t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandUSA

Kein Anzug: "Selenskyjs Outfit wurde extra für Trump-Besuch gewählt"


"Extra für Weißes Haus gewählt"
Ukrainische Designerin verteidigt Selenskyj-Outfit

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

03.03.2025 - 20:15 UhrLesedauer: 5 Min.
US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem Weißen Haus am 28. Februar 2025.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem Weißen Haus am 28. Februar 2025. (Quelle: IMAGO/Carol Guzy)
News folgen

Weil Wolodymyr Selenskyj das Weiße Haus ohne Anzug im schwarzen Militärpullover betrat, brach in den USA ein Sturm der Empörung los. Die ukrainische Designerin seiner Kriegsgarderobe verteidigt die Wahl des Outfits im exklusiven t-online-Interview.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Loading...

Wenn ein Staatschef das Weiße Haus betritt, sollte das eigentlich keinen Eklat auslösen. Doch genau das ist am vergangenen Freitag geschehen. Dabei ging es nicht nur um den Streit zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einerseits und dem US-Präsidenten Donald Trump und seinem Vizepräsidenten J. D. Vance andererseits, ob Putin vertraut werden kann.

Weil Selenskyj in seinem schwarzen Militärpullover das Oval Office betrat, empörten sich konservative Kreise der USA: "Respektlos", nannten es einige, "unpräsidial", andere. Ein Reporter des rechtskonservativen, Trump-nahen Fernsehsenders RSBN ("Right Side Broadcasting Network") sprach den ukrainischen Präsidenten sogar auf seine Garderobe an während des öffentlichen Treffens.

Elvira Gasanova, die ukrainische Designerin hinter Selenskyjs Kriegsoutfits, spricht im exklusiven Interview mit t-online über die tiefere Bedeutung des militärisch inspirierten Looks, warum dieser für die Ukrainer so wichtig ist – und warum jetzt sogar Amerikaner den "Selenskyj-Look" bei ihr bestellen.

t-online: Frau Gasanova, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trägt Kleidung aus Ihrer Kollektion. Wann fing er an, Ihre Designs zu tragen?

Elvira Gasanova: Zuerst trug er ein militärisches T-Shirt, das stammte aber nicht aus unserer Kollektion. Wie Präsident Selenskyj in Interviews schon oft erwähnt hat, schenkten ihm die Soldaten entsprechende Kleidung. Die Outfits, die er am Anfang des russischen Einmarschs trug, stammten also direkt vom Militär. Im Laufe der Zeit entwickelte sich seine Garderobe weiter, und seine inzwischen ikonischen Pullover wurden Teil unserer Arbeit.

Können Sie erklären, warum er diese Art von Kleidung trägt?

Das ist ein ganz bewusstes und kraftvolles Statement. Das Outfit symbolisiert seine Solidarität mit den ukrainischen Soldaten und der Bevölkerung, die täglich ums Überleben kämpft. Es geht nicht nur um Komfort oder Praktikabilität – es geht darum zu zeigen, dass er einer von uns ist, kein abgehobener Politiker, der über den Dingen steht.

Was meinen Sie mit "über den Dingen stehen"?

Für uns Ukrainer ist sein Stil ein Symbol des Widerstands. Es zeigt, dass unser Präsident mit seinem Land in den dunkelsten Stunden zusammensteht – und nicht im Anzug in einem Büro sitzt, losgelöst von der Realität. Er ist ein Anführer an der Front – auf diplomatische Weise, nicht auf physische.

Empfohlener externer Inhalt
Instagram
Instagram

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Beim Eklat im Weißen Haus spielte seine Kleidung eine unerwartet große Rolle. Was genau trug er dort?

Seine Kleidung hat immer eine symbolische Bedeutung. Die wichtigsten Elemente sind dabei: dunkelgrüne oder schwarze Pullover, T-Shirts, Hoodies – was seine Verbindung zum Militär ausdrückt. Darauf abgebildet sind Aufnäher mit dem ukrainischen Wappen, Insignien der Streitkräfte oder Brigade-Embleme – ein Tribut an die Verteidiger unseres Landes. Taktische Militärhosen und Schuhe – das hat praktische Gründe und macht ihn einsatzbereit.

Haben Sie das Outfit vom Freitag speziell für den Auftritt im Weißen Haus entworfen?

Die schwarze Version seines Outfits wurde tatsächlich speziell für seinen Besuch im Weißen Haus ausgewählt. Sie verlieh seinem Look einen formelleren Ton, blieb aber dem militärischen Stil treu und unterstrich die Botschaft, dass die Ukraine ein Land im Krieg ist – und der Präsident kein gewöhnlicher diplomatischer Gast. Seine Garderobe entwickelt sich organisch weiter und passt sich der jeweiligen Situation an. Ob er Soldaten anspricht, mit Weltführern spricht oder durch befreite Städte geht – die Kleidung muss sowohl zum Mann als auch zum Moment passen.

Wann haben Sie von der Empörung darüber, dass er keinen Anzug trug, erfahren?

Ich habe es direkt in den Nachrichten und in den sozialen Medien gesehen. Die meiste Kritik kam von westlichen Konservativen, die an traditionelle politische Normen gewöhnt sind.

Haben Sie Verständnis dafür, dass viele Trump-Anhänger meinen, er sollte einen Anzug tragen?

Ich verstehe ihre Perspektive, aber ich kann ihr nicht zustimmen. Das war kein politisches Theater – es war ein Treffen mitten im Krieg und keine diplomatische Gala.

Ist die Kleidung wirklich so entscheidend für das Image eines Anführers in Kriegszeiten?

Kleidung hat eine kraftvolle visuelle Sprache, besonders in einem Krieg. Jedes Outfit vermittelt eine Botschaft – Stärke, Solidarität, Dringlichkeit. Ein Anzug kann Diplomatie signalisieren, doch in Kriegszeiten muss die Kleidung eines Anführers die Realität des Schlachtfelds widerspiegeln, nicht die eines Sitzungssaals. Sie signalisiert den Ukrainern und der Welt, dass er nicht von dem Kampf losgelöst ist; er lebt ihn, atmet ihn, führt ihn. Wie schon gesagt, Selenskyjs Garderobe soll Distanz verschwinden lassen – sie verbindet ihn mit dem Volk und macht deutlich, dass er nicht über ihnen steht, sondern einer von ihnen ist.

Heißt das, Sie stehen dazu im ständigen Kontakt mit ihm?

Es gibt eine ständige Zusammenarbeit mit seinem Team. Wir entwerfen nicht einfach nur Kleidung – wir gestalten Symbole, die mit seiner Führung und dem ukrainischen Freiheitskampf im Einklang stehen. Der Prozess ist hochgradig durchdacht – jedes Kleidungsstück muss bequem, praktisch und aussagekräftig sein. Es gibt keinen starren "Modeprozess" wie in kommerziellen Kollektionen. Der Ansatz ist funktional, mit subtilen, aber bedeutungsvollen nationalen Elementen wie dem Trysub (Dreizack) oder Brigadeabzeichen, die in das Design integriert werden.

Bekommen Sie Rückmeldungen vom Präsidenten?

Ja, es gibt Rückmeldungen – sowohl direkt als auch über sein Team. Aber Selenskyj ist kein Mann, der sich mit Mode beschäftigt. Seine Priorität ist immer die Botschaft, nicht das Material. Wenn etwas seinen Zweck erfüllt – wenn es bequem, praktisch ist und seiner Rolle entspricht –, dann funktioniert es. Manchmal werden kleine Details angepasst – vielleicht eine Stoffwahl, ein Emblem oder die Positionierung eines Abzeichens. Doch die Kernidee bleibt dieselbe: Führung durch Einfachheit und Stärke.

Loading...
Loading...

Nach dem Vorfall im Weißen Haus bestellen nun Menschen in den USA den "Selenskyj-Look". Warum passiert das Ihrer Meinung nach?

Ich denke, die Menschen wollen etwas tragen, das ihre Unterstützung für die Ukraine widerspiegelt.

Zur Person

Elvira Gasanova, Jahrgang 1991, ist eine ukrainische Modedesignerin und entwirft unter anderem die Kriegsgarderobe von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Ihr Label heißt Damirli. Sie lebt in Butscha, einer Stadt, die zum Symbol russischer Kriegsverbrechen während des Angriffskriegs wurde.

Wie ist es für Sie, dass Ihre Designs durch Selenskyj aus diesem verstörenden Anlass weltweit zum Thema geworden sind?

Es ist surreal. Als wir begannen, hätten wir nie gedacht, dass diese Kleidungsstücke zu globalen Symbolen des Widerstands werden würden. Zu sehen, wie Staatsoberhäupter, Aktivisten und gewöhnliche Menschen eine Version des "Selenskyj-Looks" tragen, ist eine Erinnerung daran, dass dieser Krieg nicht nur einer der Ukraine ist – es ist ein Kampf für Freiheit überall.

Freuen Sie sich über den Erfolg?

Es ist auch eine schwere Bürde. Diese Designs sind nicht nur Mode, sondern ein Zeugnis des Kampfes, der Widerstandskraft und des Leids, das die Ukraine durchlebt. Jedes Mal, wenn ich jemanden sehe, der sie trägt, denke ich: Möge dies eine Erinnerung sein, niemals von der Ukraine wegzusehen. Es ist eine Ehre – aber ich hoffe, dass wir eines Tages, wenn der Krieg gewonnen ist, etwas Neues entwerfen können. Etwas, das Sieg, Frieden und eine Zukunft ohne Krieg repräsentiert.

Sie leben in Butscha – einem Ort, der auf furchtbare Weise weltweit für Putins Kriegsverbrechen bekannt geworden ist. Wie hat der Krieg Sie persönlich getroffen?

Mein Leben hat sich für immer verändert. Auch nach der Befreiung blieb das Gefühl von Verlust und Schmerz. Jeden Tag sehen wir die Narben des Krieges – aber wir machen weiter, weil wir keine andere Wahl haben.

Es gibt immer mehr Druck aus den USA, und möglicherweise wird die Unterstützung für die Ukraine ganz eingestellt. Was ist jetzt Ihr größter Wunsch?

Wir brauchen auch weiterhin die Unterstützung unserer Verbündeten. Ein ukrainischer Sieg gegen diese Invasion ist nicht nur unser Sieg – er ist ein Sieg für die gesamte freie Welt.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Elvira Gasaova (englisch)
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom