Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Ist Donald Trump ein russischer Agent?

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
es kostet mich einige Überwindung, schon wieder einen Tag mit Donald Trump anzubrechen. Vielleicht ergeht es Ihnen ähnlich. Man will eigentlich nichts mehr sehen und hören von diesem Mann, der lügt wie gedruckt, der andere Menschen demütigt und beschimpft, der wie ein Elefant durch den Porzellanladen der internationalen Politik trampelt und mit dem Hinterteil auch gleich noch das ganze Haus einreißt. Man wünscht sich, dieser ungehobelte Typ mit wasserstoffblond gefärbtem Resthaar, heiserer Besserwisserstimme, zu kleinen Händen und zu großem Ego würde sich damit begnügen, die Amerikaner verrückt zu machen. Sollen sie doch, die da drüben in ihrem Land der unbegrenzten Absonderlichkeiten.
Leider tut Mister Trump uns diesen Gefallen nicht. Stattdessen scheint es so, als habe er sich vorgenommen, das in jahrzehntelanger Arbeit geflochtene Regelwerk der internationalen Normen und das Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft binnen Tagen zu zerstören. Seit sechs Wochen regiert er jetzt zum zweiten Mal, der Donald, und hat in dieser kurzen Zeit so viel erledigt wie andere Regierungschefs in sechs Jahren nicht. Ich erspare es mir, Ihnen all die Ungeheuerlichkeiten noch mal aufzuzählen, sie können sie ja tagtäglich allerorten nachlesen. Lieber bringe ich sie auf den Punkt: Der amerikanische Präsident ist drauf und dran, die größte demokratische Macht der Geschichte zu zerstören – die Wertegemeinschaft der westlichen Staaten.
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Die Rücksichtslosigkeit, mit der Trump vorgeht, lässt sogar seine Freunde staunen. Es ist ja nicht so, dass der Lautsprecherpräsident nur eine 180-Grad-Wende im amerikanischen Verhältnis zu Russland vollzogen hat. Er wirft sich dem Kriegstreiber im Kreml regelrecht an den Hals. Seine Bewunderung für Putin ist offensichtlich, doch bei Schmeicheleien bleibt es nicht: Trump trifft Entscheidungen, die genauso gut in Moskau ersonnen worden sein könnten.
- Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben die USA unter Trump erstmals gemeinsam mit Russland und Nordkorea gegen Europa und die Ukraine gestimmt. Amerika hat die Seiten gewechselt, die westliche Phalanx ist perdu.
- Nach dem Eklat im Oval Office drohte Trump dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Konsequenzen. In der vergangenen Nacht hat der US-Präsident seine Drohung nun wahr gemacht: Jegliche US-Militärhilfe für die Ukraine wird bis auf Weiteres ausgesetzt. Der Schritt dürfte drastische Folgen für das von Russland angegriffene Land haben. Noch vor seiner heutigen großen Rede vor dem Kongress in Washington setzt Trump nun den Europäern die Pistole auf die Brust. Was es mit dieser Erpressung auf sich hat, berichtet unser Korrespondent Bastian Brauns. Sie lautet: Entweder ihr tanzt nach meiner Pfeife oder ihr tanzt ab jetzt allein. Militärexperten zufolge kann die Ukraine sich noch höchstens ein halbes Jahr lang mit dem bisherigen Material verteidigen, danach würde sie von Putins Todesschwadronen überrollt. Die europäischen Staaten wollen Kiew helfen, haben bisher aber weder einen schlüssigen Plan noch genügend Geld noch ausreichend Waffen. Die Überforderung in Berlin, Paris und London ist mit Händen zu greifen.
- Trumps Kumpel Elon Musk droht, den Ukrainern den Zugang zu seinem Satelliten-Internetsystem Starlink zu sperren. Dann wären sie auf dem Schlachtfeld nahezu blind und die russischen Truppen hätten freie Bahn. Auch die amerikanischen Geheimdienstinformationen für Kiew sollen wegfallen, wenn Kiew nicht dem amerikanischen Vertrag zur Ausbeutung ukrainischer Rohstoffe zustimmt. Damit wäre das Land endgültig wehrlos.
- Trumps Leute wollen die eingemottete russisch-deutsche Gas-Pipeline Nord Stream 2 wiederbeleben. Helfen soll dabei ein ehemaliger ostdeutscher Stasi-Offizier: Matthias Warnig gilt als Putins ältester deutscher Freund und ist auch mit Altkanzler Gerhard Schröder bestens vertraut. Mein Kollege Christoph Cöln hat die Details.
- Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth hat angeordnet, die amerikanischen Gegenattacken zur Abwehr russischer Cyberangriffe einzustellen. Auch auf dem digitalen Schlachtfeld kuscht die mächtigste westliche Macht vor dem Kreml.
- Trump will amerikanischen Medienberichten zufolge gemeinsam mit russischen Oligarchen riesige Immobilienprojekte lancieren. Sogar die Trümmerwüste Gaza spielt dabei eine Rolle.
Ich könnte noch mehr ungewöhnliche Entscheidungen des neuen US-Präsidenten aufzählen, aber schon die bisherigen ergeben ein Bild: Donald Trump entscheidet so, dass es Putins Regime hilft. Das wirft mehr Fragen auf, als in einen Tagesanbruch passen, weshalb ich es dabei belassen möchte, auf zwei Umstände hinzuweisen:
Zum einen zeigte Trump schon während seiner ersten Amtszeit eine auffällige Nähe zu Russland. Er äußerte sich wiederholt positiv über Putin und setzte sich für eine Wiederaufnahme Russlands in die G7 ein – sogar nach Moskaus Annexion der Krim 2014. Sein Wahlkampfteam unterhielt zahlreiche Kontakte zu staatsnahen Russen. Als die amerikanischen Geheimdienste russische Manipulationen der US-Wahl aufgedeckt hatten, stritt Trump dies rundheraus ab und verkündete, er glaube lieber Putin.
Zum zweiten pflegte Trump bereits in seinen Jahren als New Yorker Immobilienhai eine Moskau-Connection: Mit seiner Firma suchte er seit den 1980er Jahren Geschäftschancen in Russland; russische Oligarchen investierten in seine Immobilien. Der ehemalige Spion Christopher Steele äußerte in einem Geheimdossier die Vermutung, der Kreml könne kompromittierende Informationen über Trump besitzen, etwa zu unappetitlichen Sexkontakten und dubiosen Geschäftsverbindungen. Belegt wurde dieser Verdacht nie, entkräftet auch nicht.
Ins Bild passt er so oder so. Ein Bild, das nun durch neue Verdachtsmomente vervollständigt wird: Der ehemalige sowjetische Geheimdienstoffizier Alnur Mussajew behauptet, Trump sei vor fast 40 Jahren vom KGB angeworben und unter dem Codenamen "Krasnow" geführt worden. Meine Kollegen Bastian Brauns und Lars Wienand haben die Hintergründe.
Demnach nahm der KGB Trump während seines Besuchs in Moskau und Leningrad im Jahr 1987 ins Visier und ermutigte ihn dazu, in die amerikanische Politik zu gehen. Weitere Quellen stützen den Verdacht, dass die Sowjets den New Yorker Geschäftsmann umwarben, indem sie an sein Ego und seine Geschäftsambitionen appellierten. Die russische Mafia soll Trump durch einen überteuerten Immobiliendeal vor dem Konkurs gerettet haben. Nach seiner Moskau-Reise schaltete Trump plötzlich ganzseitige Anzeigen in amerikanischen Zeitungen, in denen er die US-Außenpolitik und die Nato kritisierte. Exakt dieselben Positionen vertritt er bis heute.
Bemerken Sie das Muster? Schon richtig, es gibt keine Beweise, dass Donald Trump tatsächlich ein russischer Agent ist. Es gibt nur Indizien für seine ungewöhnliche Nähe zu Putins Clique. So viele Indizien allerdings, dass sich sein Verhalten nicht allein mit den üblichen Vokabeln "narzisstisch", "egomanisch", "unberechenbar" erklären lässt.
Im Gegenteil: Wie der amerikanische Präsident dem russischen Diktator mittlerweile aus der Hand frisst, das erinnert an das Verhältnis eines Schuldners zu seinem Gläubiger. Selbst wenn man den Gedanken, Trump sei ein russischer Agent, als absurd verwirft – zumindest wie einen Paten behandelt der neue Präsident in Washington den alten Präsidenten in Moskau. "Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher", sagt der Mafiaboss Don Vito im Filmklassiker "Der Pate". Don Wladimir könnte es nicht treffender formulieren.
Jeder Tag zählt
Seit dem Eklat beim Selenskyj-Besuch in Washington stehen die Sondierungen von Union und SPD für eine schwarz-rote Koalition unter noch größerem Druck. Angesichts der alarmierenden Weltlage braucht Deutschland so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung, vor allem aber muss die Finanzierung weiterer Ukraine-Hilfen und der Bundeswehr-Aufrüstung geklärt werden. Immerhin scheinen die Verhandler den Ernst der Lage endlich erkannt zu haben und geben Gas.
Diskutiert werden zwei neue Sondervermögen: enorme 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr und noch mal so viel für die Infrastruktur. Weil die Beträge im Grundgesetz verankert werden müssten, wofür im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, erwägen Union und SPD, die Entscheidung noch im bisherigen Parlament zu fällen. Denn im künftigen Bundestag, der sich bis spätestens 25. März konstituieren muss, haben AfD und Linkspartei eine Sperrminorität. CDU-Chef Friedrich Merz will die Finanzfragen noch vor dem EU-Gipfel am Donnerstag klären.
Mannheim unter Schock
Schon wieder ein Auto-Anschlag: In der Mannheimer Fußgängerzone ist gestern Mittag ein Autofahrer in eine Menschenmenge gerast. Mindestens zwei Personen starben, mehrere wurden schwer verletzt. Anders als bei den Amokfahrten von Magdeburg und München hat der Attentäter keinen Migrationshintergrund: Der tatverdächtige Mann, ein 40-jähriger Deutscher aus Rheinland-Pfalz, soll psychisch krank sein. Er wurde festgenommen und liegt verletzt im Krankenhaus.
Für die 320.000-Einwohner-Stadt im Norden Baden-Württembergs ist es schon das zweite traumatische Ereignis binnen Jahresfrist: Am 31. Mai 2024 hatte der Afghane Sulaiman A. auf dem Mannheimer Marktplatz den Polizisten Rouven Laur erstochen und fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa schwer verletzt. Derzeit läuft am Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim der Prozess gegen den Sympathisanten der Terrororganisation "Islamischer Staat".
Bild des Tages
Der Herr rechts im Bild heißt Mark Hoppus und klampft in der kalifornischen Rockband Blink 182. Er besitzt ein Gemälde des mysteriösen britischen Malers Banksy, das Sie links im Bild sehen. Heute lässt er es vom Auktionshaus Sotheby's für mehrere Millionen Pfund versteigern. Die Frisur passt jedenfalls.
Ohrenschmaus
Wie die Zeit vergeht! 60 Jahre alt wird Maximilian Lenz heute. Berlin kann ich mir ohne Westbam gar nicht mehr vorstellen.
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In Rom kursieren Gerüchte über Pläne von Franziskus, das Papstwahlverfahren entscheidend zu verändern. Mein Kollege Philipp Heinemann hat den Vatikan-Experten Andreas Englisch gefragt, was an den Spekulationen dran ist.
Zum Schluss
Der Donald hat ein Problem.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.
Herzliche Grüße und bis morgen
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
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Mit Material von dpa.