtbar – und für einige wurde das Ministerium zum Sprungbrett. Willy Brandt wurde Bundeskanzler, Frank-Walter Steinmeier ist Bundespräsident und Joschka Fischer war gleichzeitig Außenminister und Vizekanzler. Hans-Dietrich Genscher stieg nach seiner Zeit im Amt zwar nicht mehr politisch auf, erreichte aber in der Wendezeit Legendenstatus.
Wer tritt die Baerbock-Nachfolge an?
Wie groß der Einfluss des AA ist, hängt am Ende vom Regierungschef ab. Unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde ihm ein Bedeutungsverlust nachgesagt, weil Merkel verhältnismäßig viel ihrer Außenpolitik auch vom Kanzleramt umsetzen ließ. Trotzdem waren ihre Außenminister öffentlich sichtbar, meistens auch sehr beliebt. Selbst Heiko Maas, der im Amt politisch nur wenige Akzente setzte, gehörte während Merkels letzter Amtszeit bis zur Krise in Afghanistan zu den beliebtesten Politikern in Deutschland.
Bei den künftigen Koalitionären von Union und SPD gibt es Einigkeit darüber, dass Kanzleramt und Auswärtiges Amt gut und eng zusammenarbeiten sollen. Eine Außenpolitik aus einem Guss sei besonders in diesen herausfordernden Zeiten wichtig, heißt es hinter den Kulissen. Also soll der künftige Außenminister oder die künftige Außenministerin möglichst keine außenpolitischen Richtungskonflikte mit dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) haben, so wie es bei Baerbock und Kanzler Olaf Scholz im ersten Jahr ihrer Regierungszeit der Fall war.
Im politischen Berlin werden folgende Politiker als mögliche Nachfolger von Baerbock gehandelt:
Johann Wadephul (CDU)
Das Auswärtige Amt gilt für die Union als Verhandlungsmasse, erfuhr t-online aus Kreisen von Union und SPD. Demnach bestehen Merz und CSU-Chef Markus Söder also nicht unbedingt auf die Besetzung des AA. Eigentlich wollten sich CDU und CSU das Verteidigungsministerium sichern, das mit Blick auf die großen geopolitischen Herausforderungen und nach der Aufweichung der Schuldenbremse nun über nahezu unbegrenzte Ressourcen verfügen könnte. Doch es verdichten sich die Hinweise, dass der noch geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Amt bleiben wird. Sollte die CDU im Gegenzug das Auswärtige Amt bekommen, ist Unionsfraktionsvize Johann Wadephul momentan der Favorit auf den Posten des Außenministers.
- Interview mit Johann Wadephul: "Trump droht sogar uns" (Februar 2025)
Was für Wadephul spricht: Er war in der Unionsfraktion für Verteidigung und Auswärtiges zuständig und gilt als Vertrauter von Friedrich Merz. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt scheint mit Wadephul als Minister garantiert. In der vergangenen Legislatur soll er fast alle außenpolitischen Anträge der Union im Bundestag geschrieben haben, heißt es. Merz setzt ihn in den Koalitionsverhandlungen bereits als Verhandlungsführer der CDU in der Arbeitsgruppe Außen, Verteidigung, Entwicklung und Menschenrechte ein. Ein Signal mit Blick auf seine Zukunft?
Was gegen Wadephul spricht: Der 62-jährige Jurist ist der Öffentlichkeit noch vergleichsweise unbekannt und scheint im Ausland bis jetzt nicht so gut vernetzt wie andere Kandidaten zu sein. Wadephul hat bei der Führung eines Ministeriums bislang keine Erfahrung.
Armin Laschet (CDU)
Je mehr das Pendel in Richtung Wadephul ausschlägt, desto mehr scheint der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet Eigenwerbung in eigener Sache zu machen. Laschet begleitete Baerbock zuletzt bei ihrem Besuch in Syrien. Auf der Reise sprach er über die deutsch-syrische Zusammenarbeit in der Zukunft, nahm an Hintergrundgesprächen teil und beantwortete Fragen von Journalisten. War diese Reise eine Staffelstabübergabe? In einem "Bild"-Podcast sagte Laschet Ende März: "Also ich mache eigentlich, seit ich politisch tätig bin, Außenpolitik. Ob wir das Auswärtige Amt kriegen, ist ja offen. Das ist seit 60 Jahren nicht mehr von der CDU besetzt worden."
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Was für Laschet spricht: Der ehemalige Kanzlerkandidat der Union hat Regierungserfahrung, er gilt als ministrabel. Laschet ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und seit 2022 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Ein besonderer Fokus seiner Politik lag auf der Zusammenarbeit in Europa und besonders auf den deutsch-französischen Beziehungen. Angesichts der Bedrohung durch Russland und der Konflikte mit Trump wird die Europapolitik in der nächsten Legislatur wohl einen größeren Stellenwert einnehmen.
- Interview mit Armin Laschet: "Das würde ich nicht akzeptieren" (Februar 2025)
Was gegen Laschet spricht: Die CDU hat ein NRW-Problem. Laschet kommt wie Merz, Carsten Linnemann, Jens Spahn und Karl-Josef Laumann aus Nordrhein-Westfalen. Auch Norbert Röttgen, dem Außenseiterchancen auf das Außenamt ausgerechnet werden, kommt aus NRW. Merz muss bei seiner Kabinettsbildung auch den Länderproporz seiner eigenen Partei berücksichtigen. Wadephul kommt aus dem Landesverband Schleswig-Holstein, was ein entscheidender Vorteil sein könnte. Aus der Union ist außerdem zu hören, dass Laschet sich in die zweite Reihe des Bundestags zurückgezogen und nach seiner Wahlniederlage zu wenig zur Neuaufstellung der Union beigetragen habe.
Boris Pistorius (SPD)
Die Union könnte erstmals seit 1966 das Auswärtige Amt besetzen, es wäre eine Zäsur. Doch die Ressortaufteilung entscheidet sich am Ende der Koalitionsverhandlungen, es kann sich noch vieles ändern. Als ausgemacht gilt, dass die Sozialdemokraten das Finanzministerium für sich proklamieren werden. Da der noch geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius offenbar nicht Finanzminister werden möchte, könnte er am Ende Außenminister werden, sollte die Union doch die Verteidigung bekommen.
Was für Pistorius spricht: Er ist international gut vernetzt, hat Regierungserfahrung. In sicherheitspolitischen Fragen arbeitete er eng mit Baerbock zusammen, beide stellten sich hinter die militärische Unterstützung für die Ukraine und warben für eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der Nato. Pistorius könnte diese Politik als Außenminister weiterführen. Er gilt aktuell als beliebtester Politiker in Deutschland. Das Auswärtige Amt könnte für ihn zum Sprungbrett für eine SPD-Kanzlerkandidatur werden.
Was gegen Pistorius spricht: Er möchte eigentlich Verteidigungsminister bleiben und seine Amtsführung wird nicht nur in der Bundeswehr geschätzt, sondern auch in der Union, heißt es. Deswegen wäre ein Außenminister Pistorius nur denkbar, wenn die SPD sein jetziges Ministerium in den Verhandlungen abgeben muss.
Was will das Auswärtige Amt?
Ministerien haben natürlich auch immer ein Eigenleben. Aus dem AA selbst schaut man durchaus mit Sorge auf die aktuellen Gerüchte. Baerbock hat als Außenministerin in der vergangenen Legislatur zwar in der Öffentlichkeit sehr polarisiert, aber sie setzte sich auch für die Eigenständigkeit des Ministeriums ein. So holte sie die Klimaaußenpolitik ins Auswärtige Amt und wollte unter Federführung des Ministeriums einen Sicherheitsrat etablieren.
Letzteres klappte nicht. Merz scheint nicht nur den Sicherheitsrat im Kanzleramt verankern zu wollen, sondern wird wahrscheinlich auch ein Kanzler mit einer stärkeren außenpolitischen Handschrift werden, als Olaf Scholz es war. Deshalb ist es gut möglich, dass das AA Kompetenzen abtreten muss und an Budget verlieren könnte.
Intern galt Baerbock im Auswärtigen Amt als beliebt. Die noch geschäftsführende Außenministerin rief zwar auch Unmut hervor, weil sie ihre öffentlichen Auftritte und ihre Medienpräsenz vergleichsweise stark kontrollierte. Dennoch brachte sie dem AA in der vergangenen Legislatur viel Aufmerksamkeit. Die Sorge vor einem Bedeutungsverlust führt dazu, dass sich einige Mitarbeiter erneut einen Minister oder eine Ministerin mit Strahlkraft wünschen. Wer mit Mitarbeitern aus dem Außenministerium spricht, hört immer wieder einen Namen: Boris Pistorius.
- faz.net: Bei den Ministerämtern könnte es dicke Überraschungen geben
- spiegel.de: Wird dieser Mann Außenminister?
- deutschlandfunk.de: CDU-Außenpolitiker Wadephul: "Was mit Russland möglich ist, hängt von Russland ab"
- fr.de: Ministerposten-Zuteilung könnte für Überraschungen sorgen
- merkur.de: Wer regiert nach der Bundestagswahl? Diese Minister stehen für Merz’ Kabinett bereit
- tagesspiegel.de: Armin Laschet bringt sich in Stellung
- bild.de: Sind Sie Deutschlands nächster Außenminister, Herr Laschet?
- Eigene Recherche