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Ukraine-Konflikt: So kann die Nato nicht weitermachen


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Tagesanbruch
Die Ukraine-Krise wird immer gefährlicher

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 02.02.2022Lesedauer: 5 Min.
Nato-Kampfjet in Griechenland.Vergrößern des Bildes
Nato-Kampfjet in Griechenland. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal hilft es, die Dinge von hinten zu betrachten. Dann entdeckt man erstaunliche Parallelen. So wie beim heutigen Datum, dem 02.02.2022: Schiebt man Ziffern und Punkte ein bisschen hin und her, kommt man auf dasselbe Ergebnis wie von vorn. Was beim Schnapszahldatum funktioniert, gelingt auch bei der gefährlichsten Krise dieser Tage: Da lassen sich ebenfalls Parallelen finden, und man kann aus ihnen sogar etwas lernen. Jedenfalls, wenn man bereit ist, ein bisschen kreativer zu denken als nur von A bis B.

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Womit wir bei Wladimir Putin sind. Der russische Präsident hat mit seinem Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze eine internationale Krise angezettelt, nun treibt er den Westen vor sich her. Ob Annalena Baerbock oder Joe Biden: Alle müssen über die Stöckchen springen, die er ihnen hinhält. So entlarvt der Kremlchef nicht nur die Schwäche der EU und der Nato. Er gewinnt auch eine gefühlte Macht, die größer ist als sein tatsächlicher Einfluss. Deutsche Politiker von der Linken bis zur SPD verrenken sich argumentativ, um die Beweggründe und Befindlichkeiten der Russen auszuloten: Tut denen die Osterweiterung des Westens weh? Wollen die einfach nur Respekt?

Vieles, was da geraunt wird, ist ziemlich dünne Suppe. Manchem Zitatgeber würde die Lektüre eines Interviews mit dem Sicherheitsexperten Wolfgang Ischinger guttun. Egal, was Putin antreiben mag: Mit seinem martialischen Aufmarsch verletzt er die Gepflogenheiten internationaler Politik und spielt kaltblütig mit dem Schicksal vieler Menschen. So was tut man nicht, selbst wenn man sich für den Ober-Babo hält. Nachdem wir uns genug über dieses dreiste Machtmanöver empört haben, können wir trotzdem überlegen, wie sich die Situation entschärfen lässt. Und dabei hilft es, die Dinge von hinten zu betrachten.

Werfen wir also einen Blick nach hinten, in die Vergangenheit: Vor 60 Jahren brachte schon einmal eine außenpolitische Krise die Welt an den Rand eines verheerenden Krieges. Damals stationierten die Sowjets heimlich Atomraketen auf Kuba. Die Geschosse besaßen ein Vielfaches der Zerstörungskraft der Atombombe von Nagasaki. Amerikanische Aufklärungsjets fotografierten die Abschussrampen, in Washington schrillten die Alarmglocken: Plötzlich waren amerikanische Großstädte nur noch wenige Flugminuten von der möglichen Zerstörung entfernt.

Präsident John F. Kennedy reagierte entschlossen – aber klug: Er beschwor in einer Fernsehansprache die Gefahr der russischen Waffen, scharte die Nation hinter sich und verhängte eine Seeblockade über Kuba. Seine Militärs schmiedeten Pläne für einen Luftangriff. Gleichzeitig behielt er einen kühlen Kopf: Ein sowjetisches U-Boot ließ er nicht versenken, sondern nur warnen. Er schlug auch nicht los, als die Kubaner ein amerikanisches Spionageflugzeug abschossen. Parallel ließ er seinen Bruder Robert mit dem sowjetischen Botschafter einen Kompromiss aushandeln: Moskau sollte seine Atomraketen auf Kuba abbauen – und die Amerikaner dafür ihre Raketen aus der Türkei abziehen. Und genau so kam es. Die westliche Presse feierte Kennedy: Unser Mann hat den sowjetischen Kriegstreiber Chruschtschow bezwungen!

Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, denn die ganze Geschichte war komplexer: Der Kremlchef hatte seine Raketen vor allem deshalb nach Kuba geschickt, weil er den Ostblock von neuen US-Raketen in der Türkei und in Süditalien bedroht sah. Einen nuklearen Erstschlag hatten die Amerikaner ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Lösen ließ sich die Kubakrise deshalb nur durch einen Kompromiss: Beide Seiten zogen sich ein Stück zurück, die Russen aus Kuba, die Amis aus der Türkei.

Wenn wir nun aus der Vergangenheit wieder ins Jetzt springen und auf die Ukraine-Krise schauen, haben wir also etwas gelernt: Gefährliche Konflikte lassen sich nicht lösen, indem beide Seiten auf Maximalforderungen beharren. Vor den Fernsehkameras mögen Politiker den Gorilla geben, doch hinter den Kulissen müssen sie sich in Mäuschen verwandeln, mit dem Gegner feilschen und ihm entgegenkommen. Was das für die Nato-Staaten bedeutet, müssen Biden, Scholz, Baerbock und Co. selbst herausfinden. Aber weiterhin fröhlich jedem ehemaligen Ostblockstaat die Mitgliedschaft in der westlichen Militärallianz anheimzustellen, wie es Nato-Generalsekretär Stoltenberg mit Blick auf die Ukraine tut, kann gewiss nicht die Lösung sein. Um den Frieden auf der Welt zu erhalten, braucht es dann doch ein bisschen mehr Kreativität.


Blanke Brutalität

Je mehr Details zum Mord an den beiden Polizisten bekannt werden, desto schockierender wird der Fall. Wie kaputt muss ein Mensch sein, wenn er einer jungen Frau in den Kopf schießt und anschließend auch noch viermal auf deren Kollegen feuert – offenbar nur deshalb, weil die beiden ihn beim Wildern erwischt haben? Was mitten in der Nacht auf einer Straße in der pfälzischen Provinz geschehen ist, lässt nicht nur Polizisten erschaudern. Es zeigt uns, welche Abgründe in manchen Leuten lauern und wie schnell eine vermeintliche Routinesituation in blanke Brutalität umschlagen kann. Als er die Mutter von einem der Opfer besuchte, habe er Tränen in den Augen gehabt, erzählt der westpfälzische Polizeipräsident Michael Denne. Man kann den Angehörigen nur wünschen, dass sie jetzt viel Unterstützung bekommen und vielleicht irgendwann Trost finden. Wirklich verstehen werden sie diese Tat womöglich nie. Hier ist der Ermittlungsstand.


Corona absurd

Blicken Sie in der Corona-Politik noch durch? Ich auch nicht. Erst hat die Bundesregierung mit großem Tamtam die berufsbezogene Impfpflicht eingeführt – prompt hebelt sie diese wieder aus: Ungeimpfte Mitarbeiter in Kliniken und Pflegeheimen dürfen auch nach dem Stichtag 16. März weiterarbeiten. Abgesehen davon, dass Schwerkranke und Senioren nun weiterhin dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt werden, stelle ich mir die Frage: Was kriegen wir hierzulande eigentlich mal konsequent geregelt?

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Folgenschwere Entscheidung

Die EU-Kommission verkündet heute, ob sie sich wirklich traut, Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energiequellen einzustufen. Genau, das ist diese Sache mit dem komplizierten Wort Taxonomie. Banken, Versicherungen und andere Investoren würden dann eher in AKWs und Kraftwerke investieren. Wenn Europa wirklich bis 2050 klimaneutral werden will, wäre das wohl vernünftig (jetzt kommen gleich wieder böse E-Mails, ich weiß).


Wichtiges Urteil

Europäische Richter urteilen im Fall Gazprom: Der russische Energiekonzern soll in der Vergangenheit osteuropäischen Ländern überhöhte Gaspreise in Rechnung gestellt haben. Wie auch immer das Urteil ausfällt – es dürfte die aktuelle Diskussion befeuern. Kritiker werfen Russland vor, absichtlich zu wenig Gas in den Westen zu leiten und so den Preis hochzuhalten.


Noch mehr Missbrauchsfälle

Auch im Bistum Magdeburg sind Kinder von Priestern sexuell missbraucht worden. Bischof Gerhard Feige und die Aufarbeitungskommission informieren heute über die neuesten Erkenntnisse.


Was lesen?

In ihrer Russland-Politik ähnelt die SPD einer Jahrmarktorgel: Aus jeder Pfeife kommt ein anderer Ton. In der Opposition war das egal – als Regierungspartei ist es gefährlich. Warum die Genossen keine klare Linie finden, beschreibt unser Reporter Johannes Bebermeier.


Die Amerikaner dagegen sind glasklar: Sie schmieden eine Allianz gegen die Erdgasröhre Nord Stream 2 – wenige Tage vor dem Antrittsbesuch des Kanzlers bei Präsident Biden. Unser USA-Korrespondent Bastian Brauns kennt die brisanten Pläne.


Robert Habeck hat Häuslebauer gegen sich aufgebracht: Der klamme Klimaminister musste das Förderprogramm für energiesparendes Bauen einfrieren. Nach Protesten zaubert er eine Notlösung aus dem Hut. Was daraus folgt, analysiert mein Kollege Mauritius Kloft.


Anno 1947 verhüllte eine riesige Staubwolke Helgoland. Dass die Insel heute überhaupt noch da ist, kommt einem Wunder gleich. Warum, erfahren Sie auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

Die Ukraine-Diplomatie der Briten ist überzeugender als die der Deutschen – oder etwa nicht?

Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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