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Galeria Karstadt Kaufhof: Trotz Käufer – die Zeit der Kaufhäuser ist vorbei


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Die EU atmet auf – zu Recht?

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 11.04.2024Lesedauer: 7 Min.
Flüchtlinge aus dem Lager Moria auf Lesbos: Die Asylreform war jahrelang kaum vorangekommen.Vergrößern des Bildes
Flüchtlinge aus dem Lager Moria auf Lesbos: Die Asylreform war jahrelang kaum vorangekommen. (Quelle: Angelos Tzortzinis/dpa/dpa./dpa)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

drei Insolvenzen in dreieinhalb Jahren – und trotzdem hat Galeria Karstadt Kaufhof einen Käufer gefunden. Seit gestern ist nun offiziell, dass ein Konsortium um den US-Investor Richard Baker die angeschlagene Kaufhauskette übernehmen wird. Mehr als 70 der insgesamt noch 92 Filialen sollen fortgeführt werden.

Vielerorts atmet man nun auf, auch in der Politik. Die teils mehr als hundert Jahre alten, traditionsreichen Häuser bleiben bestehen, viele Angestellte behalten ihre Jobs und den Kommunalpolitikern bleibt die Frage erspart, was nun aus den riesigen Kästen inmitten ihrer Innenstädte wird. Also: Ende gut, alles gut?

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Mitnichten. Denn glaubt man vielen Experten, die sich nun zu Wort melden, handelt es sich bei der Wahl des neuen Investors doch eher um eine Notlösung. Baker hatte die Kette, damals war es noch Galeria Kaufhof ohne Karstadt, bereits einmal gekauft und war gescheitert. Handelsberater Johannes Berentzen sagte meiner Kollegin Laura Mielke, der Kauf sei lediglich "eine Verlängerung des Niedergangs". Und der Experte Carsten Kortum prophezeite im "Spiegel": "Zwei Jahre. Dann ist die vierte Insolvenz leider da."

Diese Warnungen kommen nicht von ungefähr. Denn in den vergangenen Jahren wurde der Konzern ohne Ideen geführt. Es fehlt schlicht das Konzept, wie die Kaufhauskette in der Zukunft bestehen kann. Zwar haben die Läden noch viele Millionen Kunden im Jahr, doch viele davon sind alt. Junge Leute hingegen können mit dem Konzept der Warenhäuser nur wenig anfangen – zu teuer, zu altbacken, zu wenig Auswahl.

Auch der Fakt, dass die neuen Investoren viele Filialen erhalten wollen, erregt Misstrauen. "Das klingt nach einer Totgeburt", sagte Handelsexperte Jörg Funder dem Nachrichtensender ntv. Vor rund 15 Jahren habe sich ein Warenhaus in einer Stadt mit 100.000 Einwohnern noch gelohnt, heute brauche es eher 200.000. Der Experte geht deswegen eher von rund 20 überlebensfähigen Filialen aus – wenn diese denn weitere Händler in ihre Häuser mit hineinholen, die einen Teil der Ladenfläche mieten.

Nun können weder Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch ich in die Zukunft schauen. Aber vieles spricht dafür, dass das Drama um Galeria Karstadt Kaufhof so bald nicht vorüber sein wird – und somit auch die Unsicherheit der Angestellten und der Kommunen. So sehr ich diejenigen verstehen kann, die den Kaufhäusern aus nostalgischen Gründen hinterhertrauern: Die großen Zeiten dieser einst so stolzen Kaufhausketten sind vorbei.

Auch unsere Politiker wären gut beraten, sich mit diesem Gedanken anzufreunden. Schließlich hat der Staat die Kaufhäuser gleich zwei Mal mit Steuergeldern retten müssen – und von den Hunderten Millionen Euro nur einen Bruchteil zurückerhalten. Das muss nun wirklich nicht noch mal sein. Lieber also ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Bitter wäre das natürlich für die Angestellten. Doch gerade im Einzelhandel suchen derzeit viele Geschäfte Mitarbeiter. Der Zeitpunkt ist nun also deutlich günstiger als noch vor zwei Jahren. Für die Städte bleibt allerdings die Herausforderung, was mit den Immobilien geschehen wird. Denn die sind speziell auf die Anforderungen von Kaufhäusern ausgerichtet. Büros oder Wohnungen lassen sich nicht mal eben schnell hineinzaubern.

Doch ein Blick in die Städte mit bereits geschlossenen Kaufhäusern zeigt, dass es auch hierfür Lösungen gibt. Diese hier gefällt mir besonders gut: Die Stadt Braunschweig baut das frühere Kaufhaus mitten in der Innenstadt zu einem "Haus der Musik" um – sowohl die städtische Musikschule als auch ein Konzerthaus sollen darin Platz finden. Unterstützt wird die Stadt dabei von dem Unternehmer Friedrich Knapp, dem Gründer der Modekette New Yorker und Besitzer des alten Karstadt-Hauses. Dieses verkauft er der Stadt und beteiligt sich an einer Stiftung, über die der Umbau abgewickelt werden soll.

Die "Braunschweiger Zeitung" berichtet nach der Verkündung im Januar von begeisterten Reaktionen. "Ein Leuchtturmprojekt", "Paukenschlag", jubelten Leserinnen und Leser der Lokalzeitung. Eine Person allerdings merkte auch an, dass das alte Karstadt-Gebäude als Konzertsaal nun wirklich nicht repräsentativ sei.

Das stimmt: Obwohl es vom berühmten, bereits verstorbenen Stararchitekten Gottfried Böhm gestaltet wurde, ist es tatsächlich keine Augenweide. Aber es kann ja auch nicht immer gleich die Elbphilharmonie sein. Dafür können sich die Braunschweiger wohl schon bald und nicht erst in ferner Zukunft über ein neues Konzerthaus freuen.


Die EU atmet auf – zu Recht?

Den Entscheidern in der Europäischen Union dürfte gestern ein Stein vom Herzen gefallen sein: Die umstrittene Asylreform hat im Europaparlament eine entscheidende Hürde genommen. Nach hitzigen Debatten stimmten die Abgeordneten ihr am gestrigen Abend zu. Unter anderem sollen Ankommende an den Außengrenzen nun in einem einheitlichen Verfahren gescreent werden, einige sollen ein sogenanntes Grenzverfahren durchlaufen und, bei negativem Ausgang, direkt von der Grenze wieder abgeschoben werden. Mehr lesen Sie hier. Jetzt müssen die EU-Staaten den Pakt noch billigen, das gilt in der Regel aber als Formsache.

Allein dass sich die 27 EU-Staaten nach acht Jahren überhaupt auf eine Reform einigen konnten, ist ein Erfolg – und bei so vielen unterschiedlichen Interessen und zwischendrin wechselnden Regierungen beinahe ein Wunder. Herausgekommen ist ein Kompromiss, der nun einerseits darauf abzielt, die Regeln in der EU zu vereinheitlichen und andererseits die Regeln zu verschärfen.

Besonders umstritten war dabei in Deutschland die Frage, wer an der Grenze künftig für mehrere Wochen festgehalten werden soll: nur Erwachsene – oder auch Kinder? Die Grünen setzten sich vehement dafür ein, dass Minderjährige vom Grenzverfahren ausgenommen werden. Doch am Ende konnte sich Deutschland damit in der EU nicht durchsetzen.

Das führte nun zu einer absurden Situation: Während die Grünen in Berlin den Kurs der Bundesregierung stützten, die Reform endlich auf den Weg zu bringen, stimmten die Grünen im Europaparlament gegen die zentralen Punkte der Reform – gemeinsam mit Parteien am äußersten rechten und linken Rand. "Kinder sollten schlicht nicht in Lager gesperrt werden", teilte der migrationspolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Erik Marquardt, dazu mit. In der Reform werde Härte in der Asylpolitik über das Ziel gestellt, sinnvolle Lösungen zu finden, kritisierte er weiter und prophezeite, dass die Reform nicht zu einer effektiveren Asylpolitik in Europa führen werde.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser hingegen bezeichnete die Reform als Schlüssel, um die Migration endlich zu steuern. "Europa muss hier seine Handlungsfähigkeit zeigen. Niemand darf dieses Thema den Rechtspopulisten überlassen, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchen", sagte die SPD-Politikerin.

Was stimmt? Ein großer Teil der Experten ist sich einig, dass die Reform nicht der große Wurf ist, den es eigentlich bräuchte, um die irreguläre Flucht nach Europa einzugrenzen und zu steuern. Constantin Hruschka, Experte für europäisches Migrationsrecht, sagte t-online vor einigen Wochen, die Reform werde europaweit zu keinen großen Veränderungen führen, sondern die Lasten nur anders auf die Staaten verteilen. Rechtswissenschaftler Maximilian Pichl sieht laut "Frankfurter Rundschau" zahlreiche Menschenrechtsklagen auf die EU zukommen. Und der niederländische Migrationsexperte Ruud Koopmans weist immer wieder darauf hin, dass seiner Ansicht nach kein Weg an Asylverfahren in Drittstaaten vorbeiführe, um die Flucht nach Europa humanitär zu gestalten. An der Frage, ob die Reform schärfer oder liberaler hätte ausfallen sollen, scheiden sich allerdings die Geister.

In aller Bestimmtheit wird sich das in frühestens zwei Jahren zeigen. Denn so lange haben die EU-Staaten Zeit, die Umsetzung vorzubereiten. Wer nun also auf einen schnellen Rückgang der Asylzahlen hofft oder das gar den Wählern verspricht, dürfte von der Realität schnell eingeholt werden.


Die Termine

Es ist eine umstrittene Veranstaltung: Heute Abend duellieren sich zur besten Sendezeit (20.15 Uhr) auf Welt TV zwei Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Thüringen: Mario Voigt von der CDU und Björn Höcke von der AfD. Viel Kritik gibt es an der Tatsache, dass mit Höcke ein Rechtsextremist im Fernsehen seine Positionen darstellen darf. Voigt hat angekündigt, den AfD-Kandidaten in dem Duell "stellen" zu wollen.


Wie kann der Wohnungsbau in Deutschland wieder angekurbelt werden? Darum gehts heute beim 15. Wohnungsbautag. Unter anderem Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) werden sich zu Wort melden.


Die Europäische Zentralbank (EZB) verkündet heute Nachmittag ihre Entscheidung über den Leitzins. An den Finanzmärkten gehen derzeit viele Experten davon aus, dass die EZB noch in diesem Jahr den Zins wieder senken wird, nachdem er 2023 kräftig angestiegen war. Für heute allerdings wird erwartet, dass er bei 4,5 Prozent verharrt.


Das historische Bild

Kaum waren die Nationalsozialisten an der Macht, errichteten sie erste Konzentrationslager. Zur "Schule der Gewalt" sollte das KZ Dachau werden. Mehr lesen Sie hier.


Ohrenschmaus

Immer wenn im Frühjahr die ersten Male richtig die Sonne herauskommt, die Bäume blühen und auf einmal wieder Leben auf den Straßen ist, habe ich automatisch dieses Lied im Kopf. Liegt wohl an dem typischen 70er-Jahre-Sound. Hier gehts zum Frühlingsohrwurm.


Was lesen?

Die chinesische Führung hat eine Friedenskonferenz für den Ukraine-Krieg vorgeschlagen. Verliert Xi Jinping die Geduld mit Wladimir Putin und seinem Krieg? Mein Kollege Patrick Diekmann hat Antworten.


Es hätte die große Versöhnung werden können, doch es herrscht weiter dicke Luft: Ein Treffen des Kanzlers mit Vertretern der vier wichtigsten Wirtschaftsverbände konnte die jüngst getrübte Stimmung kaum verbessern, berichtet mein Kollege Florian Schmidt.


Die polizeiliche Kriminalstatistik sieht einen Anstieg an Straf- und Gewalttaten in Deutschland. Diskutiert wird über die Herkunft von Tatverdächtigen. Ist das der richtige Ansatz? Ein Pro und Kontra von Christoph Schwennicke und Simone Rafael.


Zu guter Letzt

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Donnerstag. Morgen schreibt Ihnen mein Kollege David Schafbuch.

Camilla Kohrs
Ressortleiterin Politik und Wirtschaft
Twitter: @cckohrs

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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