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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Star-Investor Carsten Maschmeyer "Ich halte das für erbärmlich"
Lange war das Silicon Valley untrennbar mit den Demokraten verbunden. Doch die alte Liebe bröckelt. Carsten Maschmeyer spricht im t-online-Interview über die Stimmung in Kalifornien und erklärt, wie er über die AfD und Sahra Wagenknecht denkt.
Anfang November wählen die Vereinigten Staaten einen neuen Präsidenten. Trump oder Harris – diese Frage beschäftigt nicht nur US-Amerikaner. Auch in Deutschland und Europa schaut man gebannt gen Westen.
Investor und Unternehmer Carsten Maschmeyer hat zuletzt mehrere Wochen in Kalifornien verbracht – und sich dabei mit Geschäftsleuten, Verwandten und Angestellten unterhalten. Im t-online-Interview spricht Maschmeyer darüber, wen er wählen würde, wie Elon Musk seinen eigenen Legendenstatus zerstört – und was deutsche Unternehmer von den USA lernen können.
Zur Person
Carsten Maschmeyer (65) wurde in Bremen geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin, schloss das Studium aber nicht ab. Stattdessen strebte er eine Karriere als Unternehmer an. 1987 stieg er beim Finanzvertrieb AWD ein, wo er später Co-CEO wurde. Der AWD war wegen seiner Vertriebsmethoden umstritten – einige Verbraucher verloren viel Geld. Maschmeyer räumte später Fehler ein und entschuldigte sich. 2007 erfolgte der Verkauf des AWD. Seit 2010 investiert er in Start-ups. Seit 2016 ist er Teil der TV-Sendung "Die Höhle der Löwen". Seit etwas mehr als zehn Jahren ist er mit der Schauspielerin Veronica Ferres verheiratet.
t-online: Herr Maschmeyer, Sie sind aktuell im Silicon Valley. Haben Sie Elon Musk getroffen?
Carsten Maschmeyer: Bei diesem Besuch nicht. Ich habe ihn zweimal gesehen, zuletzt kurz vor dem Twitter-Kauf. Damals hatte er noch den Nimbus, ein Wunderknabe zu sein. Diesen Sockel hat er selbst ins Bröckeln gebracht. Persönlich habe ich ihn allerdings nicht gesprochen.
Was halten Sie von ihm?
Elon ist extrem. Er ist ja nicht der Tesla-Gründer, aber er ist der Tesla-Macher. Da hat er Außergewöhnliches geschaffen. Auch mit SpaceX und Starlink, da dominiert er ganze Branchen. Und dann kam meiner Meinung nach der Hauptfehler: Er hat Twitter gekauft und seitdem in meinen Augen den Wert halbiert, oder sogar eher gedrittelt. Die Leute sagen doch 'Googeln, Ubern, Twittern'. Es sagt doch keiner, ich Xe! Allein der Markenname Twitter war schon Milliarden wert.
Musk mischt auch politisch ordentlich mit.
Ich finde politisches Engagement im Grunde gut, aber man sollte es hauptberuflich machen und nicht mit einem Kanal, der so viele User und Follower hat wie alle europäischen Zeitungen zusammen. Unternehmer können sich politisch einsetzen. Aber wenn ich aus Ego in der Politik mitspiele, mich so stark für einen der Kandidaten äußere, wenn mir X gehört, dann ist das grenzwertig. Und ich glaube, dafür müsste man irgendwann auch Regeln schaffen.
Gibt es einen Politiker in Deutschland, für den Sie sich vorstellen könnten, in der Form Wahlkampf zu machen? Sie haben ja einst viel Geld für Gerhard Schröder gespendet.
Unsere Demokratie, zu der auch das Mehrparteiensystem gehört, halte ich für unbedingt unterstützenswert. Daher spende ich regelmäßig für demokratische Parteien, nicht nur vor mittlerweile über 25 Jahren für Gerhard Schröder, sondern auch schon an die CDU und die FDP. Wenn Unternehmer in Deutschland sich nur für eine Partei oder einen Politiker einsetzen, dann haben sie das Risiko, die Wähler der anderen Parteien als Kunden zu verlieren. Wir haben auch nicht dieses Zweiparteiensystem wie in den USA. Musk sagt sich: 'Ich setze voll auf Trump.' Wenn das schiefgeht, wird er bei Harris nicht mehr vorsprechen können. Da ist die Tür zu.
Sie sprechen in Kalifornien mit Geschäftsleuten und Investoren. Wie nehmen Sie die Stimmung dort wahr?
Silicon Valley war lange untrennbar mit den Demokraten verbunden. Einige haben sich aber inzwischen von den Demokraten abgewandt. Denn man rechnet damit, dass Harris und Walz die Unternehmen stärker regulieren werden. Aber die lieben deshalb nicht Trump. Das ist nicht so eine emotionale Begeisterung, sondern da sagt man: Für meine Investoren, für meine Investments wäre es besser, wenn Trump Präsident wird. Sie glauben, kurzfristig ist es für die Wirtschaft, für die Unternehmen besser, Trump zu wählen.
Sieht das die Mehrheit in den Chefetagen so?
Nein. Die Mehrheit ist nach wie vor auf der anderen Seite. Ein Mark Zuckerberg wird nicht Trump wählen oder sich für ihn einsetzen. Dem ist bewusst, dass er die Top-Talente weltweit ranholen muss. Ich war bei Amazon, bei Microsoft, bei Google. Da sind 60 Prozent der Mitarbeiter Migranten der ersten oder zweiten Generation. Wenn Trump eine Verschärfung der Migrationsgesetze erreicht, haben die ein Problem.
Sie setzen sich in Ihren Posts auf X zuletzt immer wieder für die Rechte von Arbeitnehmern ein. Sind sie links?
Ich bin für die Partei "Leistung". In bestimmten Berufen glaube ich, dass die Menge der abgesessenen und morgens pünktlich angefangenen Arbeitsstunden kein Leistungskriterium ist. Wir sind im Jahr 2024. Da geht es nicht mehr so wie früher darum, wie viele Stunden ich Kohle aus dem Bergwerk hole. Da geht es um Kreativität, um Lösungen, um Interaktion, um Erfindungen, um Ideenreichtum. Wenn ich Wertschätzung gebe, wird es einen größeren Output geben. Wir stehen in vielen Berufen nicht vor der Frage: fünf oder vier Tage? Viele Betriebe, die ihre Leute nicht halten können, stehen vor der Frage: vier Tage oder null Tage?
Krankenbesuche, wie sie sich Elon Musks Unternehmen Tesla in Grünheide jetzt hat einfallen lassen, würde es unter einem Chef Maschmeyer also nicht geben?
Niemals. Ich halte das für erbärmlich. Die haben 15 bis 17 Prozent Krankenstand. Eigentlich müssten die sich fragen: Haben wir ein Klima, in dem jeder irgendwie versucht, sich zu verdrücken? Haben wir unzumutbare Arbeitsbedingungen? Man muss ein Umfeld schaffen, in dem die Leute nicht krank werden oder nicht krank tun. Ich kann nur den Kopf schütteln. Und stellen Sie sich vor: Da gibt es den Kontrollbesuch, ein Kranker macht die Tür auf und ist normal angezogen. Heißt das, er ist nicht krank? Da scheint in Grünheide gründlich was schiefzugehen.
Welchen Umgang mit Mitarbeitern empfehlen Sie?
Ich glaube, mit Instrumenten wie Lob, Wertschätzung, psychologischer Sicherheit wird ein Unternehmen besser performen.
Können deutsche Chefs das?
Einige können es nicht. Wir sehen im Jahr 2024 immer noch dieses bossige Verhalten. Der Trigema-Chef Wolfgang Grupp hat zuletzt gesagt, wenn die Kinder nicht Nachfolger werden, habe man als Vater versagt. Ich bin der Meinung, dass ein Vater oder eine Mutter herausfinden muss, was für Vorlieben, was für Talente ein Kind hat. Meine Güte, man kann doch nicht, wenn einer mit drei Jahren anfängt, Piano zu spielen und virtuos und talentiert ist, sagen, du musst jetzt Kleidungsstücke herstellen! Er hat auch sinngemäß gesagt: 'Wenn einer im Homeoffice ist, ist er unwichtig.' Wenn ich einem im Homeoffice nicht zutraue, zu arbeiten, stelle ich ihn nicht ein.
Könnten deutsche Unternehmer von einem anderen Umgang profitieren?
Ich bin mir absolut sicher. Stellen Sie sich vor, man gründet morgen zwei Unternehmen auf der grünen Wiese. In dem einen gibt es gegenseitigen Respekt, Wertschätzung, Beteiligung am Umsatz und Gewinn. Und das andere Unternehmen arbeitet mit "traditionellen" Methoden. Das neuartige Unternehmen wird das andere vom Start weg abhängen, viel besser performen und erfolgreicher sein.
Hat man das in den USA besser verstanden als in Deutschland?
Ja, selbstverständlich. Ich habe mit Leuten bei Apple gesprochen: Sie können als Mitarbeiter die besten individuellen Leistungen bringen und kriegen trotzdem höchstens 70 Prozent ihres Bonus. Weitere 15 Prozent bemessen sich an Ihrem Einfluss auf das Team. Verbreiten Sie schlechte Stimmung? Oder sind Sie jemand, der anpackt und mithilft? Die anderen 15 Prozent gibt es für Ideen, Optimierungsvorschläge, Verbesserungen. Diese Unternehmer wissen: Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem psychologische Sicherheit wichtig ist, in dem neue Ideen gelobt werden. Das ist moderne Führung. Dafür müssen die Chefs sich verändern – nicht Hunderttausende Mitarbeiter, nur weil in irgendeinem Großkonzern der Chef noch im Gestern führt und lebt.
Wen würden Sie wählen – Trump oder Harris?
Ich beantworte diese Frage in zwei Richtungen. Wenn ich in den USA als Wahlamerikaner fest leben würde, wenn ich nur an den kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg denken würde – was ich nicht tue –, würde ich Trump wählen.
Aber?
Andererseits mache ich mir Gedanken über soziale Aspekte. Ich bin Weltbürger und habe Angst, dass der Weltfrieden gefährdet ist mit einem so radikal denkenden Trump. Er sagt, er beendet den Ukraine-Krieg sofort. Am Tag zuvor sagt er, die Ukraine ist doch sowieso verloren. Damit würde er 50 Millionen Menschen einfach aufgeben! Damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. Wenn Trump gewählt wird, müssten wir uns in Europa um unsere Sicherheit alleine kümmern. Das halte ich nicht für gut. Ich freue mich aber, dass er Israel unterstützt.
Letztendlich ist das Leben nicht nur Wirtschaft, nicht nur Erfolg und der Steuersatz. Ich habe hier in Kalifornien eine Enkelin. Ich möchte, dass sie in einem Land aufwächst, das weiterhin am Weltfrieden mitwirkt, und deswegen würde ich von Herzen die Demokraten wählen, um zu verhindern, dass Trump noch mal an die Macht kommt.
Machen Sie sich angesichts ihrer Zeit in den USA auch Sorgen um die Erfolge von Parteien wie der AfD und dem BSW?
Ja, natürlich. Ich kenne leider zunehmend im entfernten Bekanntenkreis auch AfD-Wähler. Die wissen, dass sie da teilweise etwas wählen, das sie gar nicht wirklich wollen. Ausstieg aus dem Euro? Zusammenarbeit mit Russland? Ein paar dieser Sachen sind unvorstellbar. Das sind Protestwähler, die mucken einfach auf. Die schreien rum wie ein pubertierendes Kind, damit die Eltern merken, hier ist irgendwas im familiären Haus falsch. Eigentlich müssten die anderen Parteien jetzt sagen: Wir müssen Deutschland auf Wachstumskurs bringen. Wir brauchen jetzt nicht den 31. Krisengipfel, wir müssen jetzt mal einen Lösungsgipfel haben. Wir gehen dann Themen an, dass Deutschland wieder auf einen grünen Zweig kommt.
Können die Populisten das lösen?
Die AfD ist schädlich für Innovation und Zukunftsfähigkeit. Wir brauchen eine offene Gesellschaft. Die anderen Parteien müssen aber merken: Jede Stimme für Wagenknecht oder die AfD ist eine absichtlich gewählte Stimme gegen Grüne, gegen FDP und SPD. Und wenn die CDU in Landtagswahlen nicht genug Stimmen kriegt, dann ist es auch eine Stimme gegen sie. Es geht nicht, dann zu fordern, die AfD muss verboten werden. Die traditionellen Parteien müssen bessere Politik machen, dann wird auch weniger AfD gewählt.
Herr Maschmeyer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
- Interview mit Carsten Maschmeyer