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Mick Jagger wird 80: Dieser Rockstar ist ein lebendes Wunder


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Tagesanbruch
Dieser Mann ist ein lebendes Wunder

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 26.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Mick Jagger im Jahr 1964, zwei Jahre nach Gründung der Rolling Stones.Vergrößern des Bildes
Mick Jagger im Jahr 1964, zwei Jahre nach Gründung der Rolling Stones. (Quelle: imago images)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

die Tage vergehen, die Monate auch, die Muskeln erschlaffen, es wächst nur der Bauch. So ziehen Jahre und Jugend dahin, wenn's gut geht, bleibt noch der Sinn. Der Sinn für das Schöne, der Dank für ein Leben, das nach Höherem strebte und oft in Niederungen blieb – so ist das eben.

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Sie merken schon, liebe Leser, heute Morgen ist's mir zum Reimen zumute, und das hat einen Grund. Die Zeit rast, erst recht für uns Journalisten, wir schielen ja immerzu nach den neuesten News und der nächsten Story. So ein Marathon geht an niemandem spurlos vorbei, und der Rest des Alltags tut es auch nicht. Wie viele Stunden hat man damit zugebracht, Nachrichten zu schreiben, Gespräche zu führen, Ideen zu notieren und in den Mülleimer zu werfen, von A nach B zu hecheln, in überfüllten Zügen zu sitzen, einzukaufen, staubzusaugen, Hausaufgaben zu kontrollieren, videozukonferieren, nach einem langen Arbeitstag auch noch einen viel zu langen Newsletter zu schreiben, und am nächsten Tag alles wieder von vorn. Früher ging das alles leichter, da war mehr Lametta. Heute knackt der Rücken, das Haar wird licht, und wenn die Jugend nachts um elf am Tresen aufblüht, fallen unsereins die Augen dazu. Nein, es ist kein Zuckerschlecken mit bald 50.

Dabei wär' man gern quietschlebendig, energiegeladen und ein Quell der Inspiration. Wie bewundernswert doch all die betagten Leserinnen und Leser sind, die uns regelmäßig schreiben und dabei Geist und Charme versprühen! Sie zählen 80, 85, 90 Lenze, berichten manche, und klingen doch wie junge Hüpfer. Beneidenswert. Womöglich trinken sie täglich Ingwertee oder schlafen zehn Stunden pro Nacht, vielleicht haben sie auch bessere Gene.

Oder ist die Lebenseinstellung das Geheimnis, der wahre Quell der Energie? Gern würde ich den heutigen Jubilar dazu befragen, aber ich bin ihm leider nie persönlich begegnet. Sah ihn nur vor ein paar Jahren mal aus 50, 60 Metern Entfernung. Da war er auch schon in den Siebzigern, hüpfte aber auf der Bühne wie ein junger Gott. Schwenkte die Hüften, jauchzte ins Mikrofon und wickelte 80.000 begeisterte Menschen um den Finger. Ich stand in der Menge und genoss es sehr, mich von dem Opi besingen zu lassen. Würde auch sofort wieder hingehen, wenn er mit den anderen Steinen mal wieder vorbeirollte.

Ja, Mick Jagger wird heute tatsächlich 80 Jahre alt. Der größte lebende Rockstar der Welt geht auf die Zielgerade des Lebens. Was hat dieser Mann alles erlebt, gemacht, erreicht! Gemeinsam mit Keith, Brian, Bill und Charlie den Rock 'n' Roll revolutioniert. Den Sound der Straße auf die Bühne und die Platten gebracht. Jahrzehntelang einen Hit nach dem anderen komponiert und Abermillionen Fans beglückt. In den Sechzigern hieß es: Beatles oder Stones? Die Jugend teilte sich in 50:50.

Und Mick peitschte die Bewegung auf. Brachte Hallen und Stadien auf der ganzen Welt zum Kochen, spielte in Filmen, war sex- und drogensüchtig, pfiff sich zeitweise täglich LSD und Heroin rein, soll 4.000 Frauen verführt und mindestens acht Kinder gezeugt haben. Er entging einem Mordanschlag der Hells Angels, wurde zum Ritter geschlagen, war erst Anarchist, dann Konservativer – und tanzt noch heute wie ein Derwisch. Seine Auftritte sind Extremsport, er soll auf der Bühne mehrere Kilo Gewicht verlieren. In all den Jahren seit Gründung der Stones 1962 gab er jeden Tag Vollgas, war immer präsent, immer am Anschlag. Man kann es ein Wunder nennen, dass jemand mit diesem Lebensstil 80 Jahre überlebt. Oder man nimmt es als Beweis dafür, dass der Allmächtige seine Schäflein in unterschiedlichem Maße mit Energie beschenkt.

"Mick Jagger ist Mick Jagger. Er ist der beste Frontmann in der Branche", sagt Stones-Gitarrist Keith Richards über seinen Freund, er muss es wissen. Dabei findet Mick seine eigene Stimme noch nicht mal sonderlich gut. "Ich habe Glück, dass ich immer noch mehr oder weniger dieselben Töne singen kann wie als ich 19 war", erzählte er neulich der BBC. "Ich habe keine großartige Stimme. Aber sie erfüllt ihren Zweck." Das mag man britisches Understatement nennen, aber vermutlich ist es sogar wahr. Es gibt bessere Sänger als Mick Jagger, bessere Tänzer und bessere Komponisten. Aber alle Qualitäten in einer Person vereint, einem Tausendsassa, der nur fünf Sekunden braucht, um sein Publikum in Ekstase zu versetzen: Das gibt es nur einmal. Also verbeugen wir uns heute so tief, wie es unser knackender Rücken eben zulässt, gratulieren dem Jubilar aus tiefem Rockerherzen und ergötzen uns an seinem wunderbaren Ohrenschmaus.


Korn für die Welt

Seit Juli 2022 gab es zwischen Moskau und Kiew ein wichtiges Abkommen: Trotz des russischen Angriffskriegs durften Schiffe ukrainisches Getreide übers Schwarze Meer transportieren. Die Vereinten Nationen und die Türkei garantierten so die Nahrungsmittelversorgung der ärmsten Staaten der Welt – bis Putin den Vertrag vergangene Woche aufkündigte. Seither beschießt das russische Militär ukrainische Hafenstädte wie Odessa, legt Getreidespeicher, Hafeninfrastruktur oder auch mal eine Kathedrale in Schutt und Asche.

Heute beschäftigt sich auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Selenskyj der neu geschaffene Nato-Ukraine-Rat in Brüssel mit der Krise. Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilt "Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, aufs Schärfste". Wie eine Auflösung der Blockade erreicht werden kann, ist jedoch völlig unklar: Der Kreml verknüpft eine Rückkehr zum Abkommen mit der unerfüllbaren Forderung nach einer Lockerung von Sanktionen, um eigenes Getreide und Dünger auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Immerhin: Selbst Putins "felsenfeste" Freunde in Peking zeigen sich verstimmt und fordern, dass der Vertrag wieder "vollständig" umgesetzt wird.


Proteste und Petitionen

Die politische Krise lähmt Israel: Ohne Rücksicht auf Verluste hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Kernelement seiner umstrittenen "Justizreform" durchs Parlament gebracht, die Massenproteste schwellen an. Weil das Gesetz die Macht des Obersten Gerichts beschneidet und die Gewaltenteilung aufhebt, erschienen viele israelische Zeitungen mit geschwärzter Titelseite, Tausende Ärzte traten in Streik. Netanjahus Vorgänger Yair Lapid hat eine Klage gegen das Gesetz angekündigt, mehrere Interessenverbände und Bürgerrechtsgruppen haben beim Obersten Gerichtshof Petitionen eingereicht. Heikel: Damit muss das Gericht über ein Gesetz urteilen, das seine eigenen Kompetenzen einschränken soll. Was daraus folgt, hat der Israel-Korrespondent Richard C. Schneider meinem Kollegen David Schafbuch erklärt.

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Der Planet schlägt zurück

Was uns der Klimawandel bald noch viel häufiger bescheren wird, zeigt sich in Südeuropa schon jetzt in aller Brutalität: Extremwetterlagen jeder Ausprägung richten gewaltige Schäden an. Während es in Norditalien Tennisball-große Hagelkörner regnet, kämpft die griechische Ferieninsel Rhodos gegen Waldbrände, die von starken Winden angefacht werden. Heute werden dort wieder Temperaturen von 46 Grad und mehr erwartet. Und die meisten Staaten der Welt betreiben immer noch keinen konsequenten Klimaschutz.


Lesetipps

Wie geht es weiter mit Putins Krieg gegen die Ukraine? "Das Beste für Russland wäre eine große Niederlage", sagt Timothy Garton Ash. Im Gespräch mit Marc von Lüpke und mir erklärt der weltberühmte britische Historiker, warum Deutschland dabei eine Schlüsselrolle zukommt.


Die Deutsche Bahn ist in schlechtem Zustand. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing will alles anders machen als seine Vorgänger, aber trotzdem niemanden verprellen. Ob das gelingt, erklären Ihnen unsere Reporter Lisa Becke und Tim Kummert.


In einer Privatklinik in Hannover liegt offenbar ein Mann, der Tausende Menschenleben ausgelöscht haben soll: Meine Kollegin Marianne Max berichtet vom Fall des "Todesrichters" Hossein Ali Naeiri.


Wie kommt die Bundeswehr schneller an moderne Ausrüstung? Forscher haben neue Vorschläge gemacht – von denen einer auf Widerstand stößt, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier.


Zum Schluss

Da sitzt man nichts ahnend auf einem Boot. Und dann das.

Ich wünsche Ihnen einen Tag mit viel Energie.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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