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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hartnäckige Gerüchte Plant Franziskus eine Revolution im Vatikan?
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In Rom kursieren Gerüchte über geplante Reformen von Papst Franziskus, mit denen er das Papstwahlverfahren entscheidend verändern könnte. Doch was ist an den Spekulationen dran?
Gerüchte werden mal mit Absicht gestreut, mal entstehen sie, weil sie etwas vorankündigen. Und Gerüchte gibt es in Rom derzeit viele, auch hinter den hohen Mauern des Vatikans. Aktuell halten sich hartnäckig Spekulationen, Papst Franziskus wolle mit alten Regeln brechen. Und nicht mit irgendwelchen liturgischen Einzelheiten. Sondern mit Regeln, die das Verfahren der Papstwahl festlegen.
Den Gerüchten zufolge will Franziskus, der weiterhin wegen einer Lungenentzündung im römischen Gemelli-Krankenhaus behandelt wird, die irgendwann anstehende Wahl seines Nachfolgers beeinflussen.
Das wären die Änderungen
Wie die italienische Zeitung "Il Messaggero" berichtet, fürchten vor allem konservative Kardinäle, dass Papst Franziskus zwei entscheidende Änderungen durchsetzen könnte:
1. Die erforderliche Mehrheit: Ein neuer Papst muss vom Konklave mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Bei zurzeit 137 wahlberechtigten Kardinälen wären also mindestens 91 Stimmen notwendig. Franziskus wolle dies ändern, künftig soll eine absolute Mehrheit ausreichen. Also 69 Stimmen für einen Kandidaten.
2. Die Generalkongregationen: Während an der eigentlichen Papstwahl, dem Konklave, nur Kardinäle teilnehmen dürfen, die unter 80 Jahre alt sind, gilt dies nicht für die vorausgehenden Zusammenkünfte der Kardinäle. Diese Generalkongregationen finden ab dem ersten Tag der Sedisvakanz bis zum Einzug ins Konklave täglich statt. Und auch die älteren, nicht mehr wahlberechtigten Kardinäle nehmen an diesen Treffen teil, die eigentlich das Konklave vorbereiten sollen. Zuweilen soll dort aber bereits gehörig Einfluss auf das Wahlverhalten genommen werden. Den Berichten zufolge will Franziskus den Kreis der Teilnehmer reduzieren und nicht wahlberechtigte Kardinäle von den Generalkongregationen ausschließen.
Vatikan-Experte hält es inhaltlich für plausibel
Die beiden Änderungen werden in Rom als Angriff auf die konservativen Kräfte im Vatikan interpretiert. Der "Messaggero" zitiert einen nicht namentlich genannten langjährigen Kardinal: "Es ist durchaus denkbar, dass Franziskus gerade darüber nachdenkt, wer sein Erbe am besten fortsetzen kann."
Doch was ist dran an diesen Gerüchten? Vatikan-Experte Andreas Englisch hält sie zumindest für plausibel. "Franziskus hat zwar das Kardinalskollegium so umgebaut, dass sein voraussichtlicher Nachfolger seine Linie weiterführen sollte. Mit einer Wahlrechtsänderung könnte er aber auf Nummer sicher gehen", sagte Englisch zu t-online. In der Geschichte kam es immer wieder vor, dass sich zwei Lager im Konklave gegenüberstanden und keiner der jeweiligen Kandidaten eine Mehrheit fand. "Die Folge war dann oft ein Kompromisskandidat. Das will Franziskus auf jeden Fall vermeiden", so Englisch weiter. Eine Sperrminorität könne so vermieden werden.
An Rücktritt sei nicht zu denken
Und auch den zweiten Punkt hält Englisch für durchaus nachvollziehbar. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Franziskus selbst keine sonderlich guten Erfahrungen mit den Generalkongregationen gemacht hat." Tatsächlich gilt seit Jahren als ausgemacht, dass er bereits bei der Wahl seines Vorgängers der größte Konkurrent Benedikts XVI. war.
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Allerdings glaubt der Vatikan-Kenner und langjährige Korrespondent nicht, dass sich Franziskus gerade mit einer solchen Reform intensiv beschäftige. "Erstens tauchen solche Gerüchte seit Jahren immer wieder mal auf. Und zweitens bereitet er sich vielmehr darauf vor, aus dem Krankhaus in den Vatikan zurückzukehren und seine Aufgaben wieder aufzunehmen." An einen Rücktritt denke Franziskus erst recht nicht, so Andreas Englisch.
- Interview mit Andreas Englisch
- ilmessaggero.it: "Conclave, nuove regole di Papa Francesco per il successore: cosa cambia" (Italienisch)