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Ukraine-Krieg: Putin führt Russland in die Falle


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Tagesanbruch
Putin führt Russland in die Falle

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.08.2022Lesedauer: 6 Min.
Russlands autokratisch regierender Präsident Wladimir Putin setzt seinen aggressiven Kurs unbeirrt fort.Vergrößern des Bildes
Russlands autokratisch regierender Präsident Wladimir Putin setzt seinen aggressiven Kurs unbeirrt fort. (Quelle: MikhailxKlimentyev/KremlinxPool/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist sehr warm, da kann man schon ein bisschen schläfrig werden. In der Hitze scheint sich alles verlangsamt zu bewegen. Selbst was vor einer Weile noch dramatisch erschien, ist nun vom Hauch der Stagnation umweht. Eine kleine Ewigkeit scheint es schon her zu sein, als uns das Adrenalin durch die Adern jagte, weil ein brutaler Krieg mitten in Europa ausbrach. Mittlerweile ist das Donnern der Kanonen in den Hintergrund gerückt.

UN-Generalsekretär António Guterres fährt heute in die Ukraine, erntet aber kaum mehr als ein Gähnen. Alle haben sich ja dort schon die Klinke in die Hand gegeben. Aufregend ist das gewesen, zu Anfang, als die Sirenen heulten und man den Mut der Reisenden bewunderte. Irgendwann war sogar Kanzler Scholz da, und dann die Luft raus. Jetzt also mal wieder der UN-Chef. Nun gut.

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Selbst ein Krieg kann das Gefühl der Ermattung und des Stillstands vermitteln, allerdings nur, wenn man weit genug weg ist. Die Artilleriegranaten, die Raketen, die Scharmützel auf kurze Distanz: Seit Monaten geht das nun schon so. Eine Eilmeldung ist das längst nicht mehr, aber noch genauso mörderisch vor Ort. Die Monotonie des Tötens und Sterbens wird gelegentlich durch kleinere Sensationsmeldungen unterbrochen: heftige Detonationen auf einer russischen Basis auf der Krim! Strategisch entscheidende Brücke bei Cherson zerstört! Kommt jetzt die ukrainische Gegenoffensive? Schnell schießen dann die Spekulationen ins Kraut, manche reden gar von einem möglichen Sieg der Ukraine. Denn ewig kann das ja nicht so weitergehen. Oder etwa doch?

Dieses Jahr werde sich auf dem Schlachtfeld wohl nichts mehr entscheiden, hat der Chef des britischen Militärgeheimdienstes den Kollegen von der BBC erzählt. Zwar sollte man den Schlapphüten nicht alles unbesehen glauben, aber auch aus dem Mund von neutraleren Fachleuten ist eine ähnliche Einschätzung zu hören. Ausgelaugt und erschöpft seien die Truppen auf beiden Seiten. Schon seit einer Weile pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass die ukrainische Militärführung einen Gegenschlag im Süden des Landes vorbereite, dessen Ziel es sein könnte, Putin Cherson wieder abzutrotzen: die einzige Provinzhauptstadt, die russische Soldaten bisher erobern konnten. Westliche Präzisionswaffen könnten dabei helfen. Die Brücken aus der Stadt gen Osten und damit die wichtigsten Versorgungswege der Russen haben sie bereits zerstört.

Doch es gibt Zweifel daran, ob die ukrainischen Kräfte für eine Offensive reichen. Manches kann nämlich selbst der neueste Stand der Waffentechnik nicht ausgleichen. Eine mies ausgebildete Infanterie zum Beispiel. Private Ausbilder aus dem Westen berichten Haarsträubendes: von Rekruten, die an der Front kämpfen, ohne dass sie wüssten, wie man mit einem Gewehr umgeht. Von Sanitätern, die ihr Handwerk lernen, indem ihnen jemand einen Verbandskasten in die Hand drückt und befiehlt: Du bist jetzt der Sani!

Zur Wahrheit gehört auch, dass die russische Armee dieselben Probleme hat. Es mangelt auf beiden Seiten an Ausbildern, denn die erfahrenen Soldaten werden dringend an der Front gebraucht – oder sind dort schon gestorben. Kriegsentscheidende Wendungen sind auf den Schlachtfeldern der Ukraine deshalb erst einmal nicht zu erwarten.

Abseits davon aber schon. Präsident Selenskyj in Kiew weiß es, der Aggressor im Kreml weiß es auch: Die Ukraine hängt militärisch und finanziell komplett am Tropf des Westens. Putin kennt seine Chancen, und derer gibt es viele. Der Gasmangel, die hochschnellenden Kosten für Energie, die Haushalte in ganz Europa in die Verzweiflung und Firmen in die Pleite treiben. Die Unzufriedenheit mit den Regierenden, die "Wutbürger" wie gestern in Neuruppin, soziale Unruhe – alles befeuert von der gut geölten Desinformationsmaschinerie des Kreml.

Auch mit Streit unter den Unterstützern der Ukraine muss gerechnet werden: Großbritannien, Polen und die baltischen Staaten, die einen besonders harten Kurs gegen den Kreml fordern, kabbeln sich schließlich schon jetzt regelmäßig mit den zögerlicheren – oder, je nach Betrachtung, vorsichtigeren – Regierungen in Deutschland und Frankreich. In den USA bekommen Donald Trumps Kumpels Aufwind; falls sie bei den Kongresswahlen im November siegen, könnte das amerikanische Engagement in der Ukraine rasch erledigt sein.

Aber die Zeit ist ein wankelmütiges Wesen. Erst arbeitet sie für Putin. Dann gegen ihn. Sein stärkster Partner hat bereits begonnen, ihn mit einer solidarischen Umarmung zu umschließen, und aus dieser Umarmung kommt er so leicht nicht mehr heraus: Putin muss dankbar sein für die vertiefte Kooperation mit Präsident Xi Jinping, dessen Land einerseits freundlicher Abnehmer für Gas und Öl, andererseits lächelnder Lieferant für vieles ist, was die isolierte russische Wirtschaft anderswo nicht mehr bekommt.

Russland braucht China. Und China kann Russland gut gebrauchen. Wenn man sich gemeinsam an den Tisch setzt, um die Konditionen der "vorteilhaften Beziehungen" auszuhandeln, darf Herr Xi seine Wünsche nennen. Putin darf sie mitschreiben. Das Verhältnis der beiden als Gebieter und Vasall zu beschreiben, ist nur geringfügig überspitzt. Putin führt Russland in die chinesische Falle. Im nächsten Jahr, wenn sich Deutschland, Italien und all die anderen Junkies, die an der russischen Gaspipeline hängen, aus ihrer Abhängigkeit allmählich befreien und es mit den fetten Profiten für Moskau langsam vorbei ist, wird sich das Spiel schließlich umkehren: Die Sanktionen werden Moskau stärker schmerzen. Dann dürfte Unzufriedenheit in der Bevölkerung immer noch ein Riesenthema sein – aber diesmal in Russland sehr viel stärker als im Westen.


Nach dem Eklat

Groß ist die Aufregung im politischen Berlin, weil Olaf Scholz bei der Pressekonferenz mit Mahmud Abbas nicht einschritt, als der Palästinenserführer den Holocaust relativierte. Unsere Chefreporterin Miriam Hollstein erklärt in ihrem Kommentar, warum das Schweigen des Kanzlers tatsächlich fatal war. In der arabischen Welt ist es allerdings weit verbreitet, die israelische Unterdrückung der Palästinenser mit dem Massenmord an den Juden gleichzusetzen. Ein ebenso abscheulicher wie absurder Vergleich – der auch den Antisemitismus in Deutschland anfacht, wie der Islamforscher Ahmad Mansour im Interview mit meinem Kollegen Daniel Mützel berichtet.


Was steht an?

Die EU verschärft die Strafen gegen Putins Kriegsregime. Mehrere Staaten verwehren sämtlichen Russen die Einreise, nun fordern sie ein EU-weites Visaverbot. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt das ab und zieht damit den Ärger der Osteuropäer auf sich, wie mein Kollege David Schafbuch berichtet. Dabei liegt er hier mal richtig: Man sollte nicht alle Russen für die Verbrechen des Kreml-Despoten bestrafen.

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Seit März 2020 müssen alle Kinder in Schulen und Kitas eine Masern-Impfung oder eine überstandene Infektion nachweisen. Mehrere Eltern haben dagegen geklagt. Heute verkündet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung, ob das Gesetz des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn rechtmäßig ist.


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Was noch lesen?

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Hochriskant war das Kunststück, das dieser Herr 1974 in New York vollbrachte. Mehr erfahren Sie auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

Der wohl gröschde lebende Entertainer des Landes begeht heute seinen 65. Geburtstag. Oder begeht er ihn gar nicht, sondern erschwimmt ihn auf einem Kreuzfahrtschiff, wo er sich seit seinem bedauerlichen Rückzug aus dem Fernsehzirkus häuslich eingerichtet hat? Wie auch immer, wir gratulieren dem Harald jedenfalls artig und bekunden den Wunsch, dass es irgendwann wieder so köstliche Szenen auf deutschen Flimmerscheiben geben möge wie früher.

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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