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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Niedergang des Westens "Trump wird sein Versprechen nie einhalten können"
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Die USA und Europa verlieren an Macht, das kommt John Rapley bekannt vor. Dem Westen ergehe es nun wie einst den Römern, warnt der Politökonom. Jetzt müsse ein gewaltiger Fehler vermieden werden, rät Rapley.
Alte Bündnisse wanken, die Wirtschaft lahmt, und der Populismus feiert Erfolge: Deutschland steckt in großen Schwierigkeiten, so wie der Westen insgesamt. Denn nicht nur Russland demontiert die liberale Weltordnung, Donald Trump will die USA brachial zu alter "Größe" führen. Damit dürfte Trump wenig Erfolg haben, prognostiziert John Rapley, Politökonom und Co-Autor des Buchs "Stürzende Imperien. Rom, Amerika und die Zukunft des Westens".
Warum ist das Streben nach alter Größe so gefährlich? Weshalb sollten Deutschland, die USA und der Westen tunlichst die Fehler des Römischen Reiches vermeiden? Und warum irrte sich Guido Westerwelle einst mit der "spätrömischen Dekadenz" gewaltig? Diese Fragen beantwortet John Rapley im Gespräch.
t-online: Herr Rapley, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 schien der globale Siegeszug des Westens unaufhaltsam zu sein, heute wirkt er wie ein Imperium im Niedergang. Wie konnte es dazu kommen?
John Rapley: Der Westen steigt tatsächlich ab, das wirkt nicht nur so. Es ist noch gar nicht lange her, dass der Westen auf dem Höhepunkt seiner Macht für 80 Prozent der Weltwirtschaftsleistung gesorgt hat. Heute sind es nach der Weltfinanzkrise 2008 und ihren Folgen noch 60 Prozent. In den Neunzigerjahren war das Selbstbewusstsein des Westens riesig, heute wird er von Selbstzweifeln und Ängsten geplagt. Während die Wirtschaft stagniert, nimmt die politische Spaltung zu: Die Geschichte hat den Rückwärtsgang eingelegt. Da sollten wir uns nichts vormachen.
Der Westen ist nicht das erste Imperium, dem Derartiges widerfährt, wie Sie in Ihrem Buch "Stürzende Imperien" mit dem Althistoriker Peter Heather schreiben. Was hat das Ende des Weströmischen Reiches im Jahr 476 mit den USA und dem Westen rund 1.500 Jahre später zu tun?
Eine ganze Menge. Denn es existiert ein imperialer Lebenszyklus, für den sich immer wieder in der Geschichte Belege finden lassen. Zu Beginn eines Imperiums stehen wirtschaftliche Entwicklungen: Ein neues Reich generiert neue Wohlstandsströme, von denen der imperiale Kern profitiert. So weit, so gut. Allerdings profitiert nicht nur das Imperium von diesem Prozess, sondern auch seine Peripherie: Die Randgebiete erstarken, können sich ab einem bestimmten Punkt der Dominanz des Imperiums erwehren und dieses irgendwann herausfordern, wenn sich entsprechende politische Akteure finden. Diesen Zyklus – der vor allem von wirtschaftlich-politischen Prozessen dominiert wird – beobachten wir heute erneut im Falle der westlichen Industrienationen.
Zur Person
John Rapley begann seine akademische Laufbahn am Department of International Development in Oxford und beendete sie am Centre of Development Studies in Cambridge. Dazwischen lebte und arbeitete Rapley drei Jahrzehnte lang in Entwicklungsländern als Journalist, Wissenschaftler und Politikberater und war Mitbegründer der Denkfabrik Caribbean Policy Research Institute. Der gebürtige Kanadier, der auch die britische und jamaikanische Staatsbürgerschaft besitzt, lebt heute hauptberuflich als Schriftsteller. 2024 hat Rapley zusammen mit dem Historiker Peter Heather den Bestseller "Stürzende Imperien. Rom, Amerika und die Zukunft des Westens" veröffentlicht.
Wladimir Putin und Xi Jinping stellen dem Westen eindeutig die globale Machtfrage.
Russland tut dies auf kriegerischem Weg, ja, China setzt bislang auf andere Instrumente, darunter vor allem die Wirtschaft. Der Westen wiederum hat seinen ökonomischen Höhepunkt überschritten, das kann niemand mehr leugnen. Imperien wie Rom erlebten Phasen von Aufstieg und Niedergang, das ist auch heute im Falle des Westens nicht anders. Wir stehen nicht vor dem Ende, müssen aber gewaltig aufpassen. Da können wir vom Schicksal Roms einiges lernen.
Nun will sich Donald Trump mit der Parole "Make America Great Again" dem Niedergang der Vereinigten Staaten entgegenstellen. Hat er Chancen auf Erfolg?
Wir warnen ausdrücklich davor. Der Lebenszyklus eines Imperiums führt unweigerlich zu einem relativen Niedergang des imperialen Kerns. Jeder eher brachiale Versuch, diesen Niedergang zu stoppen und den Westen zu alter "Größe" zurückzuführen, wird den Prozess wohl noch beschleunigen. Wir haben das in Großbritannien beobachtet: Seit dem Brexit hat sich das Land eher rückentwickelt. So kann es auch anderen Staaten ergehen, wie den USA: Wenn die westlichen Länder versuchen, ihre einstige Größe wiederherzustellen, indem sie so weitermachen wie früher, wird sich ihr relativer Niedergang in einen absoluten Niedergang verwandeln. Trump wird sein Versprechen nie einhalten können.
Trump geht wenig zimperlich vor, er brüskiert alte Verbündete wie die Kanadier und Europäer, droht immer wieder mit Strafzöllen. Wie riskant ist dieses Vorgehen?
Das ist ziemlich riskant. Wenn Trump alles durchzieht, was er angekündigt hat, könnten die Folgen heftig sein. Ich rechne zum Beispiel mit einer erheblichen Marktkorrektur, auch ein Absturz der Börsen ist durchaus möglich oder zumindest eine starke Abschwächung des Wirtschaftswachstums. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Wirtschaftskrieg mit China um die Rückeroberung des amerikanischen Anteils an den weltweiten Produktionskapazitäten zu einem weiteren Rückschritt führen wird. Die USA laufen wirklich in diese Gefahr. Das Team um Donald Trump, aber auch zahlreiche amerikanische Wirtschaftsanalysten beachten einfach eine Tatsache zu wenig.
Welche?
Amerikas Wirtschaft und deren Erfolg hängen unmittelbar mit den Beziehungen zum Rest der Welt zusammen. In den späten Neunzigerjahren floss während der Asienkrise sehr viel Geld der Reichen und Wohlhabenden aus den Entwicklungsländern in den vermeintlich sicheren Hafen USA. Damals befanden sich die USA und der Westen auf dem Höhepunkt. Die amerikanische Wirtschaftspresse führte das auf die neuen Technologien im digitalen Bereich zurück, während es in Wirklichkeit die Geldflut aus Asien gewesen ist. Dann platzte 2000 die Dotcom-Blase, später kam es zum Immobiliencrash in den USA. Nun ist erneut sehr, sehr viel Geld in die Vereinigten Staaten geflossen. Das ist äußerst bedrohlich, denn die jüngsten Indikatoren deuten wieder einmal darauf hin, dass sich der Geldstrom umzukehren beginnt. Aus diesem Grund haben die europäischen und asiatischen Aktienmärkte begonnen, sich besser zu entwickeln als der amerikanische: Das Geld kehrt nach Hause zurück.
Weil Donald Trump sich auch in Sachen Wirtschaft unberechenbar gebärdet?
Trump hat dieses Faible für Zölle, die Europäer sind wohl als nächstes dran. Er will auch die Beziehungen zu anderen Ländern reduzieren. Wie sich die Zeiten und die USA verändert haben, zeigt deutlich, wie Trump und Vance gerade mit Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus umgegangen sind. Das kann entscheidende Prozesse in Richtung Krise hin beschleunigen: Also, ja, es besteht ein echtes Risiko für einen schweren wirtschaftlichen Unfall.
Trump hat zudem reichlich diplomatisches Porzellan zerschlagen, als er Ambitionen auf Grönland äußerte – und auch Ihr Geburtsland Kanada will er als Teil der Vereinigten Staaten sehen.
Das kann Trump gerne versuchen. Gesetzt den Fall, dass sich die USA Kanada einverleiben: Dieser Schritt würde garantieren, dass nie wieder ein Republikaner Präsident wird. Denn meine kanadischen Landsleute wählen traditionell weit linker als es die Amerikaner tun. So etwas wird also nicht passieren, weil es einfach Unsinn ist. Kanada, Gaza oder auch Grönland: Es gibt zahlreiche Analysten, die eine kohärente Strategie in Trumps Äußerungen suchen. Tatsächlich erscheint es mir wahrscheinlicher, dass Trump einfach von einer Idee zur nächsten springt. Aber falls der Kauf Grönlands tatsächlich ernst gemeint ist, würde das Verfahren sicher länger als Trumps Amtszeit dauern. Also wird auch daraus eher nichts.
Todernst nimmt Trump hingegen die Rivalität mit dem aufstrebenden China. Lohnt sich auch hier der Vergleich mit dem Römischen Reich, das im Konflikt mit der antiken Supermacht der persischen Sassaniden seine Kräfte verschliss?
Dazu hat mein Mitautor Peter Heather einen interessanten Standpunkt: Die Römer haben diesen langjährigen Konflikt gegen die Sassaniden, der ihre Legionen und Ressourcen dezimierte, als einen "war of choice" geführt. Es war also ein Krieg aus freien Stücken, kein Krieg aus Notwendigkeit. Die Römer hatten ihn gar nicht nötig. Warum kämpften sie dann aber? Es geschah aus Hybris, aus der Entschlossenheit, weiter die dominierende Macht in der Welt bleiben zu wollen – die Römer duldeten keinen Rivalen. Das sollte uns heute gefährlich bekannt vorkommen.
Zugleich schwächte der Dauerkrieg im Nahen Osten Rom, während an anderen Grenzen ebenfalls Krisen herrschten.
Die Römer haben ihre Ressourcen erschöpft, sie verfügten dann nicht mehr über die Kapazität, Invasionen standzuhalten. So wurden sie überwältigt. Trump und die Amerikaner sollten sich sehr genau überlegen, wie das zukünftige Verhältnis zu China aussehen soll. Wirtschaftlich sind die USA und China enorm aufeinander angewiesen und eng verflochten: Jede Maßnahme, jeder Peking zugefügte Schaden wird auch für die USA Konsequenzen haben. Es ist keineswegs sonderlich weise, eine aufstrebende und konkurrierende Supermacht durch offenen Konflikt zur Wahrung der eigenen Hegemonie in die Schranken weisen zu wollen. Das lehrt uns die antike Geschichte: Am Ende gingen die Reiche der Römer und Sassaniden gleichermaßen zugrunde.
China gebärdet sich aggressiv, in dem es zum Beispiel das demokratische Taiwan bedroht. Zugleich ist die chinesische Marine zumindest auf dem Papier mittlerweile die größte der Welt, während Peking rund um die Welt Einfluss ausüben will. Sollen die USA und der Westen das hinnehmen?
Der Westen sollte nicht alles hinnehmen. Ich wahre gegenüber China eine kritische Haltung. Wir sollten aber bedenken: Vieles von dem, was China tut, wirkt kriegerisch und besorgniserregend, stellt allerdings eine Wiederbelebung seiner traditionellen Interessen dar. China war über Jahrtausende eine vorherrschende Macht, zu ihrem Niedergang trugen die imperialistischen europäischen Mächte bei. Worauf will ich hinaus? Es gibt aus verständlichen Gründen große Bedenken wegen der zunehmenden Militarisierung des Südchinesischen Meeres. Als Großbritannien 2019 seinen neuen Flugzeugträger in Dienst stellte, wollte ihn der damalige Verteidigungsminister sogleich als Warnung an die Chinesen ins Südchinesische Meer schicken.
China zeigt Ambitionen, diese für die Weltwirtschaft so wichtige Region kontrollieren zu wollen.
Aber wie würde die Welt reagieren, wenn die Chinesen ihrerseits die Entsendung eines ihrer Flugzeugträger in den Ärmelkanal ankündigen würden, damit sich die Briten an die Regeln halten? China wird ein immer wichtigerer Akteur im Fernen Osten – wirtschaftlich sowieso, aber auch militärisch. Daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass die USA China den Zugang zu bestimmten Mikrochips verweigern.
Was ist Ihr Ratschlag?
China ist wieder mächtig geworden. Darauf sollten die USA nicht mit offener Konfrontation reagieren, denn der Preis könnte zu hoch sein. Es gibt auch kaum Anzeichen dafür, dass China tatsächlich nach der Weltherrschaft strebt, selbst wenn das Land unter Xi Jinping aggressiver und chauvinistischer geworden ist. Ja, es gibt auch echte Herausforderungen, dazu gehört die Frage Taiwans, niemand im Westen kann wollen, dass dort die Demokratie wie in Hongkong geschleift wird. Schon gar nicht mit militärischen Mitteln. Zu den Herausforderungen gehören zudem verschiedene unfaire Handelspraktiken Pekings, gegen die sich die westlichen Länder zu Recht wehren. Gerade ihr Deutschen solltet daran Interesse haben.
Weil unsere Wirtschaft nach wie vor in der Krise ist?
Deutschland hat an einem Geschäftsmodell festgehalten, das so keine Zukunft hat. China hat wiederum massiv in seine Infrastruktur – und damit in seine Zukunft – investiert, während Deutschland die Schuldenbremse hat. Stattdessen muss Deutschland nun tief in die Tasche greifen, um nicht völlig den Anschluss zu verlieren. Als ich 1980 das erste Mal in Deutschland war, war die Deutsche Bahn legendär für ihre Pünktlichkeit. Und heute?
Sie empfehlen der kommenden Bundesregierung unter Friedrich Merz von der CDU also mindestens die Modifikation der Schuldenbremse?
Damit wäre sie gut beraten. Es ist so tragisch, was mit Deutschland passiert ist: Das Land wird nun einen hohen Preis für die Fehler der Vergangenheit zahlen müssen.
Wer hat versagt?
Nehmen wir die Autoindustrie in Deutschland, die mit dem Dieselskandal so viel Vertrauen verloren hat. Da hat die gesamte politische Klasse ein Auge zugedrückt. Tatsächlich lässt sich die Krise Deutschlands auf einen Nenner bringen: Angela Merkel.
Das müssen Sie erklären.
Verzeihen Sie, wenn ich mich zur Politik Ihres Landes äußere, aber ich glaube, dass Merkel keine gute Kanzlerin war. Von der falschen Strategie gegenüber Russland noch ganz abgesehen, hat Merkel zugelassen, dass die deutsche Infrastruktur noch schlechter wurde. Jetzt muss Deutschland schnell und kräftig investieren.
Stattdessen dominierte das Thema Migration den letzten Wahlkampf. Womit wir wieder beim Römischen Reich und seinem Untergang angelangt sind: Aus Kreisen der AfD wird vor "Barbaren" und "Völkerwanderung" gewarnt, die bereits einst Rom das Ende bereitet hätten.
Damit behaupten sie das Gleiche wie Trump in den USA, der in unkontrollierter Migration die Wurzel allen Übels sieht. Aber das ist ausgemachter Unsinn. Rom hatte es mit kriegstüchtigen Völkern wie den Hunnen zu tun, die über Feldherren wie Attila verfügten. Das ist doch ein ziemlicher Unterschied zu den Menschen, die heute etwa in kleinen Booten die Überfahrt über das Mittemeer riskieren. Die AfD in Deutschland, der Rassemblement National in Frankreich, Donald Trump in den USA, wo man auch hinschaut, der gemeinsame Nenner nahezu aller dieser nativistischen Bewegungen besteht darin, dass sie die Einwanderung reduzieren und in einigen Fällen sogar rückgängig machen wollen. Sie sehen darin eine Bedrohung. Aber angesichts der demografischen Lage in den westlichen Ländern ist eine weitere Einwanderung – durchaus kontrolliert – unumgänglich und im Sinne der Arbeitgeber.
Der Westen befindet sich in einer Sinnkrise, wie Sie sagen. Bei uns in Deutschland gibt es das geflügelte Wort von der "spätrömischen Dekadenz". Ist da etwas dran?
Dieser Ausdruck stammt vom früheren FDP-Chef Guido Westerwelle, nicht wahr? Tatsächlich kursiert die Legende, dass Rom vor seinem Ende innerlich geradezu kulturell verrottet sei. Zurück geht diese ganze Geschichte auf den Historiker Edward Gibbon …
… der seinen mehrbändigen Geschichtswälzer "Verfall und Untergang des Römischen Imperiums" schon im 18. Jahrhundert veröffentlicht hatte.
Genau. Für Gibbon begann der innerliche Verfall Roms, als es Fremde hineinließ: Übrigens eine interessante Mischung aus Christen und Barbaren wie Goten und Vandalen, die das Reich und seinen Lebenswillen letzten Endes angeblich haben erodieren lassen. Literarisch hat Gibbons Werk seinen Wert, wissenschaftlich ist es etwa durch die Arbeit meines Mitautoren Peter Heather und die anderer Forscher überholt. Rom ging keineswegs allein an "spätrömischer Dekadenz" zugrunde, sondern der Niedergang wurde durch Ereignisse an seiner kolonialen Peripherie vorangetrieben. Gibbons Einfluss reicht aber bis heute weiter, auch ein bekannter Historiker wie Niall Ferguson hat es falsch verstanden.
Bitte erklären Sie.
2015 kam es in Paris zu diesen furchtbaren Terroranschlägen, daraufhin veröffentlichte Ferguson einen Kommentar. Darin schrieb er, dass Europa nicht nur dekadent geworden sei, sondern auch "Fremde" hereingelassen habe. Gibbons lässt grüßen! Was ist die Folge aus Fergusons Argumentation und der ihm Gleichgesinnter? Mauern aufbauen, Grenzen kontrollieren, Fremde draußen halten und die nationalistischen Muskeln spielen lassen. Das ist Trumps Drehbuch. Nur leider irrt er sich gewaltig. Ein Beispiel: In den USA sind gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung illegale Einwanderer, gleichzeitig gehören diese Leute zu den produktivsten Arbeitskräften, soweit wir wissen. Selbstverständlich gibt es im Bereich Migration Probleme in den USA und in Europa. Das will ich gar nicht leugnen. Aber sie ist kaum imstande, unsere Zivilisation zu zerstören.
Was empfehlen Sie, damit der Westen aktuell in der brandgefährlichen Weltlage mit ihren Kriegen und Konflikten bestehen kann?
Der Westen hat einen gewaltigen Vorteil: seine Kultur. Sie ist eines der mächtigsten Elemente westlicher Macht. Ein Großteil der Welt ist davon geprägt. Welche Musik hören Studierende rund um den Globus bevorzugt? Die aus Amerika. Wer gibt in Sachen Mode den Ton an? Frankreich. Und welche Automarken gelten trotz aller Krisen und Skandale immer noch als Statussymbol? Die aus Deutschland. China exportiert seine Kultur nicht annähernd in gleichem Maße, weil sie einfach nicht über die Anziehungskraft der westlichen Kultur verfügt. Das ist eine weitere Analogie zum Römischen Reich: Die griechisch-römische Kultur war einst so dominant, dass wir noch heute davon zehren.
Was ist mit der handfesten Politik?
Mauern zu errichten, ist eine historisch ziemlich schlechte Idee. Das funktioniert einfach nicht. Vor allem müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass der Westen einen relativen Bedeutungsverlust erleidet. Das klingt verdammt hart, aber wenn dieser allerdings gut gemanagt wird, muss es nicht im Desaster enden. Wir werden durch die richtigen Entscheidungen unseren Lebensstandard halten können, der so viel mehr ist, als unsere Vorfahren hatten. Die westlichen Staaten können auch ihre Beziehungen zu den Ländern in Afrika ausbauen, so entständen neue Partnerschaften in dieser so fragil gewordenen Welt. Vor allem müssen die Politiker den Menschen in den westlichen Gesellschaften die Wahrheit sagen.
Welche?
Ohne sensationelle technische Neuerungen, die so nicht in Sicht sind, wird der Westen nie wieder derart wachsen wie in früheren Zeiten. Verbunden mit der Überalterung wird zudem mehr statt weniger Migration nötig sein. Wer soll sonst die Alterssicherung gewährleisten? Wer die Produktivität?
Eine letzte Frage: Das Römische Reich hatte Kaiser zuhauf, darunter waren große Staatsmänner und erfolgreiche Feldherren, aber auch Tyrannen, Hasardeure und Größenwahnsinnige. Gibt es einen römischen Kaiser, dem Donald Trump ähnelt?
Das ist eine gute Frage. Ich habe sie Peter Heather gestellt, der als Historiker bei der Beantwortung viel kompetenter ist. In gewisser Weise ähneln sie alle Trump, sagte mir Peter, denn das ideologische und zeremonielle Umfeld der Position als römischer Kaiser war so groß, dass absurder Größenwahn an der Tagesordnung war. Damit ist wohl alles gesagt.
Herr Rapley, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit John Rapley via Videokonferenz