Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Der wahre Schrecken kommt erst noch
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
heute Abend könnte es gruselig werden. Denn es ist Halloween: Kinder verkleiden sich als Vampir, als Zombie oder Spinne und laufen durch Deutschlands Straßen – auf der Jagd nach Süßem. Die immer gleiche Frage, nachdem die Tür geöffnet wurde: "Süßes oder Saures?" In den USA, aus denen der Brauch des Türklingelns stammt, heißt die Frage übrigens "Trick or Treat?", in etwa also: "Streich oder Leckerei?" Natürlich können Sie auch einfach nicht die Tür öffnen, sondern das Türklingeln ignorieren – und so den Grusel aussperren.
So einfach geht das leider nicht mit dem, was uns in der kommenden Woche droht. Sollte Donald Trump am Dienstag zum neuen US-Präsidenten gewählt werden, gibt es wahrscheinlich Saures. Denn die Folgen für die USA, die Welt und Deutschland werden weitreichend sein.
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Aktuell zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Vizepräsidentin Kamala Harris und ihrem umstrittenen Herausforderer ab. Die Demokratin könnte auf den letzten Metern noch stolpern – etwa über Aussagen ihres Vorgängers Joe Biden. Unser US-Korrespondent Bastian Brauns kommentiert, dass der 81-Jährige in diesem Präsidentschaftswahlkampf "nichts mehr verloren hat".
In Deutschland blickt man gebannt auf den Ausgang der Wahl. Nicht zuletzt, weil ein Sieg Trumps die US-Außen- und Wirtschaftspolitik stark verändern und somit den Europäern neue Herausforderungen aufbürden würde. Trump hatte angekündigt, direkt nach seiner Wahl – noch vor seiner offiziellen Amtseinführung – den Ukraine-Krieg beenden zu wollen. Wie er das tun will, ohne die Ukraine ihrem russischen Aggressor auszuliefern, das sagt er nicht.
Doch auch für die hiesige Wirtschaft und die deutschen Verbraucher dürften die Folgen einer weiteren Präsidentschaft Donald Trumps tiefgreifend sein. Das liegt insbesondere an seiner aggressiven, auf Protektionismus ausgelegten Handelspolitik, die er bereits in seiner ersten Amtszeit verfolgte. Doch dieses Mal will Trump deutlich weiter gehen.
So hat der Milliardär einen Zollsatz von 60 Prozent auf US-Importe aus China und von zehn bis 20 Prozent auf Importe aus der restlichen Welt angekündigt. Er will die industrielle Produktion in die USA locken und zugleich Einfuhren ausländischer Firmen bestrafen. Das würde deutsche Produkte in den USA so teuer machen, dass sie unattraktiv werden.
Allein durch die von Trump angekündigten Zölle würden die deutschen Exporte in die USA um knapp 15 Prozent sinken, heißt es in einer Studie des Münchner Ifo-Instituts. Wenig verwunderlich, dass fast die Hälfte der deutschen Industrieunternehmen negative Auswirkungen für ihren Betrieb befürchtet, wie aus einer Ifo-Befragung hervorgeht. Besonders getroffen würde die ohnehin gebeutelte Autoindustrie, ebenso wie die Pharmabranche.
Dass die EU darauf reagieren müsste, ist klar: Ein Handelskrieg droht. Dieser könnte die deutsche Wirtschaft weiter dämpfen und im Laufe der vier Jahre Trump-Präsidentschaft bis zu 180 Milliarden Euro kosten, berechnete das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Dabei steht Deutschland aktuell ohnehin am Rande einer Rezession. In diesem Jahr erwarten Ökonomen etwa kein oder maximal ein vernachlässigbares Wachstum von 0,1 Prozent.
Auch für die USA wären die Folgen der Trump'schen Zollpolitik heftig. Denn das Land ist stark auf Importe aus dem Ausland angewiesen – führt etwa Maschinen und Autoteile ein, aus Mexiko, China oder Europa. Amerikanische Produzenten dürften die höheren Importkosten eins zu eins an die Verbraucher weitergeben, wie bereits in der ersten Amtszeit Donald Trumps geschehen. Die Folge: eine deutlich steigende Inflation. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung warnt vor einem Milliardenschaden für die größte Volkswirtschaft der Welt.
Womit Donald Trump allerdings die amerikanischen Firmenbosse lockt: weniger Regulierungen und sinkende Unternehmenssteuern, die die Einnahmen aus den Zöllen ausgleichen sollen. Anders als seine Konkurrentin Kamala Harris plant er, die Körperschaftsteuer im Falle eines Wahlsiegs auf 15 Prozent zu reduzieren. Aktuell liegt der Satz bei 21 Prozent. Kein Wunder also, dass einige Unternehmer auf Trump setzen.
Warum das kurzsichtig ist, erklärte Investor Carsten Maschmeyer. Der Gatte von Schauspielerin Veronica Ferres sagte meinem Kollegen Julian Seiferth Anfang Oktober: "Wenn ich in den USA als Wahlamerikaner fest leben würde, wenn ich nur an den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg denken würde – was ich nicht tue –, würde ich Trump wählen."
Doch auf längerfristige Sicht würde Trumps Wirtschaftspolitik vieles teurer machen – sowohl für die US-Bürger als auch für uns in Deutschland.
Aber auch eine Präsidentschaft von Kamala Harris wäre für Deutschland und die EU kein Zuckerschlecken. Es ist anzunehmen, dass Harris die Wirtschaftspolitik ihres Vorgängers Joe Biden fortführen würde. Dieser stärkte etwa mit dem Inflation Reduction Act die US-Industrie in Zeiten der Inflation – und lockte damit ebenso deutsche Firmen verstärkt in die USA. Experten warnen vor einem US-EU-Überbietungswettbewerb um Subventionen. Wirtschaftsforscher schätzen zwar, dass eine Präsidentschaft von Harris besser wäre, doch das allein wird Deutschland nicht helfen.
Um das Problem dauerhaft zu lösen, braucht es eine geschlossene EU – und eine Bundesregierung, die auf gemeinsame Lösungen hinarbeitet. Das Problem der jetzigen Legislatur ist besonders, dass sie den Problemen nur noch hinterherläuft. Beispiel: die Loslösung aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas. Die ist zwar kurzfristig gelungen. Doch das engte den Handlungsspielraum ein, sich um Zukunftsthemen zu kümmern. Und eines davon ist eben eine Diversifizierung der Handelspolitik.
Dabei war ein Comeback Donald Trumps abzusehen. Selbst unabhängig davon wäre es angesichts der Konkurrenz aus China oder nach der Corona-Lieferkettenkrise längst geboten gewesen, sich breiter aufzustellen. Was es daher nun dringend benötigt:
- Neue Handelspartner: Das Mercosur-Abkommen mit Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wurde bereits 2019 fertig ausgehandelt – trat aber bisher nicht in Kraft. Bremser ist hier Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Bis Ende des Jahres sollen die letzten Bedenken ausgeräumt werden, um den größten Freihandelsraum der Welt zu schaffen. Ob das gelingt? Kanzler Olaf Scholz mahnte jedenfalls mehr Handelsabkommen an, "damit Europa seine Rolle wahrnehmen kann".
- Produktion in der EU: Dass es keinen konkreten Fahrplan dafür gibt, wie zentrale Lieferketten von den USA und anderen, unsicheren Ländern unabhängig werden können, ist ein Armutszeugnis für die Wirtschaftsstrategie Europas. Das gilt besonders für die fragile, aber äußerst wichtige Halbleiterindustrie. Erst jüngst hat der US-Chiphersteller Wolfspeed den Bau seiner angekündigten Firma im Saarland auf unbestimmte Zeit verschoben. Höchste Zeit also für wirksame Anreize, um eine eigenständige Produktion dieser Schlüsseltechnologien in Europa zu etablieren.
Ursula von der Leyen, ihre Amtskollegen in der EU-Kommission, Olaf Scholz, Emmanuel Macron sowie die anderen europäischen Staatschefs sollten nun so schnell wie möglich handeln. Nur dann lässt sich der Grusel zumindest kleinhalten. Oder anders gesagt: Saures darf’s nicht geben.
Termine des Tages
Im Prozess gegen den Vater des rechtsextremen Attentäters von Hanau wird ein Urteil erwartet. Hans-Gerd R. wird etwa vorgeworfen, den Angehörigen der Terroropfer nachgestellt und sie belästigt zu haben. Mehrere Verfahren wurden nun zusammengefasst, darunter Vorwürfe der Beleidigung, Bedrohung und der Volksverhetzung. Wahrscheinlich ist aber, dass das Verfahren in die nächste Instanz gehen wird.
Charlotte Knobloch, Holocaust-Überlebende und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, übernimmt im Wintersemester 2024/25 die Heinrich-Heine-Gastprofessur – mit einer ersten Vorlesung. Die 91-Jährige wird insbesondere über den neuen deutschen Antisemitismus sprechen. Die zweite Vorlesung soll am 11. Februar 2025 stattfinden.
Die Rückkehr von Stefan Raab zum Eurovision Song Contest weckt erstmals seit vielen Jahren Hoffnungen auf einen Sieg bei dem Wettbewerb. Der Entertainer soll den nächsten Vorentscheid wieder mitorganisieren. Die ARD, der NDR und der Privatsender RTL wollen die Details dazu am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bekannt geben. Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Unterhaltungsressort berichten.
Wussten Sie schon?
Passend zu Halloween ist heute der Tag der Türklingel, der "National Doorbell Day". Damit wollte man den US-Unternehmer J. Ralph Corbett ehren, der Mitte der 1930er-Jahre die erste elektronische Türklingel mit Melodie erfunden hatte. Die Einführung des Feiertags war aber nicht mehr als ein Marketing-Gag der Klingelfirma Nutone, offiziell begangen wurde er nie.
Lesetipps
Im Süden und Osten Spaniens steigt – einen Tag nach dem schwersten Unwetter seit fast 30 Jahren – die Zahl der Toten auf mindestens 95. Am Dienstag waren Flutwellen durch Städte und Dörfer gedrungen, Brücken und Gebäude wurden zerstört, Fahrzeuge von den Straßen gespült. In einigen Orten fiel in 24 Stunden so viel Regen, wie hierzulande normalerweise im gesamten Jahr, erklärte Meteorologin Michaela Koschak meinem Kollegen Amir Selim: "Wo soll das noch enden?", so Koschak.
Inzwischen hat in Spanien auch die Suche nach den Schuldigen für die verheerende Naturkatastrophe begonnen. Hätten die Behörden früher warnen müssen? Dass das nicht ganz einfach ist, liegt an einem Wetterphänomen namens "kalter Tropfen".
Die Luft ist raus aus dieser Ampelkoalition – sofern je welche drin war. Das findet Christoph Schwennicke, Leiter des Bereichs Exklusives bei t-online. Es ist Zeit, dass jemand den Stecker zieht, schreibt er nun in einer lesenswerten Kolumne.
Chinas aggressive Expansionspolitik empfinden viele Nachbarn der Volksrepublik als Bedrohung. Doch momentan sind es primär die eigenen Verbündeten, die beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping Wut auslösen, analysiert mein Kollege Patrick Diekmann.
An Halloween sind nicht nur Kleinkinder unterwegs. Auch so manch Erwachsener schlägt in der letzten Oktobernacht über die Stränge. Mein Kollege Lucas Maier hat bei den Polizeien in den Bundesländern nachgehört, wie sie sich auf das Gruselfest vorbereiten.
Zum Schluss
Heute ist nicht nur Halloween – in evangelisch geprägten Bundesländern feiert man den Reformationstag, in katholisch geprägten Regionen am Freitag dann Allerheiligen.
Morgen schreibt mein Kollege David Schafbuch aus den USA für Sie. Ich wünsche Ihnen einen schönen Donnerstag – lassen Sie sich nicht zu sehr erschrecken.
Ihr Mauritius Kloft
Leitender Redakteur Nachrichten & Planung
X: @Inselkloft
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Mit Material von dpa.
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