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Proteste von Corona-Leugnern und Impfgegnern: Bürger müssen die Demokratie verteidigen


Meinung
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Tagesanbruch
Wehret den Anfängen!

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Protest von Impfgegnern in Augsburg.Vergrößern des Bildes
Protest von Impfgegnern in Augsburg. (Quelle: Alexander Pohl/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

mit Populisten ist es wie mit den Moden: Sie kommen und gehen. Es ist noch gar nicht so lange her, da riefen Kommentatoren das Ende des Abendlandes aus, weil skrupellose Demagogen und gerissene Selbstdarsteller ein demokratisches Land nach dem anderen in den Abgrund zu reißen drohten. Viele dicke Schlagzeilen brachte das ein und viel Gesprächsstoff in den Talkshow-Runden.

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Eine Pandemie später sieht die Lage anders aus: Die Blender sind als Taugenichtse entzaubert, der populistische Lack ist ab. Donald Trump darf seine Pommes nicht mehr im Weißen Haus naschen. Sebastian Kurz hat sich unter Schimpf und Schande aus Österreich abgesetzt. Matteo Salvini muss in Italien schon dankbar sein, wenn er in den Fernsehshows den Pausenclown geben darf. Jair Bolsonaro ist in Brasilien drauf und dran, auch noch die letzten Sympathien einzubüßen. In Großbritannien eifert ihm der Lügenbold Boris Johnson nach. Und in Ungarn muss Viktor Orbán ernsthaft um seine Wiederwahl fürchten. Das Abdriften von Alice Weidel und Alexander Gauland ins politische Off ist kaum noch der Rede wert. Corona hat eine ganze Phalanx prominenter Rechtspopulisten als Versager entlarvt: Wer nur keift und taktiert, statt konstruktiv nach Lösungen zu suchen, fällt in der Gunst der Mehrheit durch. In einer Weltkrise kann man sich den Luxus der substanzlosen Schlagzeilenpolitik eben nicht leisten.

Alles also wieder in bester Ordnung auf den politischen Bühnen? Leider nicht ganz, und das liegt nicht nur daran, dass in Rom die Mumie Silvio Berlusconi nach dem Präsidentenamt greift und in Frankreich die rechtsextremistischen Schaumschläger Marine Le Pen und Éric Zemmour am Tor des Élysée-Palastes rütteln. Die Samen der Populisten sind längst gekeimt – und dabei wirkt die Covid-Krise leider alles andere als segensreich. Die Lügen, die Staatsverachtung und die Rücksichtslosigkeit, die durch die Populisten hoffähig geworden sind, haben ein Klima geschaffen, in dem verunsicherte, hoffnungslose und wütende Bürger sich in kürzester Zeit radikalisieren. Leider auch hierzulande.

Unter den Kritikern der deutschen Corona-Politik gibt es gewiss viele aufrichtige Demokraten. Ihr Ärger braucht ein Ventil. Doch den Ton in der Szene geben längst andere an. Im Dunst des Protests gegen Impfpflicht, Abstands- und Zugangsregeln gedeiht eine Rotte von radikalen Staatsgegnern, die in Kompromissbereitschaft nur noch Schwäche und in Andersdenkenden nur noch Feinde sehen. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hat diese Charaktere unlängst im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beschrieben: Sie zeichnen sich nicht durch ein gemeinsames ideologisches Konzept, sondern nur durch die Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten aus. Die Pandemie sei dabei nur der Aufhänger: "Ob das jetzt Corona ist oder die Flüchtlingspolitik oder die Flutkatastrophe: Da hat man teilweise die gleichen Leute gesehen, die versuchten, den Eindruck zu vermitteln, der Staat versage und tue nichts für die Menschen." Haldenwang warnt: Nach dem Ende der Pandemie könnten sich die Aktivisten ein neues Thema suchen, um es für ihre Zwecke zu instrumentalisieren – beispielsweise den Klimaschutz.

Der Populismus hat sich verselbstständigt und radikalisiert. Er braucht keine charismatischen Einpeitscher mehr, nun peitscht das Fußvolk selbst. Man muss deshalb nicht gleich das Ende des Abendlandes ausrufen, aber mit Wachsamkeit allein ist es auch nicht mehr getan. Demokratien müssen sich verteidigen, sonst welken sie. Ein verdorrter Baum aber hält Stürmen nicht mehr stand, sondern kippt irgendwann um.

Stärken wir also lieber die Wurzeln unseres demokratischen Rechtsstaats, bevor es zu spät ist. Wieso dürfen sich "Querdenker" auf ihren abendlichen "Spaziergängen" vielerorts ungestraft den Abstands- und Maskenregeln widersetzen? Wieso können sie in Schulen agitieren, Kinder belästigen und Lehrer bedrohen? Warum darf der verschlüsselte Messengerdienst Telegram Extremisten und Hasspredigern als Kanzel dienen? Weshalb kursieren unzählige gefälschte Impfausweise, deren Träger andere gefährden können? Die große Mehrheit in diesem Land hält sich an die Gesetze und selbstverständlich auch an die Corona-Regeln. Diese Menschen haben das Recht, dass der Staat sie vor jenen schützt, die meinen, für sie gelte das alles nicht.


Termine des Tages

In Berlin beginnt heute der Prozess gegen einen Mann, der Polizisten mit einer Glasflasche und einem Fausthieb angegriffen haben soll. Der 50-Jährige zählte im November 2020 zu einer Menge, aus der am Rande einer Demo gegen die Corona-Politik zur Stürmung des Bundestags aufgerufen wurde.

Außenministerin Annalena Baerbock absolviert ihren Antrittsbesuch in Moskau. Höhepunkt (oder Tiefpunkt?) dürfte das Gespräch mit ihrem bärbeißigen Amtskollegen Sergej Lawrow sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Spanien Interessantes erfahren, wie unser Reporter Johannes Bebermeier berichtet. Heute empfängt er Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dabei geht es natürlich um den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine.

In Köln sagt der Hamburger Erzbischof Stefan Heße in einem Missbrauchsprozess aus. Er war schon 2010 als Personalchef mit dem Fall des heute angeklagten Priesters befasst und soll den Verdacht des sexuellen Kindesmissbrauchs ignoriert haben. Ein Gutachten hat ihm schwarz auf weiß Pflichtverletzungen nachgewiesen. Er bot dem Papst seinen Rücktritt an, doch der ließ ihn weitermachen. Aufklärung wird in der katholischen Kirche nach wie vor kleingeschrieben.

Anders in Berlin: Dort besucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Haus der Wannseekonferenz, um auf die Dauerausstellung aufmerksam zu machen. Am Donnerstag jährt sich die Konferenz, auf der NS-Funktionäre den Holocaust organisierten, zum 80. Mal. Das ZDF zeigt dazu eine neue Verfilmung (ab heute Abend in der Mediathek).

Das Europäische Parlament wählt seine neue Präsidentin. Favoritin ist Roberta Metsola, eine konservative Politikerin aus Malta.

Das Landgericht Stuttgart befasst sich mit umstrittenen Bankgebühren. Das Urteil dürfte viele Menschen betreffen, berichtet unser Reporter Mauritius Kloft.


Die gute Nachricht

Die Forschungsergebnisse zu Omikron zeigen immer klarer: Die Corona-Variante ist deutlich weniger gefährlich als ihre Vorgänger. Infizierte müssen seltener ins Krankenhaus, sie müssen nicht künstlich beatmet werden, und auch das Sterberisiko ist viel geringer als bei der Delta-Variante.


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Das russische Militär ist ungleich stärker als das der Ukrainer. Doch eine bestimmte ukrainische Waffe fürchten die Russen, berichtet unser Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann.


Der Tagesanbruch zur Eigenverantwortung jedes Bürgers hat viele Leserstimmen hervorgerufen. Mein Kollege Mario Thieme hat einige zusammengefasst.


Von wem wurden Anne Frank und ihre Familie im Sommer 1944 an die Nazis verraten? Nach aufwendigen Recherchen haben Forscher einen Mann identifiziert.


Nein, das ist kein Straßenkünstler in New York. Das war eines der größten Genies des 20. Jahrhunderts, wie Sie auf unserem Historischen Bild erfahren.


Was amüsiert mich?

Deutschland stellt in Moskau knallharte Bedingungen.

Ich wünsche Ihnen einen ausgeglichenen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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