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Bald können wir uns richtig freuen: Das Ende des Corona-Schlamassels naht


Was heute wichtig ist
Bald können wir uns richtig freuen!

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 25.11.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Da er keine Gäste empfangen darf, hat ein Wirt sein Restaurant mit Plünschpandas drapiert (nein, es ist leider nicht mein Wirt).Vergrößern des Bildes
Da er keine Gäste empfangen darf, hat ein Wirt sein Restaurant mit Plünschpandas drapiert (nein, es ist leider nicht mein Wirt). (Quelle: Michael Probst/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Gestern Abend war ich wieder bei meinem Stammitaliener. Carbonara, wie immer. Dazu ein Nastro, auch wie immer. Während ich auf den Aluteller zum Mitnehmen wartete, unterhielten wir uns. Müde sieht er aus, ein bisschen abgekämpft. Noch vor einigen Monaten war hier Abend für Abend der Teufel los. Ein kleines Ristorante, nur ein paar wackelige Tischchen. Als ich den Laden vor dreieinhalb Jahren entdeckte, saß ich abends oft allein zwischen den Weinflaschen und Fußballtrikots. Nach und nach sprach sich herum, dass man hier nicht nur eine sehr gute, sondern eine sehr, sehr gute Pizza, dazu köstlichen Wein und erlesene Zutaten in der Pasta bekommt, alles frisch gekocht von den Brüdern, die ich bald zu meinen Freunden zählte. Nach und nach kamen immer mehr Leute. Irgendwann rangierte die kleine Pizzeria in den Online-Empfehlungsportalen auf den oberen Rängen, da kamen plötzlich auch spanische, amerikanische und israelische Touristen. Und Italiener, das will was heißen. Italiener gehen nur dann in eine Pizzeria in Deutschland, wenn das Essen wirklich richtig gut ist. Die Brüder freuten sich über ihren Erfolg, kauften einen neuen Kühlschrank und einen neuen Pizzaofen. Zu später Stunde tranken wir oft gemeinsam einen Absacker, bevor ich an den Schreibtisch eilte, um der Tagesanbruch-Pflicht Genüge zu tun. So kann es weitergehen, sagten sie. Kann es, sagte ich.

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Dann kam Corona. Erster Lockdown im Frühjahr. Einschränkungen im Sommer. Zweiter Lockdown im Herbst. Heute darf kein Gast das Ristorante mehr betreten, man muss die Nudeln durch ein Gitterfenster bestellen und bekommt dann eine Papiertüte mit Aluteller herausgereicht. Die Brüder kämpfen rührend um Kundschaft. Die wackeligen Tischchen haben sie nach draußen gestellt und darauf italienische Spezereien drapiert, vielleicht locken die ja Gäste an. Aber ihr Geschäft ist eingebrochen. Und der Vermieter besteht trotzdem auf eine pünktliche Zahlung. Wie es ihm gehe, habe ich meinen italienischen Wirt gefragt. Er nuschelte etwas vor sich hin, während er den Speck für meine Nudeln briet. Es klang nicht gut. Ich hakte nach, und was dann kam, klang noch mieser. Er hält sich penibel an die Regeln, steht jeden Tag stundenlang mit Maske in der Hitze über dem Herd, achtet sogar darauf, dass die Kunden vor dem Fenster Abstand zueinander halten. Aber er fühlt sich alleingelassen und weiß nicht, wie lange er seinen Betrieb noch weiterführen kann. Die Politik der Bundesregierung und die Entscheidungen der Behörden versteht er nicht. Warum kam der Lockdown so plötzlich? Warum darf er noch nicht einmal einen Stammgast hineinlassen, wenn der doch Maske trägt und Abstand hält? Warum wird sein Restaurant von der Polizei kontrolliert, aber die Bar nebenan nicht? Warum konnten manche Kneipen vor Gericht ihre Öffnung durchsetzen, alle anderen aber nicht?

Ich kenne seine Nöte, und ich verstehe sie gut. Ich gebe jedes Mal einen Batzen Trinkgeld und weiß zugleich, dass das seine Lage auch nicht ändert. Also habe ich ihn gebeten, uns noch zwei Nastro aus dem Kühlschrank zu holen, und dann habe ich ihm Mut zugesprochen. Denn die Aussichten auf das, was ansteht, sind ja ziemlich gut:


WAS STEHT AN?

Hör zu, sagte ich zu meinem italienischen Wirt, erstens wird in Amerika bald ein neuer Präsident regieren, das bringt Ruhe in die Politik, auch hierzulande. Was die Staatenwelt braucht, sind Vertrauen und Verlässlichkeit. Auch die deutsche Wirtschaft profitiert davon. Gestern hat der neue Mann sein Team vorgestellt, sieht vielversprechend aus.

Meinste?, fragte mich mein Wirt.

Aber ja, antwortete ich und prostete ihm zu. Und zweitens die Impfstoffe! Es ist doch nur noch eine Frage von Monaten, bis wir uns alle gegen dieses elende Virus immunisieren können. Dann ist Schluss mit Lockdown und Misere. Wusstest du, dass die Menschen im Mittelalter monatelange Feste feierten, wenn sie eine Seuche überstanden hatten? So eine Euphorie brauchen wir auch, so eine Freude! Dazu die Fußball-EM, Olympia, Urlaubsreisen, lange Sommernächte mit Freunden im Restaurant, das wird der Sommer des Jahrhunderts, hurra!

Wenn wir dann noch da sind, sagte mein Wirt.

Na hör mal, und ob!, sagte ich und stieß mit ihm an. Ihr müsst nur noch ein wenig durchhalten. Schon in zwei, drei Wochen sollen die ersten Leute geimpft werden. Sicher, es wird dauern, bis alle Willigen ihre Spritze bekommen, und Deutschland wird anschließend anders aussehen als vor einem Jahr. Viele Läden, Betriebe und Restaurants werden fehlen – aber bitte nicht ihr, ihr müsst durchhalten!

Wir geben uns Mühe, antwortete mein Wirt, aber es ist ein riesengroßer Mist!

Ist es, sagte ich, aber vielleicht ist dieser Schlamassel sogar zu etwas gut. Weil wir nämlich drittens alle gerade sehr viel lernen. In der Krise sind wir doch alle Lernende, die Politiker und Virologen genauso wie du und ich. Wir lernen, dass ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem kein Luxus sein darf, sondern Standard sein muss. Und dass jene, die darin arbeiten, anständig bezahlt werden müssen, sonst wollen zu wenige Leute die Jobs machen, und wenn es zu wenig Pfleger gibt, sind die Kliniken in einer Pandemie zu schnell überlastet, dann müssen die Geschäfte und Restaurants schließen. Außerdem lernen wir, dass wir mit vereinten Kräften sogar große Krisen rasch bewältigen können, wenn wir alle Hebel in Bewegung setzen. Diese Erfahrung ist Gold wert, und sie kann uns zum Beispiel im Kampf gegen die Klimakrise den entscheidenden Schwung verleihen.

Jetzt schweifst du ab, sagte mein Wirt.

Das liegt an deinem guten Nastro, lachte ich.

Deine Nudeln sind fertig, rief der Bruder von drinnen und reichte mir die Tüte mit dem Aluteller.

Glaub mir, es wird schon bald aufwärts gehen, sagte ich zum Abschied und griff tief ins Portemonnaie. Ihr müsst nur durchhalten, irgendwie, versprich mir das!

Versuchen wir, sagte mein Wirt. Und dann lächelte er.


Bevor Sie nun denken, ganz schön gefühlig unterwegs heute, der Harms, nenne ich Ihnen ganz nüchtern die wichtigsten Termine des Tages:

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Frau Merkel und die Ministerpräsidenten beraten ab 14 Uhr darüber, ob sie die Vorschläge der Bundesländer für die Fortsetzung des Lockdowns und die Regeln an Weihnachten absegnen. Die stehen hier. Dass Restaurants, Fitnessstudios und Theater nun noch wochenlang geschlossen bleiben müssen, hat allerdings einen einfachen Grund: Wir haben zu spät gehandelt – und dann auch noch zu inkonsequent. Dafür sind vor allem die Ministerpräsidenten verantwortlich, kommentiert mein Kollege Sven Böll.


Heute vor 30 Jahren wurde der Angolaner Amadeu Antonio in Eberswalde von Neonazis erschlagen – und die Chefin der nach ihm benannten Stiftung sagt: "Dass so etwas passiert, ist heute immer noch denkbar." Der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus sollte das Zitat dreimal lesen, bevor er heute seinen "Maßnahmenkatalog" vorstellt.


In Dresden wird der Prozess gegen Unterstützer der rechtsextremen Terrorgruppe "Freital" fortgesetzt. Angeklagt sind drei Männer und eine Frau. Die Gruppe hatte vor fünf Jahren in Sachsen Sprengstoffanschläge auf Ausländer und Andersdenkende verübt.


WAS LESEN?

Der künftige US-Präsident Joe Biden hat seine Regierungsmannschaft vorgestellt, darunter sind viele erfahrene Köpfe. Derweil untergräbt sein Vorgänger trotz kleiner Zugeständnisse weiter den demokratischen Prozess des Amtswechsels. In einigen Jahrzehnten, wenn die Historiker auf das Jahr 2020 zurückschauen, werden sie den 45. Präsidenten der USA vermutlich in einer Reihe mit den destruktivsten Staatschefs der Weltgeschichte auflisten. Kaiser Wilhelm II., George W. Bush, diese Kategorie. Vorher wird allerdings ein Ort zum Schauplatz, an dem Donald Trump dem Wahlsieger noch mal richtig wehtun kann, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier aus Washington.


Der Historiker Andreas Rödder zählt zu den klügsten konservativen Vordenkern der Republik. Also habe ich ihn gebeten, seine Sicht auf die Corona-Politik aufzuschreiben. Gemeinsam mit seiner Frau Silvana fordert er: Schluss mit der Realitätsverweigerung!


Viele Menschen mussten in diesem Jahr auf Urlaub verzichten. Wenn es nun bald Impfstoffe gibt, ab wann sind dann wieder Reisen möglich? Meine Kollegin Sandra Simonsen zeigt Ihnen, wie sich das Reiseverhalten im kommenden Jahr verändern könnte – und welche Länder schon jetzt mit besonderen Angeboten locken.


Sprache ist hochpolitisch. Die einen klagen, dass sie verrohe und dass die Grenze des Sagbaren immer weiter verschoben würden. Die anderen wollen sie bis ins Detail regeln, das Gendersternchen ist ein Beispiel. In unserem Podcast "Tonspur Wissen" erklärt der Sprachwissenschaftler Henning Lobin, warum eine gemeinsame Sprache so wichtig, eine Sprachpolizei aber Unsinn ist.


WAS AMÜSIERT MICH?

Das kann ja heiter werden an Weihnachten!

Ich wünsche Ihnen einen Tag voller Gelassenheit und Vorfreude.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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