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Ukraine-Hilfen ausgesetzt: Jetzt setzt Trump alles auf eine Karte


USA stoppen alle Ukraine-Militärhilfen
Jetzt setzt Trump alles auf eine Karte


Aktualisiert am 04.03.2025 - 06:56 UhrLesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Trump mit erneuten Vorwürfen gegenüber dem ukrainischen Präsidenten. (Quelle: t-online)
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Trump stoppt alle Militärhilfen für die Ukraine – und stellt Europa vor eine unlösbare Aufgabe. Es droht das Ende des transatlantischen Bündnisses oder der Beginn einer neuen Ära des geopolitischen Pokers nach Trumps Regeln.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

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Wie soll es jetzt für die Ukraine nur weitergehen? Das war die entscheidende Frage seit der offenen Eskalation im Weißen Haus zwischen US-Präsident Donald Trump, Vizepräsident J. D. Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Europäer, Kanada und die Türkei hatten am Wochenende beim Notfall-Gipfel in London versucht, ins Handeln zu kommen. Es wurde auf höchster Ebene viel telefoniert zwischen London, Kiew und Washington. Allen war klar: Das Verhältnis zwischen Selenskyj, Trump und Vance muss irgendwie wieder gekittet werden.

Doch trotz aller Bemühungen, Washington zu signalisieren, dass man bereit ist, mit noch viel mehr eigenem finanziellem und militärischem Engagement die Ukraine zu unterstützen, hat nun die Trump-Regierung den nächsten Schritt gemacht. Die Gerüchte kursierten bereits den ganzen Montag über in der US-Hauptstadt. Wird Trump die Ukraine-Hilfen einstellen? Wird er sogar aus der Nato austreten? Wird Trump die Bombe platzen lassen in seiner großen Rede vor dem Kongress am Dienstagabend?

Der US-Präsident hat sich nun schon vorher und vorerst für die erste Variante entschieden. Am Montagabend wurde bekannt: Die Amerikaner stellen mit sofortiger Wirkung alle Militärhilfen für die von Russland angegriffene Ukraine vorerst ein. Laut Informationen aus dem Weißen Haus soll es sich dabei um eine Pause handeln. Der offizielle Grund: Die Hilfen sollen einer Überprüfung unterzogen werden.

Die verbreitete Stellungnahme eines hohen Regierungsmitarbeiters lautete: "Der Präsident hat deutlich gemacht, dass es ihm um den Frieden geht. Wir brauchen Partner, die sich ebenfalls für dieses Ziel einsetzen. Wir halten inne und überprüfen unsere Hilfe, um sicherzustellen, dass sie zu einer Lösung beiträgt."

Jetzt ist die Ukraine chancenlos

Diese Ansage aus Amerika ist jetzt die wahre Eskalation – und sie ist schonungslos. Der abrupt vorgenommene Ausfall wird den Ukrainern und ihren Verbündeten klarmachen: Es geht nicht nur darum, einen finanziellen oder mengenmäßigen Ausfall der USA zu kompensieren. Denn die übrigen Ukraine-Unterstützer können die Amerikaner schon rein qualitativ nicht einfach ersetzen.

Bestimmte Waffengruppen und die dazugehörige Munition sowie das technische Wissen können nur die USA bereitstellen. Hinzu kommen Transportflugzeuge, Logistikketten, Geheimdienstinformationen oder das satellitengesteuerte Internet-System Starlink – kurz: Alle Koordination des Widerstands gegen Russland liegt im Kern bei den USA. Ersetzbar wäre das vielleicht in ferner Zukunft, aber nicht über Nacht.

In Wahrheit dürfte sich die Realität so verhalten: Was Donald Trump im Oval Office zum ukrainischen Präsidenten auf rüde Art und Weise sagt, gilt auch für den Rest Europas: "Du hast keine Karten auf der Hand", fuhr der US-Präsident dem neben ihm diskutierenden Selenskyj über den Mund. Und weil Trump weiß, dass alles an ihm und den USA hängt, spielt er nun seinen Trumpf ohne Zögern aus. Mehr dazu können Sie hier lesen.

Die Trump-Version von Wandel durch Handel

Aus konservativen Washingtoner Experten-Kreisen hieß es am Montag, die nächtliche Aktion sei der letzte Warnschuss für die Europäer und vor allem für die Ukraine. Das erpresserische Motto: Entweder ihr spielt nach meinen Regeln, oder das Spiel ist aus. Dabei hatte Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus tagsüber noch geradezu freundlich betont, dass es ihm wichtig sei, dass die Europäer mit dem weiteren Vorgehen einverstanden sind.

Aus Sicht des Weißen Hauses ist die Sache klar: Trump will endlich die Rohstoffrechte in der Ukraine an die USA übertragen bekommen, vorerst zum Tilgen einer finanziellen Schuld, die so unter Joe Biden niemals definiert wurde. Verkauft wird das als Vorteil für die Sicherheit der Ukraine. Denn Putin werde das Risiko künftig nicht mehr eingehen, erneut anzugreifen.

Der propagierte Grund: US-Unternehmen und Mitarbeiter würden auf ukrainischem Boden nicht von Russland angegriffen werden, ohne eine direkte Konfrontation mit den USA vom Zaun zu brechen. Donald Trump handelt damit ironischerweise nach eben jener Weise, die in Deutschland in Verruf geraten ist: Wandel durch Handel. Die Trump-Version von diesem misslungenen Glauben an Putins Vernunft lautet: Peacemaking through Dealmaking. Dazu passen auch Berichte, dass die US-Regierung bereits plant, die drastischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu beenden.

Diese Sichtweise legte Trumps Vizepräsident J. D. Vance in einem ersten Interview seit der Eskalation vom Freitag beim Fernsehsender Fox News noch einmal dar. "Wenn man echte Sicherheitsgarantien will, wenn man wirklich sicherstellen will, dass Wladimir Putin nicht wieder in die Ukraine einmarschiert, dann ist die beste Sicherheitsgarantie, den Amerikanern wirtschaftliche Vorteile in der Zukunft der Ukraine zu verschaffen", sagte Vance. Dies sei eine viel bessere Sicherheitsgarantie als 20.000 Truppen aus einem Land, das seit 30 oder 40 Jahren keinen Krieg mehr geführt habe, so Vance.

Türöffner für jede weitere Erpressung aus den USA

Über handfeste militärische Sicherheitsgarantien für die Ukraine soll also, wenn überhaupt, erst viel später gesprochen werden – ob es sie vonseiten der Amerikaner überhaupt geben wird, ist höchst zweifelhaft. Diese Last soll nach amerikanischen Vorstellungen alleine bei den Europäern liegen. Denn eines der wichtigsten Wahlversprechen von Donald Trump lautete nicht nur, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, sondern auch, dass die US-Steuerzahler nicht mehr für den Krieg in der Ukraine zahlen sollen.

Der Ukraine, den Europäern, Kanada, der Türkei und weiteren Unterstützern bleibt nun eigentlich nur, den Bedingungen des Weißen Hauses zu folgen. Doch damit würde zugleich ein Ausgangspunkt für weitere Schwierigkeiten geschaffen werden. Die Trump-Regierung betont in ihrer aktuellen Forderung, alle Beteiligten, allen voran der ukrainische Präsident, müssten "bereit für Frieden sein", damit die USA zurück an den Verhandlungstisch mit Selenskyj kommen.

Was diese Formulierung genau bedeuten soll, ist aber unklar. Denn Trump kann sie in jedem Moment mit einer neuen Forderung aufladen. Heißt das, eine öffentliche Entschuldigung? Heißt das, Gebietsabtretungen? Heißt das, im Grunde unmögliche Neuwahlen in einer Ukraine im Kriegszustand? Heißt das, Rücktritt von Selenskyj? Die Liste dieser Erpressungsmöglichkeiten könnte so lang sein wie jene des russischen Präsidenten in Moskau.

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Kann sich auch Trump verzocken?

Es droht der Ausverkauf der Ukraine, die ausgerechnet unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton im Jahr 1994 im Rahmen des Budapester Memorandums bereit gewesen ist, auf die eigenen Atomwaffen zu verzichten. Der frühere US-Präsident hat diese Entscheidung schon nach dem russischen Einmarsch auf die Krim im Jahr 2014 bereut, auch öffentlich.

Die russischen, propagandistischen Staatsmedien überschlagen sich bereits seit Tagen mit einer Mischung aus Hohn und Freude über die Vorgänge in Washington. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow teilte schon am Wochenende die Sichtweise Putins auf Trumps Handlungen mit: "Die neue Regierung verändert rasch alle außenpolitischen Konfigurationen. Dies entspricht weitgehend unserer Vision", sagte er.

Die Frage, die sich manche Experten nach diesen neuesten Entwicklungen stellen: Verzockt sich Trump bei diesem gefährlichen Machtpoker? Womöglich unterschätzt der US-Präsident den Widerstandswillen der Ukrainer, so wie es einst Wladimir Putin bei seinem Angriff im Februar 2022 tat.

Wenn die Ukrainer mit ihrem Präsidenten und mit der Unterstützung der Europäer weiterkämpfen wollen, dann werden womöglich grauenhafte Bilder um die Welt gehen. Und die könnten dann auch in der amerikanischen Öffentlichkeit mehrheitlich nicht mehr toleriert werden. Pro-ukrainische Proteste, wenngleich zahlenmäßig noch klein, gibt es bereits jetzt in mehreren Städten im ganzen Land.

Es ist möglich, dass Trump mit seiner neuesten Aktion nicht nur austestet, wie weit er bei Selenskyj, den Ukrainern und den Europäern gehen kann, sondern auch bei der eigenen Bevölkerung. Der demokratische Abgeordnete Gregory W. Meeks, ranghöchstes Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten im US-Repräsentantenhaus, kritisierte die Entscheidung von Trump. Denn die vom Kongress schon genehmigten Hilfen für die Ukraine einzufrieren, sei schlicht illegal. Womöglich landet also auch diese Trump-Aktion schon bald vor Gericht.

Verwendete Quellen

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