Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Das Geheimnis des großen Zampanos
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
Hierzulande neigen viele Leute dazu, abschätzig über den großen Teich zu schauen: Ständig diese Superlative! Dieses archaische Weltbild! Und dann dieser unmögliche Präsident! Trumpelt durch die Außenpolitik, grinst sein feistes Millionärsgrinsen, belästigt uns mit seinem Twittergewitter, haut eine Lüge nach der anderen raus, so banal, so geistlos, eine Beleidigung für jeden ehrbaren Menschen, schlimmer noch: eine Gefahr für die ganze Welt! Bei der Lektüre vieler Leitartikel deutscher Medien und beim Blick auf manches deutsche Nachrichtenmagazin-Cover kann man den Eindruck gewinnen, die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika seien mehrheitlich fanatisierte Ignoranten, die einem Wahnsinnigen die Macht überlassen haben. Ziemlich holzschnittartig, dieses Bild.
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Sicher, Donald Trump ist kein Intellektueller und ein Diplomat ist er auch nicht. Was andere denken/wollen/tun interessiert ihn augenscheinlich nur dann, wenn es seine Ansichten bestätigt oder ihm als Steilvorlage für den nächsten Tweet dient. Manieren scheinen ihm ebenso fremd zu sein wie Moral, als "Paten" habe ich ihn vor einiger Zeit tituliert. Die Enthüllungen in der Ukraine-Affäre zeigen: Dieser Mann ordnet Gesetze seinen persönlichen Interessen unter; sein Amt kann er nur deshalb behalten, weil die amerikanische Politik ebenso scharf in zwei Lager gespalten ist wie der Rest des Landes und seine Republikaner derzeit nun mal die (knappe) Mehrheit im Kongress besitzen. In dem ehrwürdigen Haus mit der hohen Kuppel gönnt man einander nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln, man sieht in den Typen von der jeweils anderen Partei nicht politische Gegenüber, sondern Feinde, die es auszutricksen und zu bekämpfen gilt. Um die Macht zu behalten, nimmt man im Zweifel auch einen Gesetzesbrecher im Weißen Haus in Kauf. So ist das heutzutage in Amerika. Ziemlich wild.
Trotzdem: Der deutsche Blick auf die Geschehnisse in den USA erschöpft sich oft zu schnell im Schwarz und Weiß. Donald Trump mag ein unberechenbarer Narzisst sein, aber ein Quartalsirrer ist er nicht. Eigentlich ist er sogar recht klar zu verorten, wenn man bedenkt, wie er dorthin gelangt ist, wo er heute ist: Big Donald ist die Inkarnation einer tiefen Sehnsucht vieler Amerikaner. Jener Menschen, die sich jahrelang von der politischen Kaste in Washington vernachlässigt gefühlt haben. Die den Eindruck gewonnen haben, dass sich die wechselnden Präsidenten ihres Landes zwar intensiv um Probleme in Europa, im Nahen Osten, in Afrika oder Asien kümmerten, aber viel zu wenig um die Probleme der Arbeiter vor ihrer eigenen Haustür. Die finden, dass die Regierung ohne Not chinesischen Firmen und deutschen Autoherstellern Tür und Tor öffnete, ohne gleichwertige Gegenleistungen zu verlangen. Ziemlich verkürzt, diese Weltsicht, klar, aber sie verfängt – besonders in jenen Bundesstaaten, wo die Fabriken rosten, die Drogenepidemie grassiert, ganze Städte verfallen. "Make America great again" klingt dort nicht wie eine Plattitüde, sondern wie ein Prophetenspruch.
Zugegeben: Angesichts der Anmaßungen und Absurditäten, die der amtierende Präsident sich herausgenommen hat, mag das noch nicht reichen, um seine starke Stellung zu erklären. Zwei ungeschriebene Gesetze der amerikanischen Politik helfen da schon eher weiter. Das erste besagt: Schwächelt ein Präsident oder hat er zwei Amtszeiten vollendet, neigen die Amerikaner dazu, denjenigen Kandidaten zu wählen, der das Gegenteil des Vorgängers verkörpert. Der jugendliche Bill Clinton war das Gegenteil des altväterlichen George Bush. Nachdem Clinton sich mit seiner Lewinsky-Affäre als windiger Schürzenjäger entpuppt hatte, folgte der texanische Cowboy George W. Bush. Als der sein Land in ein irakisches Blutbad gestürzt hatte, durfte der Intellektuelle Barack Obama den Versöhner geben. Und als Obama sich in den Augen vieler Bürger als zaudernder Leisetreter entpuppt hatte, folgte… na, das wissen Sie ja.
Gemäß dieser Regel müsste nun eigentlich der langweilig-integre Joe Biden gute Chancen haben, Herrn Trump im Weißen Haus nachzufolgen – wäre da nicht ein zweites ungeschriebenes Gesetz der amerikanischen Politik: Die Wirtschaft ist das Zünglein an der Waage. Der letzte Präsident, der nach nur einer Amtsperiode abgewählt wurde, war George Bush der Ältere. Ausschlaggebend für seine Niederlage war nicht seine Unbeliebtheit im linksliberalen Teil der Bevölkerung oder sein milliardenschwerer Erdöl-Feldzug in Kuwait und im Irak. Ausschlaggebend war die Wirtschaftsmisere. "It‘s the economy, stupid!" lautete der ebenso simple wie eingängige Schlachtruf seines Herausforderers Bill Clinton. Nun mag die wirtschaftliche Lage zwar heutzutage nicht mehr allein den Ausgang einer Wahl bestimmen, die Spaltung der Gesellschaft in unversöhnliche Lager wiegt ebenfalls schwer. Dennoch: Der wirtschaftliche Trumpf ist der höchste im Spiel, auch in diesem Wahlkampf wieder, und es ist ziemlich klar, wer ihn in den Händen hält: Donald Trump ist es – zumindest vordergründig betrachtet. Die Wirtschaft wächst, die Löhne steigen, die Arbeitslosenzahl sinkt. Der Präsident wird nicht müde, diese Erfolge auf seinen Jubelveranstaltungen und in die große weite Twitter-Welt hinauszuposaunen.
Schaut man etwas genauer hin, würde man sehen, dass erstens nicht Herr Trump, sondern sein Vorgänger Obama den Grundstein für den Aufschwung gelegt hat, dass zweitens das Wachstum durch horrende Schulden sowohl des Staates als auch der Privathaushalte erkauft wird, dass drittens die Arbeitslosenquote auch deshalb so niedrig ist, weil in den USA so viele Menschen krank sind oder im Gefängnis sitzen und dass viertens der von Herrn Trump angezettelte Handelskonflikt mit China die Lage nicht besser, sondern eher noch prekärer gemacht hat.
Aber wer schaut bei diesem Präsidenten schon genau hin? In 10, 15 Jahren wird man rückblickend womöglich feststellen: Die bemerkenswerteste Leistung dieses Präsidenten war es, die Öffentlichkeit permanent durch Überraschungen, Grenzüberschreitungen und Winkelzüge abzulenken. Trump behauptet heute dies und droht morgen das, Trump charmiert heute diesen und beleidigt morgen denselben, Trump macht dies! Trump macht das! Trump! Trump! Trrruuuuuump! So blasen die Fanfaren durch die Fernsehsender, durchs Internet und von Nachrichtenmagazintitelbildern. Unterdessen hat der große Zampano die Büros in seinem Weißen Haus nach zahlreichen Rauswürfen mit Jasagern und Stiefelleckern besetzt, sammelt eifrig Wahlkampfspenden von Superreichen ein, die ihm seine Steuerreform danken, und dürfte auch das Amtsenthebungsverfahren in Kürze überstanden haben.
Wer will so einem Meister der Täuschung das Wasser reichen? Ein alternder Joe Biden? Ein linker Populist Bernie Sanders? Eine Traumtänzerin Elizabeth Warren? Ein redlicher Nobody Pete Buttigieg? Einer der anderen Wieheißensienochgleichs? "Es ist wie bei einem Dinner. Du hast elf Gerichte auf der Speisekarte, aber du möchtest keines davon bestellen", zitiert die "Welt" einen ernüchterten Anhänger der Demokraten.
Bei der ersten Vorwahl der demokratischen Präsidentschaftsbewerber im Bundesstaat Iowa haben alle Kandidaten sich in der vergangenen Nacht bemüht, dem großen Zampano eine kraftvolle Alternativbotschaft entgegenzusetzen. Doch ein Sieger der Abstimmung steht bisher nicht fest; bei der Auszählung der Stimmen gibt es ein heilloses Chaos (hier ist der aktuelle Nachrichtenstand). Unser Korrespondent Fabian Reinbold war mittendrin im Getümmel des Caucus und wird das Ergebnis heute auf t-online.de für Sie einordnen. Da gibt es viel zu deuten, zu interpretieren und zu analysieren. Aber wir dürfen davon ausgehen, dass sich 1.600 Kilometer weiter östlich der Ablenkungsmeister vor dem Fernseher köstlich über den Wettkampf seiner Herausforderer amüsiert – und voraussichtlich nur ein, zwei Tweets benötigen wird, um den Gewinner in den Dreck zu ziehen, wenn der dann irgendwann feststeht. Ziemlich wild, dieses Amerika.
WAS STEHT AN?
Der Champagner ist ausgetrunken, die Girlanden sind eingerollt – jetzt geht es ans Eingemachte: Formal sind die Briten aus der EU ausgetreten, aber nun müssen sie sich mit Brüssel auf die Details der künftigen Handelsbeziehungen verständigen. Premier Boris Johnson spuckt große Töne und will sein Land zu einem "Superchampion des Freihandels" aufmöbeln. Doch seine Kraftmeierei ist durchsichtig: In Wahrheit steht er extrem unter Druck, wie mein Kollege Patrick Diekmann zeigt.
WAS LESEN UND ANSCHAUEN?
Wussten Sie, dass Greta Thunberg eine Marionette ihres Vaters ist, der mit ihren Aktionen haufenweise Geld verdient? Wussten Sie, dass Greta gar nicht auf einem Segelschiff nach New York fuhr, sondern die Crew samt Boot unterwegs in ein Transportflugzeug verfrachtet wurde? Verschwörungstheorien wie diese geistern durchs Internet und finden dort viele dienstfertige Verbreiter. Unser Kolumnist Gerhard Spörl erklärt, wie man sich gegen den größten Unsinn wappnet.
Als Sie gestern Abend ferngeschaut haben, wie viele Schauspielerinnen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren haben Sie da gesehen? Genau. Angelika Mann jedenfalls sagt: "Ab 40 Jahren kann sich eine Schauspielerin einfrieren". Es werden viel zu wenig Rollen vergeben. Schon zu DDR-Zeiten hat Frau Mann den Mund aufgemacht, und so hält sie es nun auch im Interview mit meinen Kollegen Martin Trotz und Nicolas Lindken.
Ich gebe zu, viele Gründe gibt es nicht mehr, klassisches Fernsehen zu schauen. Aber hier ist einer: Heute beginnt die zweite Staffel der Serie "Bad Banks" (ab sofort in der ZDF-Mediathek, ab Donnerstag auf Arte) über die Abenteuer der Bankerin Jana Liekam, gespielt von Paula Beer. Ehrgeiz, Gier, Erfolgsrausch, Scheitern, kurz: Die ganze Palette menschlicher Regungen werden hier in eine spannende Story gepackt. Prädikat: sehenswert (finde ich).
WAS AMÜSIERT MICH?
Es ist gar nicht alles schlecht bei der Bundeswehr!
Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Tag. Herzliche Grüße,
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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