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Zum journalistischen Leitbild von t-online.CSU-Landesgruppenchef Dobrindt "Er wird dieses Amt nicht weiter ausführen können"
Die Union verspricht im Wahlkampf einen "Politikwechsel". Für die CSU haben die Themen Migration und Sicherheit dabei oberste Priorität. Vor der Klausur in Kloster Seeon kündigt Alexander Dobrindt eine Reihe von Maßnahmen an.
Wenn sich die Abgeordneten der CSU-Landesgruppe zu Beginn des Jahres mit Blick auf die bayerischen Alpen im Kloster Seeon treffen, dann wird damit in der Regel das politische Jahr für die Union eingeläutet. Auch 2025 soll eine Agenda gesetzt und Themen fixiert werden. Aber nicht nur das. Denn dieses Mal ist die Klausur auch ein Wahlkampfauftakt.
Bis zur Bundestagswahl sind es noch knapp sieben Wochen. Und die CSU schreibt zwei Themen besonders groß: Migration und Sicherheit. Grenzkontrollen, Zurückweisungen an der Grenze, eine härtere Gangart bei den Abschiebungen – es ist eine Reihe von Maßnahmen, die lange undenkbar schienen, auch für die Union. Ob und wie das alles umsetzbar ist? Unter anderem darüber spricht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Interview mit t-online. Ein Gespräch über den Wahlkampf, die Regierungspläne und aktuelle Minister, die ihr Amt unter einer unionsgeführten Bundesregierung abgeben müssten.
t-online: Herr Dobrindt, am Montag beginnt das politische Jahr für die CSU. Ihre Überschrift für die Klausur in Kloster Seeon?
Alexander Dobrindt: Aufbruch25! Der Ampelschaden muss beseitigt werden; die politische Dunkelflaute in Deutschland beendet werden. Wir stellen unsere Agenda für den Politikwechsel vor und starten den Wahlkampfauftakt zur Bundestagswahl.
Versprechen Sie den Menschen nicht zu viel, wenn Sie von einem Politikwechsel in dem Ausmaß sprechen?
Nein. Deutschland ist abgewirtschaftet worden. Wir sind in einer Rezession gefangen, der Wohlstand sinkt, die Zukunftsaussichten schwinden und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist massiv gefährdet. Das ist die Bilanz der Ampel. Wir müssen jetzt eine 180-Grad-Wende hinlegen. Wir müssen diesem Land wieder eine positive Richtung geben. Alles andere wäre fatal. Diese Bundestagswahl ist die letzte Chance für die Parteien der Mitte. Wenn uns jetzt kein Wechsel gelingt, wird der Parteienaustausch weiter stattfinden, wie wir ihn in Teilen von Deutschland bereits sehen. Unser Nachbarland Österreich sollte dabei ein mahnendes Beispiel sein! Übrigens haben auch dort die Grünen das Erstarken der Populisten mitzuverantworten.
Diese Bundestagswahl ist die letzte Chance für die Parteien der Mitte.
Alexander Dobrindt
Ab wann dürfen die Bürgerinnen und Bürger denn einen spürbaren Unterschied erwarten, wenn Sie wieder regieren?
Die Ampel ist nicht nur an ihren inhaltlichen Unterschieden gescheitert, sondern auch an ihrer mangelnden Fähigkeit, politische Prozesse zu beschreiben. Politik muss anpassungsfähig bleiben. Deswegen wird es mit uns eine neue Form des Koalitionsvertrags geben, der erstmals kein Korsett mehr für die nächsten vier Jahre bildet. Stattdessen wird es einen Plan für einen Politikwechsel in den ersten sechs Monaten der Regierungszeit geben, mit klaren Umsetzungsverpflichtungen. Es hat in der Vergangenheit oft zu lange für Dinge gebraucht. Wir brauchen jetzt eine Regierung mit Funktionsgarantie statt Ampelschaden.
Verstehe ich Sie richtig, Sie wollen den klassischen Koalitionsvertrag abschaffen?
So ist es. Wir brauchen einen dynamischen Koalitionsvertrag. Wie gesagt, sechs Monate sind festgeschrieben, darüber hinaus geben wir uns gemeinsame Ziele, machen aber keine Gesetzesarbeit im Koalitionsvertrag, den Rest entwickeln die Regierungsparteien dann im Laufe der Legislatur. Mit Blick auf die vergangenen Legislaturperioden ist deutlich geworden, wie schnell sich die Umstände verändern können. Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine – Politik muss auf veränderte Situationen reagieren können. Koalitionsverträge für vier Jahre festzuschnüren ist ein Fehler.
Sie werden aller Voraussicht nach nicht allein regieren. Was machen Sie, wenn die SPD sich bei zentralen Versprechen von Ihnen quer stellt, etwa beim Bürgergeld?
Hubertus Heil hat der SPD mit dem Bürgergeld einen Bärendienst erwiesen. Diese Erkenntnis setzt sich zunehmend auch bei der SPD durch. Die SPD hat massiv durch das Bürgergeld Vertrauen verloren. Das zementiert Menschen in den Sozialleistungen, statt sie in Arbeit zu bringen. Das kann nicht das Interesse einer sozialdemokratischen Partei sein. Ich bin deshalb sicher, dass es in der SPD eine Veränderungsbereitschaft beim Bürgergeld gibt. Dafür gibt es schon jetzt ausreichend Signale. Nur mit einem Arbeitsminister Hubertus Heil wird das nicht möglich sein.
Wenn Hubertus Heil aber doch Arbeitsminister bleibt?
Hubertus Heil hat sich als Arbeitsminister mit dem Bürgergeld disqualifiziert. Er wird dieses Amt nicht weiter ausführen können, wenn die Union die Wahl gewinnt.
Machen Sie es sich nicht schwerer als notwendig, wenn Sie sich so an die SPD ketten?
Es geht darum, dass wir als Union unsere maximale Stärke erreichen. Der Garant für einen Politikwechsel sind CDU und CSU. Je stärker unser Ergebnis wird, umso schneller ist der Politikwechsel in Deutschland auch erreichbar. Darum geht es. Maximale Mobilisierung, maximale Stärke, um nach der Wahl mit einem möglichst kleinen Koalitionspartner regieren zu können.
Das beantwortet die Frage nicht.
Der Koalitionspartner kann die SPD sein. Andere Koalitionen sind allerdings nicht ausgeschlossen. Das hängt davon ab, welche Parteien künftig dem Deutschen Bundestag angehören. Und mit wem wir uns am ehesten einig werden.
Und wenn das am Ende ganz überraschend doch die Grünen sind?
Nein, da haben Sie mich vielleicht falsch verstanden. Die Grünen sind nicht regierungsfähig, mit ihnen ist kein Politikwechsel vorstellbar. Die grüne Partei ist offenkundig nicht in der Lage, die Migrationswirklichkeit, die wirtschaftliche Wirklichkeit oder die Sicherheitswirklichkeit in Deutschland wahrzunehmen und so zu verändern, dass sie auf die Akzeptanz der Bevölkerung stößt. Eine Regierung mit den Grünen bedeutet weiteren Schaden für unser Land. Es ist die Politik der Grünen und die Politik Robert Habecks, die Respektlos- und Bevormundungspolitik, die die radikalen Parteien so stark gemacht hat. Deshalb gilt: Die Grünen dürfen dieses Land nicht länger regieren, sie gehören in die Opposition.
Hubertus Heil hat sich als Arbeitsminister mit dem Bürgergeld disqualifiziert. Er wird dieses Amt nicht weiter ausführen können, wenn die Union die Wahl gewinnt.
Alexander Dobrindt
Lassen Sie uns über Ihre Pläne für das Land sprechen. Für die Union stehen Wirtschaft, Migration und Sicherheit im Fokus. Kommen Themen, wie Klimapolitik jetzt erstmal auf die Wartebank?
Wir nehmen das Thema ernst. Klar ist aber auch, dass sich die Klimapolitik der Ampel massiv gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger gerichtet hat. Wir wollen Klimaschutz mit den Bürgern machen und nicht gegen sie. Deutschland kann zum Beispiel bei der energetischen Sanierung von Gebäuden schneller werden. Das geht nur mit Anreizen und nicht mit ideologischen Verboten der Grünen. Für uns gilt: Wer saniert, der profitiert. Dafür wollen wir den Handwerkerbonus mit einem Energiebonus aufstocken und statt 6.000 Euro zukünftig 10.000 Euro anrechnungsfähig machen und neben den Arbeitsstunden auch die Materialkosten anrechnungsfähig machen. Habecks Heizgesetz werden wir dagegen abschaffen und stattdessen die energetische Sanierung im Erbfall vollständig von der Erbschaftssteuer absetzbar machen. Wir werden damit mehr und schneller energetische Sanierungen durchführen als Habeck mit seiner Bedrohung der Bürger mit dem Heizhammer.
Sprechen wir über Innere Sicherheit. Der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg liegt jetzt knapp einen Monat zurück. Hätte er verhindert werden können?
Nicht alle Terrorakte können automatisch verhindert werden. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Aber wir können und müssen jetzt für die Zukunft aufklären, was hätte besser laufen können. Also: Welche Fehler wurden konkret vor Ort gemacht? Wie hätte die Sicherheit erhöht werden können? Aber vor allem auch: Was können wir grundlegend ändern, um zu mehr Sicherheit zu gelangen? Wir sind der Überzeugung, dass wir stärkere Überwachungs- und Ermittlungsbefugnisse in Deutschland brauchen, wie beispielsweise die IP-Adressen-Speicherung.
Olaf Scholz will so schnell wie möglich noch einmal ein Sicherheitspaket auf den Weg bringen und dafür auch noch einmal auf die Union zugehen, weil sie sagen, das Thema müsse jetzt angegangen werden. Sind Sie offen dafür?
Wir sind offen für eine Zusammenarbeit, wenn sie sinnvoll ist. Das Sicherheitspaket, das die Ampel bisher vorgelegt hat, ist vollkommen unzureichend. Es müsste massiv ausgeweitet werden. Mein Eindruck ist nicht, dass die Innenministerin Nancy Faeser dazu bereit wäre.
Bei dem Attentäter in Magdeburg handelte es sich um einen Arzt aus Saudi-Arabien, der den Islam offen kritisiert hat. Ist eine Debatte über Migration mit Blick auf diesen Fall angemessen?
Eine Debatte über Migration wird es immer geben, wenn ausländische Straftäter in Deutschland Anschläge begehen. Und ja, selbstverständlich muss auch in diesem Fall die Frage beantwortet werden, warum dieser Mann nach offensichtlich mehrfachen Auffälligkeiten immer noch in Deutschland war. Das ist ein legitimes Interesse unserer Gesellschaft, die sich vor ausländischer Kriminalität schützen will. Bislang ist da in Deutschland ganz offensichtlich zu wenig passiert. Das Schutzinteresse der Bevölkerung muss oberste Priorität haben, nicht der Schutz von ausländischen Straftätern.
Das Papier für Ihre bevorstehende Klausur in Kloster Seeon trägt den Titel "Law-und-Order". Demnach soll beispielsweise das Bleiberecht für Migranten nur noch dann da sein, wenn das Einkommen ausreichend ist. Wie wollen Sie das rechtlich umsetzen?
Es ist zu einfach, immer nur nach der rechtlichen Umsetzbarkeit zu fragen und vielleicht noch auf irgendwelche europarechtlichen Hürden zu verweisen. Es liegt doch in unserem Interesse, dass wir keine Zuwanderung in die Sozialsysteme haben, sondern in den Arbeitsmarkt. Das muss man doch als politisches Ziel formulieren können. Und danach etwas verändern und notwendige Maßnahmen ergreifen.
Müssen politische Maßnahmen nicht mit Recht und Gesetz vereinbar sein?
Gesetze dem politischen Willen anzupassen, das ist die Aufgabe von Politik. In diesem Fall halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, dass wir von Migranten erwarten, dass sie sich ausreichend integrieren. Dazu gehört nun mal die Bereitschaft, am Arbeitsleben teilzunehmen.
Sollten hier die gleichen Anforderungen für Frauen und Männer gelten?
Erfahrungsgemäß kommen vor allem junge Männer zu uns. Aber ja, Gesetze gelten gleichermaßen, es sollten die gleichen Anforderungen für Frauen und Männer gelten. Auch Frauen, die zu uns kommen, müssen sich in den Arbeitsmarkt integrieren oder nicht auf Sozialleistungen angewiesen sein. Der Status des Aufenthalts spielt natürlich eine Rolle, aber entfallen beispielsweise die Schutzgründe, muss gelten können: Arbeitsaufnahme oder Rückkehr.
Oftmals sind es ja aber nicht dieselben Umstände.
Erstmal muss die Grundlage dafür geschaffen werden, dass Rückführungen wieder möglich sind, danach kann man über Ausnahmen und Sonderfälle entsprechend entscheiden. Niemand kann Deutschland vorwerfen, dass wir unsereren humanitären Verpflichtungen nicht nachgekommen wären in der Vergangenheit. Aber jetzt geht es darum, das Migrationssystem wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Hat die Vergangenheit nicht gezeigt, dass Abschiebungen alles andere als einfach sind?
Die Bürger fragen sich doch zu Recht, wieso Menschen, die mehrfach mit Straftaten auffällig geworden sind, immer noch in Deutschland leben dürfen. Da entsteht ein natürliches Störgefühl. Ich habe das auch. Das Sicherheitsgefühl und die Sicherheit der Öffentlichkeit ist dadurch beeinträchtigt. Und deswegen muss zukünftig gelten: Wer wiederholt vorsätzlich straffällig wird, hat dieses Land zu verlassen. Wer dieses Land nicht verlassen kann, obwohl er Verbrechen begeht oder mehrfacher Straftäter ist, der muss in unbefristete Abschiebehaft genommen werden. Aus dieser Abschiebehaft gibt es nur einen Weg raus, nämlich in sein Heimatland, aber nicht zurück in die Freiheit nach Deutschland.
Und wenn jemand vor Gericht 6 Monate Haft bekommt, soll der dann unbefristet ins Gefängnis?
Wir werden die Regeln dafür schaffen, dass Menschen in unbefristete Abschiebehaft genommen werden, wenn sie in Deutschland straffällig verurteilt sind und es das Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik Deutschland verlangt, dass sich diese Menschen in Deutschland nicht mehr frei bewegen können.
Noch einmal der Blick nach vorne, derzeit liegt die Union in den Umfragen vorne. So richtig profitiert haben Sie aber noch nicht vom Ampel-Aus. Warum nicht?
Wir haben unsere Umfragewerte in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Die CSU liegt in den Umfragen aktuell zwischen 44 und 45 Prozent. Ich halte das für ein deutliches Signal des Wunsches nach einem Politikwechsel in Deutschland. Allerdings beginnt der Wahlkampf gerade erst. Das heißt, es gibt auch noch Potenzial nach oben, das wir nutzen wollen.
Ihr stärkstes Argument als Union?
Nur mit der Union ist der Politikwechsel möglich, der Sicherheit in Deutschland schafft, illegale Migration stoppt und Wohlstand durch Wachstum erzeugt. Die Ampel hat das wirtschaftliche Erbe verspielt und hinterlässt nichts als Unordnung. Wir sind die politische Kraft, die wieder Ordnung schaffen kann und deswegen werden wir bei der Wahl auch deutlich Zustimmung erhalten.
Ich dachte, Sie sagen jetzt vielleicht Friedrich Merz.
Wir sind sehr gut aufgestellt mit Friedrich Merz und Markus Söder an der Spitze unserer Parteien.
Herr Dobrindt, letzte Frage: Was schätzen Sie denn an den Grünen?
Nichts.
Vielen Dank für das Gespräch.
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