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Bundesliga-Stars kämpfen für Demokratie: Wovor hatten sie Angst?


Tagesanbruch
Warum erst jetzt?

  • David Digili
MeinungVon David Digili

Aktualisiert am 28.02.2025 - 08:58 UhrLesedauer: 7 Min.
Einsatz für die Demokratie: Bayerns Musiala (li.) und Neuer.Vergrößern des Bildes
Einsatz für die Demokratie: Bayerns Musiala (l.) und Neuer. (Quelle: IMAGO/Noah Wedel/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

fünf Tage ist die Bundestagswahl heute nun schon her, und ich vertraue Ihnen ein kleines Geheimnis an: In diesen nachrichtenreichen Tagen vor und nach dem 23. Februar verzweifelt das Sportressort von t-online öfter an den Chefinnen und Chefs vom Dienst, die in der Redaktion dafür zuständig sind, die Artikel auf der Homepage zu gewichten und zu positionieren.

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TV-Duelle, Umfragen, Wahltag, erste Hochrechnungen, amtliches Endergebnis und dessen Folgen, dazu Chaos in den USA, der Krieg in der Ukraine, der Konflikt im Nahen Osten – für uns natürlich trotzdem völlig unverständlich, dass da für das Topspiel der 2. Fußball-Bundesliga oder die Biathlon-WM kein prominenter Platz ist. Immerhin aber, das sei zur Ehrenrettung erwähnt, geben sich die rührigen Kolleginnen und Kollegen alle Mühe, auch dem (unserem) Weltmittelpunkt Sport die ihm gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

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Bei aller verschmerzbaren Verzweiflung über die lieben Kolleginnen und Kollegen gibt es für uns auch Grund zur Freude. Mit etwas Pathos sogar Grund, ein wenig stolz zu sein – auf unser sportliches Hauptthema, den deutschen Profifußball. Denn Deutschlands populärster Sport, seine Klubs, seine Verantwortlichen, in erster Linie aber seine Stars, sie haben rund um die Bundestagswahl unter Beweis gestellt: Sie haben verstanden, worum es geht – und sich eindringlich für eine der fundamentalsten Bürgerpflichten jeder offenen Gesellschaft eingesetzt: den Erhalt der Demokratie.

Zeit wird es.

Von Torwart-Grande Manuel Neuer über dessen Teamkollegen beim FC Bayern München, Jamal Musiala und Serge Gnabry, bis zu Borussia Dortmunds Julian Brandt oder Meister und Pokalsieger Bayer Leverkusen mit Abwehrchef Jonathan Tah: Die mithin größten Namen im deutschen Fußball, dessen mitgliederstärksten Klubs und mehr haben vor dem Wahltag geworben für die so wichtige Partizipation, für Teilnahme, für politische Mitentscheidung.

"Deine Stimme zählt. Geh wählen. Bring dich ein", spricht beispielsweise Musiala mit ansteckend motiviertem Tonfall in die Kamera, und wenn es bei allem höchst erfreulichen Engagement einen Kritikpunkt gibt, dann den, dass die knackig kurzen Clips hauptsächlich über den Instagram-Kanal der in der Öffentlichkeit nicht ganz so präsenten Stiftung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in die Welt hinausgekabelt wurden. Possierliche 6.666 Follower kann dieser vorweisen. Immerhin wurde die auf die letzten Tage vor dem 23. Februar ausgelegte Aktion aber beispielsweise auch zusätzlich angetrieben durch den ungleich zugkräftigeren Account des FC Bayern, der stattliche 42,7 Millionen Abonnenten hat.

Die DFL und ihre 36 Profiklubs der 1. und 2. Bundesliga riefen am vergangenen Spieltag, der parallel zur Bundestagswahl stattfand, unter dem Hashtag #DemokraTEAM zur Wahl demokratischer Parteien auf, gegen Rassismus und Ausgrenzung. Vereine wie Schalke 04 oder Darmstadt 98 spielten in Sondertrikots mit entsprechendem Aufdruck.

Uli Hoeneß, der wortgewaltige Schutzpatron des FC Bayern München und irgendwie auch des ganzen deutschen Fußballs, sagte unmissverständlich bei t-online: "Es wird hoffentlich eine völlig neue Ära in der deutschen Politik geben. Wobei ich nie einen Hehl daraus gemacht habe, dass ich dabei auf keinen Fall die AfD meine", erklärte der 73-Jährige im lesenswerten Interview mit meinem Kollegen Julian Buhl. Zahlreiche weitere Klubs und Vereinsvertreter äußerten sich ähnlich.

Der stets aufrechte, frühere Freiburger Trainer Christian Streich erklärte noch Ende Januar bei einer Podiumsdiskussion: "Nie waren wir in Deutschland so frei wie heute und das müssen wir verteidigen, dafür braucht es Engagement!" Selbst der bisher – mit Verlaub – nicht als großer politischer Denker aufgefallene Ex-Nationalspieler Max Kruse postete am vergangenen Sonntag ein Video, in dem er zum Wählen aufrief. "Wir waren gerade in unserem Wahllokal. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich wähle", sagte der immerhin schon 36-Jährige, der aktuell beim Berliner Landesligisten Al-Dersimspor spielt, ganz stolz. Wählen sei "wichtig, einfach wichtig".

Der Fußball, der sich qua Selbstverständnis allzu gerne als gemeinschaftsstiftende Institution des öffentlichen Lebens produziert, hat seine in Deutschland konkurrenzlose Strahlkraft genutzt, um genau diese Gemeinschaft zu stützen und zu schützen.

Was dabei auffällt, ist eben, dass es auffällt.

Bleibt besonders an die Stars mit ihrer großen Reichweite auf diversen Internetplattformen die Frage: Warum erst jetzt in dieser Vehemenz? Wovor hatten sie Angst? War es die Furcht, auf ungewohntem Terrain schlimmstenfalls zu dilettieren? Schließlich ist nicht jeder Fußballprofi ein rhetorisches Naturtalent wie Thomas Müller, der selbst dann noch informativ, eloquent und unterhaltsam zu antworten vermag, wenn ihm schon Sekunden nach Schlusspfiff ein übereifriger Field-Reporter den Mikrofonpuschel ins Gesicht drückt, während er noch hastig in eine Pferdedecke gewickelt wird.

"Natürlich kann man sagen: Es gibt bei uns heute zu wenig Personen aus dem Sport, die sich einsetzen", erklärte mir erst unlängst der wunderbare Ewald Lienen im Gespräch. Lienen muss es wissen: Der 71-Jährige war schließlich der erste deutsche Profifußballer, der sich schon zu aktiven Zeiten regelmäßig und lautstark politisch zu Wort gemeldet hat – und das auch heute noch tut. Er ist ein streitbarer, kritischer Geist und Kämpfer für eine in allen Belangen gerechtere, bessere Welt geblieben.

"Das Echo wäre heutzutage ein ganz anderes", meinte er aber auch und warf einen Blick auf die (un-)sozialen Medien: Personen des öffentlichen Lebens, die sich politisch äußerten, würden "sofort Ziel eines Shitstorms und unablässig attackiert – das muss man erst mal aushalten. Auch deshalb scheuen sich viele vor einem öffentlichen Engagement."

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Einer, der sich wiederholt eben nicht scheute, ist Nationalspieler Leon Goretzka. Der heute 30-Jährige bewies und beweist Rückgrat – und das nicht nur durch ein beeindruckend breites Kreuz auf dem Platz. "Für mich ist es keine Alternative, sondern eine Schande für Deutschland", machte sich der Spieler des FC Bayern schon während der Corona-Pandemie gegen die AfD stark. "Hasskommentare bringen mich eher dazu, mich noch klarer zu positionieren."

Geistesbrüder finden Goretzka, Musiala oder Neuer auch im Ausland: Während der Europameisterschaft im vergangenen Jahr machten sich die französischen Nationalspieler für eine breite gesellschaftliche Front gegen den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Rassemblement National stark, der bei der Europawahl kurz zuvor über 30 Prozent erreicht hatte.

"Wir sind vor allem Bürger und nicht abgekoppelt von der Welt um uns herum und noch weniger, wenn es unser Land betrifft", brachte es Kylian Mbappé, der aktuell größte und populärste Spieler der "Équipe Tricolore" auf den Punkt. Er appellierte an alle Franzosen, aber vor allem die jungen: "Die Extremen stehen an der Tür zur Macht. Und wir können über die Zukunft unseres Landes entscheiden. Deshalb rufe ich alle jungen Leute dazu auf, zu wählen und sich bewusst zu werden, wie wichtig diese Situation ist."

Wie bedeutsam die Wortmeldung namhafter Persönlichkeiten sein kann, zeigt ein Beispiel aus den USA: Dem Aufruf von Musik-Weltstar Taylor Swift zur Wählerregistrierung im September 2024 folgten innerhalb von 24 Stunden über 400.000 Menschen, die sich daraufhin für die Präsidentschaftswahl im November des Folgejahres eintrugen. Verhältnisse wie in den aktuell unversöhnlich in zwei Lager gespaltenen, von Trumpisten zersetzten Vereinigten Staaten haben wir in Deutschland zwar Gott sei Dank (noch) nicht.

Dass das auch so bleibt, dazu sollten auch engagierte Stars aus dem Fußball beitragen. Sie haben gezeigt, dass sie genau das können und wollen.


Video des Tages

Mit Gene Hackman ist am Donnerstag einer der ganz Großen Hollywoods gestorben – unter noch ungeklärten Umständen. Er konnte auf einen der beeindruckendsten Lebensläufe der Filmgeschichte zurückblicken: French Connection, Erbarmungslos, Der Staatsfeind Nummer eins, Schnappt Shorty, Die Royal Tenenbaums, Mexican, Hoosiers, Die Firma, Crimson Tide, Birdcage, und und und – der zweifache Oscar-Preisträger gehörte über vier Jahrzehnte lang zu den wandlungsfähigsten und vielseitigsten Schauspielern.

Zur Erinnerung hier eine beeindruckende Szene aus dem beklemmenden Rassismus-Drama "Mississippi Burning".


Sie sprechen miteinander

Wird jetzt der Grundstein für die nächste schwarz-rote Koalition gelegt? Union und SPD wollen noch an diesem Freitag die Sondierungen für eine gemeinsame Bundesregierung beginnen. Ein erstes Gespräch sei geplant, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen. Zuerst hatte die "Bild" über den Termin berichtet.

Auch das Team, das für die Sozialdemokraten in die Verhandlungen geht, soll bereits feststehen. Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen aus dem Politik-Ressort halten Sie über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.


Treffen in Washington

US-Präsident Donald Trump empfängt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heute im Weißen Haus. Nach Angaben von Trump wird Selenskyj eine Vereinbarung mit den USA unter anderem über Seltene Erden unterzeichnen.

Washington will Zugriff auf ukrainische Rohstoffvorkommen bekommen. Dies soll eine Gegenleistung sein für bisher gewährte Hilfen bei der Abwehr der vor drei Jahren begonnenen russischen Invasion.

Selenskyj betonte vorab, dass es sich vorerst nur um ein Rahmenabkommen handele. Und Trump? Der ist nach seiner empörenden Verklärung des ukrainischen Regierungschefs zum "Diktator ohne Wahlen" erst mal zurückgerudert.


Das historische Bild

Die berühmte Viktoria thront eigentlich auf der Siegessäule in Berlin. Doch 1939 verließ sie ihren Standort. Mehr lesen Sie hier.


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Linke und Grüne empören sich über eine Anfrage von CDU und CSU zur Finanzierung von Organisationen. Völlig unberechtigt, kommentiert mein Kollege Florian Schmidt: Transparenz für die Steuerzahler ist wichtig.


Friedrich Merz legt los, als sei er schon zum Bundeskanzler gewählt. Mit erfrischendem Elan einerseits, kommentiert mein Kollege Christoph Schwennicke – und wundert sich andererseits über das seltsame Politikverständnis des CDU-Chefs.


Die Verlängerung mit Joshua Kimmich schien der nächste logische Schritt im Vertragsdomino des FC Bayern zu sein. Ende Februar ist plötzlich alles anders: Der deutsche Rekordmeister soll sein Angebot zur Verlängerung des aktuellen Arbeitspapiers an den 30-Jährigen zurückgezogen haben. t-online-Bayern-Reporter Julian Buhl kennt die Hintergründe und erklärt sie hier.


Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen einen Tag voller Optimismus und Zuversicht.

Ihr

David Digili
Redakteur Sport
Twitter @herrdigili

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Mit Material von dpa.

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