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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Christian Lindner: Bricht der FDP-Chef die Ampelkoalition im November?


Drohender Koalitionsbruch
Mach es, Christian

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

30.10.2024 - 09:37 UhrLesedauer: 4 Min.
Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
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Christian Lindner: Der Finanzminister kritisiert bei einem USA-Besuch Habecks Wirtschaftspläne. (Quelle: Sebastian Rau/imago-images-bilder)

Die Luft ist raus aus dieser Ampelkoalition. Wenn je welche drin war. Der Haushalt für das kommende Jahr bleibt ein Kampf um offene Milliarden. Es ist Zeit, dass jemand den Stecker zieht.

Ich habe die vergangenen Tage etwas getan, was man viel öfter machen sollte. Ich habe noch mal nachgedacht. Und dann ist etwas passiert, was man viel öfter zulassen sollte. Ich habe meine Meinung geändert.

Bisher sah ich es so: Entweder man will eine Koalition verlassen, dann bereitet man das im Stillen vor. Und raunt nicht ständig etwas von deren Ende. Oder man will unter fast allen Umständen eine Koalition beibehalten. Dann raunt man erst recht nicht ständig von deren möglichem Ende. Das ist bei einem herkömmlichen Job nicht anders. Es ermüdet den Chef ungemein und macht ihn keinesfalls gewogen, wenn ein leitender Angestellter jede Woche davon erzählt, dass er eigentlich keine Lust mehr hat. Bleiben oder gehen, aber nicht immer davon reden. So kennen das alle aus ihrem Arbeitsumfeld.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef und Mitglied der Chefredaktion von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war.

Christian Lindner, FDP-Vorsitzender, Finanzminister und Bronzekanzler in der Ampel, raunt seit Wochen etwas von einem Herbst der Entscheidungen und dass es zum Showdown um den Haushalt kommen könne. Die vergangenen Tage rüstete er rhetorisch noch mal hoch: nannte es einen "Hammer", dass Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen unabgesprochen einen Deutschlandfonds vorgestellt hatte. Und rief angesichts der ernüchternden Zahlen der Steuerschätzungen aus den USA über den Atlantik, dass das noch mal klarmache, dass jetzt nicht die Zeit sei, mit Geld um sich zu schmeißen. Weder bei den Sozialleistungen wie Arbeitsminister Hubertus Heil, noch mit Subventionen für die Wirtschaft wie Silberkanzler Habeck.

So, und jetzt die neue Erkenntnis: Wenn Lindner den Haushalt des kommenden Jahres als Notausgang aus der Ampel wählen möchte, dann muss er das vielleicht genau so machen: Immer wieder davon reden. Seine Bruchstelle nicht nur markieren, sondern immer wieder einen weiteren Hieb dort setzen. Wie der Holzfäller am Stamm eines Baumes. Damit der Baum beim nächsten starken Wind nicht mehr stehen bleibt. Und damit das ihm und den Liberalen verbliebene gewogene Publikum weiß, warum es eines nicht mehr fernen Tages so weit ist. Der Tag, an dem Lindner sagt: Schluss. Wir sind raus. Weil ihm sein Verstand zugeflüstert hat: Mach es, Christian. Es ist besser so.

Der Staat hat kein Einnahmeproblem. Er gibt zu viel aus.

Sein Schulterteufelchen hat recht. Und in der Sache hat Lindner schon lange einen Punkt. Wenn die Steuereinnahmen von Bund und Ländern und Gemeinden so hoch sind wie noch nie (fast eine Billion Euro haben die Steuerschätzer veranschlagt) und sich trotzdem Milliardenlücken auftun, dann kann etwas nicht stimmen. Dann ist ein Loch in diesem Eimer namens Staatshaushalt wie seinerzeit im Ohrwurm des "Medium-Terzetts". Und dann ist die erste Aufgabe, dieses Loch zu stopfen, wie es Karl-Otto seinem Freund Henry im Ohrwurm anrät. Und nicht einfach weiteres Wasser in den Eimer zu schütten über Schulden – oder, weil das wegen der gleichnamigen Bremse nicht geht, über Schattenhaushalte namens Fonds oder Sondervermögen.

Ob angesichts der zwei bis drei Zeitenwenden, in denen sich Deutschland befindet, nicht dennoch eine Reform der Schuldenbremse her müsste, bei der sich Lindner querstellt, sei dahingestellt. Aber klipp und klar ist: Dieser Staat hat nicht in erster Linie ein Einnahmeproblem. Er hat ein Ausgabenproblem.

Ein Loch ist im Eimer

Zugleich blickt die FDP auf ein Loch in einem anderen Eimer. Ihrem eigenen. Die Meinungsumfragen, auch bei den gewogeneren Instituten, gehen von vier Richtung drei Prozent, also immer weiter runter statt mal wieder hoch. Es ist zulässig, vielleicht sogar geboten für einen Parteichef, die Frage zu stellen, ob das Dasein in der Ampel nicht tödlicher ist als das (real existierende) Risiko, für einen Koalitionsbruch abgestraft zu werden. Es macht den Eindruck, als sei Lindner zu der Erkenntnis gelangt: Es ist besser, nicht mehr zu regieren, als sich in der Ampel als FDP weiter zugrunde zu regieren.

Schon jetzt sollten wir zwar alle die diversen Gipfel und Gegengipfel der Koalitionäre im Terminkalender vermerken und alle Spitzen und Schienbeintretereien der Beteiligten untereinander weiter beobachten. Vor allem aber den 14. November dick anstreichen. An dem Tag findet die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag statt, in der in Basar-Manier die letzten offenen Punkte des Haushalts für das kommende Jahr in einem Geben und Nehmen verhandelt und geklärt werden.

Diesmal kann es aber sein, dass es im Kleinen gar nichts mehr zu bereinigen gibt. Weil sich die Sache im Großen erledigt hat. Bis hin zum Kanzler verkünden alle den richtigen Befund, dass die Agonie des Landes in Wirtschaft und privatem Konsum mit der miserablen Performance der eigenen Regierung zusammenhängt.

So gesehen machte sich derjenige ums Land verdient, der diese Regierung wie bei Laokoons berühmter Gruppe im Todeskampf verschlungenen und erstarrten Beteiligten von ihrer Qual befreite – und das Land gleich mit. Die Beleglage, dass derjenige, der eine Koalition platzen lässt, zwangsläufig abgestraft wird, ist ohnehin dünn. So oft ist das noch gar nicht vorgekommen, als dass das zum allgemeinen Gesetz taugte. Vielleicht würde in diesem Fall derjenige sogar belohnt, der diesem Trauerspiel ein Ende bereitete.

Mit jedem Mal übrigens, das Lindner einen Bruch in Aussicht stellt, nimmt er eine weitere Hypothek auf, es dann auch zu tun. Man kann den Mund nicht jeden Tag spitzen, ohne irgendwann zu pfeifen. Bei dieser Behauptung würde ich auch nach nochmaligem Nachdenken bleiben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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