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Kai Havertz zu Chelsea: Teuerster Transfer eines deutschen Spielers aller Zeiten


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Was heute wichtig ist
Wie viel ist ein Mensch wirklich wert?

  • Florian Wichert
MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 07.09.2020Lesedauer: 8 Min.
Fußball-Nationalspieler Kai Havertz.Vergrößern des Bildes
Fußball-Nationalspieler Kai Havertz. (Quelle: ActionPictures/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

"Was einen Wert hat, hat auch einen Preis. Der Mensch aber hat keinen Wert, er hat Würde."

So formulierte es einst der Philosoph Immanuel Kant. Der Mensch, dessen Würde laut Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar ist, hat also keinen Preis. Alle Menschen sind gleich. Logisch.

Auf der anderen Seite ist da die ökonomische Sichtweise. Diverse Institutionen müssen eben genau das machen, was Kant für falsch hielt: den Wert eines Menschenlebens beziffern. Gerichte müssen Entschädigungen für Hinterbliebene bestimmen, wenn jemand bei einem Unfall gestorben ist. Versicherungen müssen Policen kalkulieren, Risiken abwägen. Geht ja nicht anders.

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Und dann vermeldet ein britischer Fußballklub mit dem Namen FC Chelsea aus London den Wechsel eines deutschen Nationalspielers. Der Verein bezahlt rund 100 Millionen Euro, damit sich Kai Havertz für fünf Jahre vertraglich verpflichtet, für die Engländer gegen den Ball zu treten.

Eine bemerkenswerte Nachricht ist sie deshalb, weil noch nie ein Verein so viel Geld für einen deutschen Spieler bezahlt hat. Es ist der teuerste Transfer eines deutschen Fußballers überhaupt. Mitten in der Corona-Krise. Weder einer der Weltmeister von 2014 kostete so viel, geschweige denn einer von 1990, 1974 oder 1954. Für Lothar Matthäus bezahlte Inter Mailand 1988 noch 3,6 Millionen Euro, Franz Beckenbauer ging 1977 für 900.000 Euro in die USA. Da hängen Fußballvereine heute locker zwei Nullen dran.

Deshalb gab es selbst gestern Abend neben dem Unentschieden der deutschen Nationalmannschaft in der Nations League gegen die Schweiz (1:1, hier geht es zum Spielbericht) ein weiteres großes Thema: Havertz, der selbst gar nicht auf dem Platz stand, um sich nicht noch zu verletzen und den Wechsel zu gefährden.

Die Fragen, die sich daraus ergeben: Wie kann ein Mensch 100 Mio. Euro wert sein? Und wer ist der junge Mann überhaupt, der plötzlich so teuer ist?

Die zweite Frage beantwortet Rudi Völler von Bayer Leverkusen, der Havertz verkauft hat und früher einer der besten deutschen Stürmer war. Er bescheinigt Havertz "Weltklasse" als Fußballer. Er sei einer der besten, die "jemals in Leverkusen gespielt haben." Okay.

Aber was ist ein Mensch nun wert, wenn er doch eigentlich Würde statt einen Preis besitzt?

Am einfachsten nähert man sich womöglich mit dem Materialwert. Doch die Grundstoffe des menschlichen Körpers von Sauerstoff, Wasserstoff oder Stickstoff bis Kohle, Calcium, Phosphor, Schwefel, Kalium, Natrium, Magnesium oder Eisen kosten zusammen nur knapp zehn Euro.

Miteinander verbunden ergeben die Elemente Knochen, Organe, Blut, Haare, Spermien, Muttermilch. Damit werden sie schon teurer. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation kostete 2007 auf dem Schwarzmarkt in Pakistan, den Philippinen oder China eine Leber 120.000 bis 130.000 Dollar, ein Lungenflügel 150.000 oder ein Herz 130.000 Dollar. Auf 100 Millionen Euro kommt man damit nicht, aber es gibt offenbar unterschiedlich wertvolle Gliedmaßen. Keith Richards ließ sich für 1,4 Mio. Euro seine Finger zum Gitarrespielen versichern, Sängerin Jennifer Lopez mit ihrem Po ihr Markenzeichen für 27 Mio. und Sänger Tom Jones sein Brusthaar für 4,7 Mio.

Sind einige Menschen dann also doch mehr wert als andere?

Eine deutsche Studie hat einen pauschalen Wert von 1,72 Mio. Euro für einen beschäftigten Mann, 1,43 Mio. Euro für eine beschäftigte Frau errechnet. Aber warum soll ein Mann mehr wert sein als eine Frau, wenn Frauen doch im Schnitt älter werden als Männer? Oder ist am Ende der Wert für den Staat entscheidend, den Ökonomen des ifo-Instituts der Universität München mal für den Sachverständigenrat für Migration berechnet haben? Da geht es um die Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Um die Summe, die dem Staat verloren ginge, wenn jemand zum Beispiel ins Ausland ziehen würde. Eine Kosten-Nutzen-Analyse. Am wertvollsten ist ein Mensch demnach rund um den 25. Geburtstag nach der Ausbildung und vor der jahrelangen Steuerzahlung – und vor allem weit weg von der Rente. Rentner wären dann allerdings nichts wert.

Ist so eine Berechnung überhaupt ethisch zulässig? Führt sie nicht dazu, dass am Ende Teile der Bevölkerung als weniger wertvoll angesehen werden als andere? Dass möglicherweise eine Ideologie dahintersteckt? Oder zumindest immer ein bestimmtes Interesse? Wer misst die inneren Werte? Ist ein guter Mensch nicht mehr wert als ein schlechter? Aber wie will man das definieren?

Offenbar ist es so: Immer wenn es darum geht, den Wert eines Menschen zu beziffern, wird es schwierig und ungerecht. Mindestens.

Im Fußball ist es dagegen fast einfach – und verhältnismäßig gut zu erklären. Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise in einer Branche, die durch horrende TV-Gelder ohnehin unter Überhitzung leidet. Allein durch Trikotverkäufe kann ein Verein Millionen wieder reinholen.

Sportlich ergibt der Wechsel von Havertz sicherlich Sinn (lesen Sie dazu hier den "Zweikampf der Woche" gegen unseren Sportchef Robert Hiersemann). Hinterfragen darf man diese wahnsinnigen Summen natürlich trotzdem – insbesondere mitten in einer Corona-Krise, in der andere Branchen um ihre Existenz kämpfen.


Fünf tote Kinder, eine Mutter unter Tatverdacht – und ein Sohn, der überlebt. Die schlimme Tat von Solingen sorgte in den vergangenen Tagen bundesweit für Bestürzung. Kein Kriminalfall gleicht dem anderen. Deshalb bringt er für Journalisten immer die Frage mit: Wie berichten wir angemessen? Was zeigen und schreiben wir, weil es einen Erkenntnisgewinn mit sich bringt? Worauf verzichten wir bewusst, weil es eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid ist, weil es die Würde von Opfern, Angehörigen oder den Jugendschutz verletzt, wie es im Pressekodex steht? In der Regel ist weniger mehr, also eine möglichst sachliche und neutrale Berichterstattung die beste.

Bei "Bild" indes haben die Kollegen mit einem zwölfjährigen Freund des elfjährigen Überlebenden gesprochen und aus den persönlichen Chat-Verläufen zitiert. In sozialen Netzwerken gab es daraufhin einen Sturm der Entrüstung. Als Legitimation führt "Bild" die Anwesenheit und das Einverständnis der Mutter des Freundes an.

Tanjev Schultz, Professor für Journalismus an der Universität Mainz, hat in einem Gastbeitrag bei t-online erklärt, warum das nicht reicht. Er spricht von "Kinderschütteln" und nennt dies eine "Schande für den Journalismus". Ich empfehle Ihnen die Lektüre dieses Beitrags. Ihm ist nichts hinzuzufügen – auch wenn "Bild" den entsprechenden Artikel mittlerweile von der Seite genommen hat.

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WAS STEHT AN?

Der Fall Nawalny und seine Folgen: Die deutsche und die russische Regierung streiten über die Aufklärung des Giftanschlags auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der weiterhin in der Berliner Charité im Koma liegt. Außenminister Heiko Maas hat den Vorwurf aus Russland, dass Deutschland die Ermittlungen verzögere, gestern Abend als "eine weitere Nebelkerze" bezeichnet und den Druck erhöht. Der Konflikt spitzt sich zu.

Das Problem: Auch innerhalb der Bundesregierung und der deutschen Politik gibt es ganz unterschiedliche Aussagen und Ansichten zum Umgang mit Russland. Kanzlerin Angela Merkel hatte den Fall Nawalny unabhängig von der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 betrachten wollen. Außenminister Maas wollte einen Stopp der Bauarbeiten dagegen nicht ausschließen, CDU-Außenexperte Norbert Röttgen plädiert ebenfalls dafür, dies zu prüfen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wiederum will keinen Stopp, aber "wirksame Sanktionen". Nicht ausgeschlossen, dass am Ende wieder viel geredet, aber wenig gehandelt wird, wenn es so weitergeht.


Klimawandel, wirtschaftliche Probleme der Landwirte, Verlust der Biodiversität, Höfesterben: Die Landwirtschaft in Deutschland steht nicht etwa vor großen Herausforderungen. Sie befindet sich mitten drin. Heute nimmt nun die "Zukunftskommission Landwirtschaft" der Bundesregierung ihre Arbeit auf. Bei der Auftaktveranstaltung sind neben Bundeskanzlerin Merkel, Agrarministerin Julia Klöckner und Umweltministerin Svenja Schulze auch Vertreter von Landwirtschaft, Handel und Ernährungsbranche, Verbraucher-, Umwelt- und Tierschützer sowie Wissenschaftler dabei. Die Kommission soll nach jahrelangem Streit über die Ausrichtung der Landwirtschaft endlich einen breiten Konsens finden. Einen Zwischenbericht soll sie bis Herbst vorlegen, den Abschlussbericht mit Empfehlungen im Frühsommer 2021.


Nach einer langen Corona-bedingten Pause geht heute die Anhörung zu einem Auslieferungsantrag der US-Justiz für Wikileaks-Gründer Julian Assange weiter. Ursprünglich sollte sie bereits im vergangenen Mai fortgesetzt werden. Die US-Justiz wirft Assange vor, der Whistleblowerin Chelsea Manning geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan zu veröffentlichen. Es gibt 18 Anklagepunkte. Wird er in allen verurteilt, drohen bis zu 175 Jahre Haft.


Am morgigen Dienstag ist Autogipfel. Per Videostream konferieren Bundeskanzlerin Merkel, Regierungsvertreter und Ministerpräsidenten der Autoländer, Vertreter der Autoindustrie sowie Arbeitnehmervertreter. Das wichtigste Thema sind die durch die in der Corona-Pandemie unter Druck geratenen Zulieferer, die zudem vom Strukturwandel in der Branche hin zu mehr Elektromobilität betroffen sind.

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte am Freitag ein Papier beschlossen, das zu diesem Zweck einen "teilstaatlichen Beteiligungsfonds" für bestimmte Zulieferer vorsieht. Damit sollen die Zulieferer bei der Umstellung auf neue Technologien unterstützt, aber auch "durch staatliche Beteiligung vor unerwünschten Übernahmen insbesondere von Investoren außerhalb der EU" geschützt werden. Bei meinem Kollegen Johannes Bebermeier hat SPD-Chef Walter-Borjans erklärt, warum sich die SPD für Mittelstandsfonds für Zulieferer ausspricht.


Seine einzigartige Karriere begann mit einem Sturz. Beim Vorsprechen an der Otto Falckenberg-Schauspielschule fiel Mario Adorf einst von der Bühne, wie er im Dokumentarfilm "Es hätte schlimmer kommen können" erzählt. Der Kammerspiel-Intendant wollte ihn trotzdem und Adorf startete ein paar Jahre später durch. Mehr als 200 Rollen spielte Adorf – als Vater Matzerath in der oscarprämierten Literaturverfilmung "Die Blechtrommel", als Baulöwe Schuckert in der Wirtschaftswunder-Satire "Lola", als Schurke Santer im Karl-May-Film "Winnetou 1", in "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", in "Rossini", in der Serie "Kir Royal" oder im Theater. "Allein gegen die Mafia", "Der große Bellheim", "Der Schattenmann" oder "Die Affäre Semmeling" sind auch alle Klassiker.

Am morgigen Dienstag wird mit Adorf einer der großen deutschen Schauspieler 90 Jahre alt. Von der Theaterbühne hat er sich im vergangenen Jahr zurückgezogen, weitere Filme schließt er nicht aus. Hoffentlich kommen noch ein paar dazu. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Am 8. Mai 1945 endete für die Soldaten der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg.

Für alle Soldaten?

Nicht ganz.

Hoch im Norden harrten die Männer des Unternehmens "Haudegen" auf einer Insel des norwegischen Spitzbergen-Archipels fern der Heimat aus. 1944 war die Truppe als geheime Mission ins Arktische Meer entsandt worden, doch bei Kriegsende wurden die "Haudegen" mehr oder weniger vergessen. Erst Anfang September 1945 ergaben sie sich als letzte Einheit der Wehrmacht den Alliierten – in Form eines norwegischen Robbenfänger-Kapitäns. Unser Zeitgeschichtsredakteur Marc von Lüpke hat diese unglaubliche Geschichte für Sie aufgeschrieben.


Der Trend geht zu weniger Plastik. Die Plastiktüte im Supermarkt? Die Verpackung von Obst und Gemüse? Hier ist es sicher einfacher, anzusetzen. Aber wie ist es mit Shampooflaschen, Deo oder Zahnbürsten? Nachhaltigkeitsexpertin Anke Schmidt vom Blog "Wastelesshero" lebt mittlerweile seit mehreren Jahren plastik- und auch müllfrei. Im Interview mit meiner Kollegin Maria Bode hat sie erklärt, wo die Schwierigkeiten liegen und was sich auf der anderen Seite ganz leicht umsetzen lässt.


Kursgewinne, Kursverluste. Hektische Käufe und Verkäufe. Bei hohem Risiko alles gewinnen – oder alles verlieren. So kennen wir die Börse aus Hollywood-Filmen. Aber wie funktioniert der Börsenhandel wirklich? Meine Kollegen Philip Friedrichs und Axel Krüger erklären es Ihnen in knapp drei Minuten in dieser anschaulichen Video-Animation.


WAS AMÜSIERT MICH?

Gesundheitsminister Jens Spahn appellierte am Wochenende an die Bevölkerung, aufgrund der Corona-Situation doch besser den Herbst- und Winterurlaub in Deutschland zu genießen. Das hat viele Vorteile, allerdings auch einen Nachteil...

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Start in die neue Woche. Morgen schreibt an dieser Stelle wie gewohnt Florian Harms für Sie.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

Den täglichen Newsletter von Florian Harms hier abonnieren.

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