Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Polizeiliche Kriminalitätsstatistik Die Leute lassen sich nicht für dumm verkaufen
Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik sieht einen Anstieg an Straf- und Gewalttaten in Deutschland. Diskutiert wird über die Herkunft von Tatverdächtigen. Ist das der richtige Ansatz?
Am Dienstag wurde in Berlin von Bundesinnenministerin Nancy Faeser die "Polizeiliche Kriminalstatistik" (PKS) vorgestellt. Die Polizei hat im vergangenen Jahr in Deutschland so viele Straftaten registriert wie seit 2016 nicht mehr. "Deutschland ist weiterhin eines der sichersten Länder der Welt. Wir sind ein starker Rechtsstaat", sagte Faeser, räumte aber ein: "Es gibt eine gestiegene Gewaltkriminalität, es gibt mehr Jugend- und es gibt mehr Ausländerkriminalität." Deshalb gehe es heute um das "harte Durchgreifen" des Rechtsstaates. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die deutlich gestiegene Jugendkriminalität sei auch auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen, sagte die Bundesinnenministerin. Außerdem müssten ausländische Täter Deutschland deutlich schneller verlassen als bisher.
Dieses Thema treibt die Gesellschaft noch deutlich mehr um als die Jugendkriminalität. Politik und Gesellschaft debattieren:
Haben wir ein Problem mit Gewalt von Ausländern?
Ja, das darf nicht beschönigt werden
Kommentarlage am Morgen nach der Veröffentlichung der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik: Die einschlägigen Medien ergehen sich in ebenso erwartbaren wie verzweifelten, letztlich erbärmlichen Relativierungs- und Beschwichtigungsversuchen. Zwischen 35 und 40 Prozent ausländische Täter bei Gewalttaten (je nach Rechnung): Das kann man so nicht sagen! Erstens seien das "nur" Verdachtsfälle (bei diesem Argument schwingt ausgesprochen oder unausgesprochen immer mit: Die tendenziell "rechten" Polizisten haben immer als erste Ausländer im Visier). Und zweitens sei das entscheidende Merkmal nicht die Herkunft, sondern: jung und männlich. Alle Jahre wieder geht das so. Gegen diesen Schutzimpuls (aus gut gemeinten Motiven heraus) nimmt sich der Pawlow‘sche Hund aus wie ein Zufallsgenerator.
Problem: Was gut gemeint ist, Ressentiments und Rassismus einzudämmen nämlich, schlägt so genau ins Gegenteil um. Die Leute da draußen lassen sich nicht für dumm verkaufen. Sie haben Augen und Ohren, bewegen sich auf Bahnhöfen und in öffentlichen Parks und nehmen wahr, dass die Statistik mehr mit ihren persönlichen Beobachtungen übereinstimmt als die beschwichtigenden Kommentatoren. Es hat sich etwas geändert in diesem Land seit 2015, und zwar nicht, wie die Grüne Katrin Göring-Eckardt ("Ich freue mich drauf!") und der Ex-Daimler-Boss Dieter Zetsche ("ein neues Wirtschaftswunder!") prophezeit haben.
Abhilfe dieses unseligen Zustandes schafft nur ein Ende oder wenigstens eine Eindämmung der illegalen Migration. Sonst brennt hier jenseits der Gewalttaten gesellschaftlich etwas gewaltig an. Wenn das nicht schon passiert ist. Nancy Faeser, die Bundesinnenministerin, weiß ganz genau, weshalb sie am Tag darauf alle Hoffnung in eine restriktivere EU-Asylpolitik setzt. Nur so geht es.
Nein, wir sollten Lösungen suchen, statt Rassismus zu schüren
Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik ist mehr ein Arbeitsnachweis der Polizei als eine Datenerhebung, die zur Auswertung nützt. Viele Experten innerhalb und außerhalb der Polizei sagen das. Mehr dazu lesen Sie hier.
Trotzdem gibt es alle Jahre wieder Debatten über die Daten, und am liebsten werden sie über die Herkunft von Tatverdächtigen geführt. Das liegt daran, dass die Statistik Tatverdächtige mit und ohne deutschen Pass auswertet. Das ist eine polizeiliche Arbeitserfassungsstrategie, kein Analysewerkzeug. Tatverdächtige ohne deutschen Pass umfassen Touristen, kriminelle Banden aus anderen Ländern, die für Verbrechen nach Deutschland kommen, oder Menschen, die ohne Pass in Deutschland leben – etwa Geflüchtete.
In der Debatte über die Herkunft der Tatverdächtigen werden daher die falschen Fragen gestellt. Es geht doch darum, sicherer zu leben. Wissenschaftliche Forschung zeigt: Die Herkunft sagt nichts darüber aus, ob jemand straffällig wird oder nicht. Andere Kriterien gibt es dagegen schon: Dazu gehören die Lebensverhältnisse wie Armut und Bildungszugang, Alter, Geschlecht und das Leben in größeren Städten.
Wenn es also besonders viele Straftaten in Flüchtlingsunterkünften gibt – unter den Geflüchteten – warum setzen wir nicht alles daran, die Menschen in Wohnungen unterzubringen? Dann gibt es auch keine Konflikte mehr in menschenunwürdigen Sammelunterkünften. Wo sind die Rufe nach umfassenden Bildungs- und Integrationsprogrammen, die den Menschen, die in Deutschland bleiben, gute Chancen für ihr weiteres Leben als Erwerbstätige und Bürger geben? Davon ist nichts zu hören.
Sie wären aber wichtiger, als rechten Reflexen nachzugeben und Schutzsuchende abweisen zu wollen. Gegen kriminelle Banden, die in Deutschland Verbrechen begehen, hilft eine Verschärfung des Asylrechts jedenfalls nichts. Und sollten wir nicht auch über das Verhältnis von kriminellen Männern und Frauen sprechen, ganz unabhängig vom Pass? Die meisten Femizide werden immer noch als "Beziehungstaten" verharmlost.
Und ja, Rassismus hat auch mit den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zu tun. Rassismus ist ein Fakt in dieser Gesellschaft. In diesem Fall drückt er sich darin aus, dass Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe – da ist der Pass ganz egal – häufiger von der Polizei kontrolliert werden. Sie werden öfter von ihren Mitmenschen angezeigt. Sie werden öfter als Tatverdächtige geführt, ohne dass sich die Straftaten vor Gericht erhärten. Packen wir doch lieber bei der Problemlösung an: Gute Sozialpolitik könnte ein Start sein.
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