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Tödliche Schüsse in Kusel: Bislang keine Hinweise auf Reichsbürgerszene


Ermittler geben Details bekannt
Verkehrskontrolle eskalierte – so starben die Polizisten

Von dpa, afp, t-online, lw

Aktualisiert am 01.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ermittler, Staatsanwälte und Polizisten tief betroffen: Zwei Beamte in Rheinland-Pfalz sind erschossen worden – das sind die Hintergründe der Tat. (Quelle: t-online)
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Zwei Männer stehen wegen tödlicher Schüsse auf Polizisten unter Mordverdacht. Zuvor sollen sie als Wilderer unterwegs gewesen sein. Ermittler und Staatsanwaltschaft nannten nun neue Details zu dem Fall.

Im Fall der beiden erschossenen Polizisten in der Pfalz gehen die Ermittler davon aus, dass die mutmaßlichen Täter eine vorherige Wilderei verdecken wollten. Gegen die beiden 32 und 38 Jahre alten Verdächtigen erging Haftbefehl wegen Mordes. Sie sind in Untersuchungshaft, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag auf einer Pressekonferenz mitteilten.

Am frühen Montagmorgen waren eine 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar bei einer Verkehrskontrolle an einer Kreisstraße in der Pfalz nahe der Kreisstadt Kusel erschossen worden. Am Montagnachmittag nahm die Polizei die beiden Männer im Saarland nach einer Großfahndung fest.

Die Beamten hatten bei einer Verkehrskontrolle per Funk gemeldet, in einem Fahrzeug sei totes Wild gefunden worden. Später setzte einer von ihnen einen Notruf ab. Die Ermittler berichteten, es habe Schreie gegeben: "Kommt schnell, die schießen, die schießen." Es sei noch ein Schuss über Funk zu hören gewesen.

Ein Tatverdächtiger äußerte sich, der andere schweigt

Die beiden mutmaßlichen Täter sollen als Wilderer in die Polizeikontrolle geraten sein. Wie genau die Beamten auf die beiden aufmerksam wurden, ist unklar. In dem Laderaum ihres Kastenwagens hätten sich zahlreiche getötete Wildtiere befunden, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Orthen. Die zwei Beamten seien in einem Zivilfahrzeug unterwegs gewesen, da sie zuvor wegen einer anderen Straftat im Einsatz gewesen seien, die nicht mit den Tatverdächtigen in Verbindung stand. Zwei Streifenwagen seien bei dem vorherigen Einsatz zusätzlich dabei gewesen. Diese kontaktierten die Polizisten während der Verkehrskontrolle.

Der 32 Jahre alte Tatverdächtige räumte nach Darstellung der Staatsanwaltschaft die Wilderei ein. Er habe auch die Polizeikontrolle geschildert. "Er hat aber bestritten, selbst geschossen zu haben", so Orthen. Strafverteidiger Christian Kessler aus Saarbrücken, der den jüngeren Tatverdächtigen vertritt, sagte der "Bild": "Mein Mandant hat mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und eine umfangreiche Aussage gemacht, die durch die bisherigen Ermittlungen nicht ansatzweise widerlegt wurde." Die Ermittlungen belegten zwar, dass er am Tatort war, den Nachweis für eine Mittäterschaft gebe es jedoch nicht, so Kessler.

Der 38-jährige Verdächtige mache laut Polizei von seinem Schweigerecht Gebrauch. Stand jetzt gehe der Richter von einem besonders schweren Fall aus.

Keine politisch motivierte Tat

Die Ermittler mutmaßen nach jetzigem Stand allerdings, dass beide Verdächtige Schüsse abgegeben haben. Bei den Ermittlungen seien mehrere Objekte durchsucht worden. Es seien zahlreiche Waffen beschlagnahmt worden, darunter auch eine Schrotflinte und ein Jagdgewehr.

"Es gibt in der Tat zwei Waffen, bei denen wir davon ausgehen, dass es sich um die Tatwaffen handeln könnte." Die Ermittlungen seien sehr umfangreich. Es bedürfe eines Gutachtens, so die Polizei. Bislang lägen keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat oder Verbindungen der Verdächtigen in die sogenannte Reichsbürgerszene vor.

"Der Fall ist verstörend"

Am Tatort hätten die Ermittler den Personalausweis des 38-jährigen Verdächtigen gefunden. So habe man das Fahrzeug im Saarland ausfindig machen können. Dort, wo die Festnahmen stattfanden, sei der 32-jährige Tatverdächtige gemeldet. Die Ermittler dementierten die Berichte, dass der 38-jährige Verdächtige sich vor der Festnahme über seine Anwältin bei der Polizei gemeldet habe.

Zum Tathergang wurden ebenfalls Details bekannt: Die 24 Jahre alte Polizistin wurde mit einem Schuss in den Kopf getötet. Der 29 Jahre alte Oberkommissar wurde nach Darstellung der Ermittler von vier Schüssen getroffen, einmal in den Kopf. Er selbst habe 14 Mal geschossen und damit ein ganzes Magazin geleert. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge sei aber keiner der beiden Verdächtigen getroffen worden. Die 24-jährige, fast fertig ausgebildete Polizeianwärterin sei arglos gewesen; sie habe womöglich eine Taschenlampe und die Papiere in der Hand gehalten und nicht geschossen.

"Gegenstand der Ermittlungen wird insbesondere sein, wer was genau zu der Tat beigetragen hat. (...) Der Fall ist verstörend", sagte Udo Gehring, leitender Oberstaatsanwalt. "Es gehört nicht zu unserer Vorstellung von Deutschland, dass jemand auf offener Straße mit Jagdwaffen anfängt zu schießen, bloß weil er beim Wildern erwischt wird." Welche Strafen Wilderern drohen, lesen Sie hier.

148 Hinweise zu Tatverdächtigen

Es hätten sich keine Zeugen gemeldet, die das unmittelbare Tatgeschehen gesehen haben, hieß es aus Ermittlungskreisen. Es gebe aber Hinweise zum Verhalten der Tatverdächtigen, "die durchaus Aufschluss über die Tat geben können". Insgesamt seien 148 Hinweise eingegangen.

Die beiden Tatverdächtigen seien nicht rechtskräftig vorbestraft. Der 38-Jährige sei der Polizei aber bereits früher wegen Jagdwilderei und Verkehrsunfallflucht aufgefallen, sagte Kriminaldirektor Frank Gautsche. Der 32-Jährige sei der Polizei wegen Betrugsdelikten bekannt. Beiden Beschuldigten drohe im Fall ihrer Schuld eine lebenslange Haftstrafe, so Oberstaatsanwalt Gehring. Beide kämen aus "brüchigen sozialen Verhältnissen".

Waren die beiden Verdächtigen befreundet oder bekannt? "Ich kann Ihnen nicht sagen, in welcher Beziehung die beiden stehen. Soweit mir bekannt ist, ist dies keine lange und enge Beziehung", sagte der Anwalt des 32-Jährigen der "Bild". Sein Mandant sei am Tatort gewesen, aber habe sich nicht an der Tat beteiligt.

"Das geht einem sehr nahe"

Die getötete Polizeianwärterin stand nach Angaben der Ermittler kurz vor dem Ende ihrer Ausbildungszeit. Sie habe alle Ausbildungs- und Trainingseinheiten absolviert. Das Zivilfahrzeug, mit dem sie und ihr Kollege unterwegs gewesen seien, werde üblicherweise nicht für Verkehrskontrollen eingesetzt.

Der Tod der zwei Polizisten in der Pfalz habe laut Polizeipräsident Michael Denne alle Kolleginnen und Kollegen tief getroffen. Er habe am Morgen die Mutter eines der beiden Opfer besucht. "Man hat da schon Tränen in den Augen. Das geht einem sehr nahe", sagte der Leiter des Polizeipräsidiums Westpfalz. Es habe Beileidskundgebungen aus ganz Europa gegeben. Er habe den getöteten Beamten persönlich gekannt, so Denne. Er sei ein sehr sympathischer Kollege gewesen. "Diese Morde machen uns fassungslos."

"Sie wurden grausam ermordet, um uns zu schützen"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) drückte erneut ihre Trauer und ihr Entsetzen über den Mord an den beiden Beamten aus. "Sie wurden grausam ermordet, um uns zu schützen und uns Sicherheit zu geben", sagte sie in Mainz. "Sie haben eingestanden für unseren Staat und sie haben mit ihrem Leben bezahlt auf brutalste Art und Weise." Dreyer fügte hinzu: "Wer die Polizei angreift, greift uns alle, die ganze Gesellschaft an."

Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) sagte, "auf sinnlose und brutale Weise" seien zwei junge Menschen aus dem Leben gerissen worden. "Sie wurden ermordet, weil sie unseren Rechtsstaat, unsere Demokratie verteidigt haben." Dreyer und Hering sowie weitere führende rheinland-pfälzische Politiker trugen sich in ein Kondolenzbuch ein.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz in Kaiserslautern am 1. Februar 2022
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