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Nachhaltigkeitsexpertin Anke Schmidt lebt plastikfrei: "Will die Welt verändern"


Interview
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Nachhaltigkeitsexpertin Anke Schmidt
So einfach ist die Umstellung auf ein plastikfreies Leben

InterviewVon Maria Bode

Aktualisiert am 06.09.2020Lesedauer: 7 Min.
Anke Schmidt: Sie ist "Wasteless"-Hero. Mit t-online spricht sie darüber, wie einfach man beginnen kann, ein plastikfreies und damit nachhaltigeres Leben zu führen.Vergrößern des Bildes
Anke Schmidt: Sie ist "Wasteless"-Hero. Mit t-online spricht sie darüber, wie einfach man beginnen kann, ein plastikfreies und damit nachhaltigeres Leben zu führen. (Quelle: Wastelesshero)
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Ein Stoffbeutel für den Einkauf, der Kaffee aus dem wiederverwendbaren Becher. Ganz so simpel ist der Verzicht auf Plastik nicht immer. Doch er ist möglich – wie dieses Beispiel zeigt.

Der Trend zu weniger Plastik ist da. Tragetaschen gibt es im Supermarkt nicht mehr einfach so, viele Läden verzichten immerhin auf die unnötigen Packungen bei Obst und Gemüse. Bei vielen Produkten kommen Kundinnen und Kunden auf den ersten Blick aber doch nicht um Plastik herum. Doch setzt man sich einmal intensiver mit dem Thema auseinander, lassen sich schnell zahlreiche Alternativen entdecken.

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Nachhaltigkeitsexpertin Anke Schmidt vom Blog "Wastelesshero" lebt sei mehreren Jahren großenteils plastik- und auch müllfrei. Sie erklärt im Interview mit t-online, wo die Schwierigkeiten liegen und was sich ganz leicht umsetzen lässt.

t-online: Stell dich doch gerne kurz und knapp vor.

Anke Schmidt: Ich bin Anke, 33 Jahre alt und wohne mit meiner Familie – meinem Freund und zwei Kindern – in Köln. Früher war ich Fachinformatikerin, jetzt arbeite ich als Nachhaltigkeitsexpertin. Meinen Blog "Wastelesshero" startete ich – in meiner Freizeit – im Jahr 2013. Meine Vision ist: Ich will die Welt verändern, zeigen wie unfassbar cool nachhaltig leben ist, wie jeder das Undenkbare selbstverständlich machen kann.

Was hat dich wann dazu bewogen, dein Leben umzustellen, auf Plastik zu verzichten, möglichst keinen Müll zu produzieren?

In einer Zeitschrift las ich von einer Familie, die alles aus ihrem Haus in den Garten geräumt hatte, das aus Plastik bestand. Das war 2013 und das erste Mal, dass ich überhaupt darüber nachgedacht habe, warum wir in unserer Wohnung auch soviel aus Plastik haben. Danach kaufte ich mir das Buch "Plastic Plant" und lernte sehr viel über die Herstellung von Plastik und die Schäden, die es anrichten kann. Ende 2013 startete ich meinen Blog und einen Instagram-Kanal. Voll motiviert, etwas zu ändern.

Wie sich ein plastikfreies und nachhaltigeres Leben umsetzen lässt, zeigen wir in der nächsten Woche auf dem Instagram-Profi von t-online. Im Laufe unserer #plasticfree-Woche gibt es auch ein Live-Interview mit Anke Schmidt.

Und wie ging es von da an weiter?

Dann bekam ich ein Jobangebot, dass mir richtig gut gefallen hat. Der Job forderte viel Zeit und machte mir sehr viel Spaß, sodass auch ich damals dachte: Nur wenn ich jetzt plastikfreier lebe, bringt das doch nichts. Also stellten wir schon ein paar Dinge um, aber nur wenige. Anfragen von Fernsehsendern, die bei uns zu dem Thema "plastikfrei leben" drehen wollten, lehnte ich ab, weil ich mir dafür keine Zeit nehmen wollte. Hätte ich damals schon gewusst, was jede*r Einzelne erreichen kann ...
Eines Tages kam ich gestresst von der Arbeit nach Hause, saß auf der Couch und dachte: "Eigentlich wollte ich doch die Welt verändern. Eigentlich wollte ich doch dafür sorgen, dass weniger von diesem schädlichen Plastik hergestellt wird. Eigentlich wollte ich doch gesünder leben, eigentlich..." An diesem Tag entschied ich, endlich das plastikfreie Leben richtig durchzuziehen. Innerhalb von acht Monaten verringerten wir unseren kompletten Müll von einem großen grauen Sack pro Woche auf eine Handvoll. Von da an dauerte es nur ein paar Wochen, bis wir – ausgenommen von Biomüll – wirklich komplett müllfrei lebten.

Womit hast du angefangen?

Ich habe mit dem Einfachsten angefangen: ein Stück Seife statt Flüssigseife und Duschgel. Danach folgte festes Shampoo, eine Bambuszahnbürste und so weiter. Ich habe damals im Badezimmer angefangen, weil die Umstellung dort sehr einfach erschien. Es gab nur einige wenige Produkte zu ersetzen und der Vorteil im Bad: auch ohne Unverpackt-Laden kann das eigene Leben leichter plastikfreier gestaltet werden.

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Gleichzeitig haben wir auch angefangen nur noch Leitungswasser zu trinken, anstatt Plastikflaschen nach Hause zu schleppen.


Gehen wir mal durch deine Wohnung: In welchem Raum fällt es dir am einfachsten auf Plastik und Müll zu verzichten, in welchem am schwierigsten?

Wir achten schon seit ein paar Jahren darauf, dass wir wenig kaufen, das Müll produziert. Am schwierigsten fällt es im Kinderzimmer plastikfrei zu leben. Viele coole Spielsachen sind einfach aus Plastik. Bis unser Sohn zweieinhalb Jahre alt war, hatten wir tatsächlich nur zwei Spielzeuge aus Plastik. Beide wurden uns geschenkt. Der Rest war Holzspielzeug, das wir von einer anderen Familie übernommen hatten. Wir achten einfach darauf, dass wir auch Plastikspielzeug gebraucht kaufen.

In allen anderen Räumen fällt es uns leicht, denn auch hier gilt: Brauchen wir etwas Neues – wie zum Beispiel ein Handy –, dann kaufen wir es möglichst gebraucht. Auch mein Mikrofon, das ich für den "Wastelesshero"-Podcast brauchte, ist gebraucht.

Gibt es ansonsten einen Bereich, in dem es dir auch nach langer Zeit noch schwer fällt, auf Plastik zu verzichten?

Ja, im Bereich Make-up. Ich habe versucht, Wimperntusche selbst zu machen. Weder die Konsistenz noch die Haltbarkeit waren gut. Daher achte ich beim Kauf solcher Produkte sehr darauf, dass sie lange halten und dass es tierversuchsfreie Naturkosmetik ist.

Vermisst du etwas?

Nein.

Du lebst in einer Großstadt: Inwiefern bringt das Vorteile für deinen Lebensstil mit sich?

Das bringt zahlreiche Vorteile mit sich. In Köln gibt es bald sieben Unverpackt-Läden. Es gibt eine Menge Bio-Supermärkte, die ein großes Sortiment an unverpacktem Gemüse und Obst haben. Es gibt täglich in unterschiedlichen Vierteln Wochenmärkte. Es gibt einen Getränkelieferdienst. Es gibt wirklich eine Menge Dinge hier in Köln, die uns das plastikfreie Leben leichter machen. Bis zum nächsten Unverpackt-Laden laufen wir nur 15 Minuten, der Bio-Supermarkt ist um die Ecke und der Wochenmarkt in zehn Minuten zu Fuß erreichbar. In Köln sind wir mit dem Fahrrad fast immer schneller unterwegs als mit dem Auto, wir brauchen im Alltag gar kein Auto. Das Leben in Köln macht unseren Lebensstil definitiv einfacher.

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Würdest du sagen, dass es aufwendig ist, plastik- bis müllfrei zu leben? Du machst ja schon viel selbst und man muss doch sicherlich genau schauen, wo man einkauft, mehrere Läden abklappern, bis man gefunden hat, wonach man sucht?

Anfangs scheint es aufwendig, ja! Weil wir anfangs unsere Gewohnheiten ändern müssen und schauen, wo wir ab sofort was kaufen können. Seitdem wir unsere neue Einkaufsroutine haben, ist es für uns tatsächlich entspannter. Wir waren früher oft jeden zweiten oder dritten Tag im Supermarkt. Nun gehen wir einmal im Monat unverpackt einkaufen und einmal oder zweimal wöchentlich kaufen wir Gemüse und Obst auf dem Wochenmarkt oder Bio-Supermarkt.

Ab und an bestellen wir tatsächlich auch Lebensmittel online. Beispielsweise Nüsse oder Schokolade in 1-2 Kiloverpackungen. Auch Großpackungen sparen Müll ein und gerade Süßigkeiten sind schwer unverpackt zu bekommen.

Was wir auch geändert haben, wir kaufen nur noch das, was wir auch essen. Eine Sorte Nudeln anstatt vier. Keine Wochenangebote aus dem Supermarkt, die dann oft lange im Regal stehen. Wir schauen, dass wir möglichst kein Lebensmittel ungegessen entsorgen müssen.

Was mir anfangs zu aufwendig schien, war das Selbermachen von Pflegeprodukten oder Deo. Mittlerweile gebe ich Kurse, in denen ich Menschen zeige, dass auch ein Deo schnell mal in drei Minuten selbst hergestellt ist.

Bist du durch den Verzicht auf Plastik vegan geworden oder anders rum?

Ich bin vegan geworden, da wir unseren Frühstückstisch plastikfrei kriegen wollten. Da war es einfacher, Wurst, Käse und Frischkäse einfach wegzulassen anstatt alle paar Tage zu einem Metzger zu gehen, der dies in unsere mitgebrachte Dose packt. Damals wurde auch zum Wiegen immer noch ein kleines Stück Plastik genutzt.
Da mir die Umstellung beim Frühstück leichtfiel, änderte ich meine Essgewohnheiten und schaute danach, welche Produkte eigentlich noch nicht vegan sind, wie manche Schuhe, Taschen und ähnliches.

Welchen Tipp gibst du Einsteigerinnen und Einsteigern? Was lässt sich direkt für alle umsetzen?

Für Einsteiger*innen finde ich es wichtig, einfach mal auszuprobieren. Auch ich habe anfangs viel recherchiert, bevor ich einfach mal ein paar simple Dinge probiert habe. Einfach mal machen und klein anfangen, das ist ein guter Weg. Sonst kann es passieren, dass man schnell enttäuscht ist, weil nicht alles klappt. Wir leben auch zu 90 Prozent müllfrei und vegan, denn irgendwann wird immer etwas passieren, mit dem man nicht rechnet. Sei es die neue Bankkarte, der neue Personalausweis oder eine Reparatur am Auto oder oder oder.

Ein festes Stück Seife anstatt Duschgel und Flüssigseife. Das kann bis zu 14 Plastikflaschen pro Jahr allein im Bad einsparen. Festes Shampoo nutzen. Leitungswasser trinken anstatt Wasser in Plastikflaschen kaufen. Das spart sogar noch Geld und Zeit, da wir nicht mehr am Pfandautomaten stehen.

Wenn man einfach mal im eigenen Alltag schaut, wo viel Plastikmüll anfällt, kann man an dieser Stelle einfach einen Ersatz suchen. Für den Coffee-to-go könnte man einen wiederverwendbaren Becher mitnehmen. Zum Bäcker einen eigenen Beutel. Joghurt gibt es im Glas statt im Plastikbecher. Kaffee kann man bei vielen Röstereien in der eigenen Dose kaufen. Kuhmilch gibt es auch im Glas und bei Hafermilch kann man ausprobieren, sie selbst zu machen. Anstatt vierlagigem Toilettenpapier kann man Recycling-Papier kaufen. Zum Spülen kann eine Holzspülbürste verwendet werden. Es gibt einige Dinge, die jede*r tun könnte. Ich habe dazu auch ein kostenfreies E-Book geschrieben mit 42 Tipps, die jede*r ausprobieren kann – egal wo er*sie wohnt.

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Wie ist das mit deinem Umfeld? Gibt es da beispielsweise von der Familie für deine Kinder auch Geschenke ohne Plastik bzw. unverpackt? Achten alle mit drauf, weil ihr diesen Lifestyle habt?

Anfangs nicht. Wir haben unseren Familien und Freunden oft erklärt, warum wir das tun. Auch zu unseren Geburtstagen und denen unserer Kinder haben wir uns eher Gutscheine für gemeinsame Aktivitäten oder das Schwimmbad gewünscht und keine materiellen Dinge. Es fiel dennoch einigen schwer und so hat unser Sohn auch mal ein Geschenk bekommen, das mit viel Papier und drei Luftballons verpackt war. Andererseits hat er auch ein Buch bekommen, das einfach nur in einem Handtuch verpackt war. Das war eine sehr schöne Idee von dem Schenkenden. Die meisten achten schon darauf, das finde ich sehr schön und dafür bin ich auch dankbar. Dennoch dauert es eine Zeit, bis das eigene Umfeld so eine Veränderung akzeptiert.
Lustigerweise haben sich einige Familienmitglieder und Freunde durch uns dann auch weiter informiert und achten nun auch darauf, plastikfreier zu leben. So habe ich gemerkt, dass jede*r durch sein eigenes Handeln andere inspirieren kann.

Vielen Dank für das Interview.

Verwendete Quellen
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