Vorwürfe im Fall Nawalny Maas an Russland: "Indiz, dass man etwas zu verbergen hat"
Hat die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny Folgen für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2? Zwei Mitglieder der Bundesregierung stellen hier eine Verknüpfung her.
Nach Außenminister Heiko Maas (SPD) hat auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Zukunft der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 mit dem Fall des vergifteten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny verknüpft. Aus seiner Sicht habe Maas das richtig ausgedrückt: "Es hat Russland vor allem in der Hand, ob und wie es mit Nord Stream 2 weitergehen kann", sagte Spahn am Sonntagabend im Politik-Talk "Die richtigen Fragen" auf "Bild live". Es liege klar an der Führung in Moskau, aufzuklären und aus ihrer "sehr trotzigen Haltung" herauszukommen. "Es gibt keine wirtschaftliche Frage, die am Ende wichtiger sein kann als außen- und sicherheitspolitische Interessen Deutschlands und Europas", betonte Spahn.
Maas hatte zuvor der "Bild am Sonntag" gesagt: "Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern." In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" sagte der Minister, es gebe weiter gute Gründe für die Pipeline. Er verwies erneut auf 100 Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt seien, die Hälfte davon aus Deutschland. Er betonte aber zugleich, er halte es für falsch, "von vornherein auszuschließen, dass das, was zurzeit stattfindet, überhaupt irgendwelche Auswirkungen auf dieses Projekt haben könnte".
Die Bundesregierung hat Russland zwar mit harten Worten zur Aufklärung der Vergiftung Nawalnys aufgefordert, eine Verknüpfung des Falls mit dem deutsch-russischen Gasprojekt bislang aber vermieden. Russland bestreitet, in die Vergiftung des Oppositionellen verwickelt zu sein.
Mass fordert Aufklärung
Maas forderte Russland erneut auf, zur Aufklärung beizutragen. "Wenn Russland keine Beiträge zur Aufklärung liefert oder weiter solche Nebelkerzen gestartet werden, wie das schon seit Tagen der Fall ist, dann ist das ein weiteres Indiz dafür, dass man etwas zu verbergen hat", sagte Maas am Sonntagabend in der ARD.
Mit dem Begriff "Nebelkerze" bezog sich Maas auf Behauptungen Moskaus, Deutschland verzögere seinerseits die Ermittlungen, indem es ein russisches Rechtshilfeersuchen unbeantwortet lasse. Der Außenminister stellte klar, die Bundesregierung habe einem Ersuchen der russischen Staatsanwaltschaft "längst zugestimmt" und dies auch bereits vor einer Woche dem russischen Botschafter in Berlin mitgeteilt.
Maas sah vor allem Russland nun in der Pflicht, die Untersuchungsergebnisse aus der stationären Behandlung Nawalnys im sibirischen Omsk an Deutschland zu übergeben: "Herr Nawalny ist zwei Tage in Russland behandelt worden. Also viele Spuren, die es dort gibt, Untersuchungen, die dort stattgefunden haben, die Ergebnisse, die liegen nur dort vor ", sagte Maas.
Russisches Außenministerium erhebt schwere Vorwürfe
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte der Bundesregierung zuvor eine Verzögerung der Ermittlungen im Fall Nawalny vorgeworfen. "Berlin verzögert die Untersuchung, zu der es selbst aufruft. Mit Absicht?", erklärte Sacharowa im Online-Netzwerk Facebook.
Berlin habe nicht auf ein Rechtshilfeersuchen der russischen Staatsanwaltschaft vom 27. August reagiert, erklärte Sacharowa. "Lieber Herr Maas, wenn die deutsche Regierung es mit ihren Äußerungen ernst meint, sollte sie daran interessiert sein, so bald wie möglich eine Antwort auf eine Anfrage der russischen Generalstaatsanwaltschaft zu erstellen", fügte die Sprecherin hinzu. "Bislang sind wir nicht sicher, ob Deutschland nicht ein doppeltes Spiel spielt."
Der prominente russische Oppositionspolitiker Nawalny wird seit dem 22. August in der Berliner Charité behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Fluges in Russland zusammengebrochen war. Die Bundesregierung erklärte am Mittwoch, dass Nawalny "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden.
- Nachrichtenagentur AFP