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Wehrpflicht: Roderich Kiesewetter (CDU) gegen Alexander Müller (FDP)


Streitgespräch zur Wehrpflicht
"Russland greift die Nato längst an"


Aktualisiert am 04.07.2024Lesedauer: 10 Min.
Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

FDP-Politiker Alexander Müller (l.) und CDU-Politiker Roderich Kiesewetter im t-online-Gespräch: Braucht es staatlichen Zwang, um die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen?Vergrößern des Bildes
FDP-Politiker Alexander Müller (l.) und CDU-Politiker Roderich Kiesewetter im t-online-Gespräch: Braucht es staatlichen Zwang, um die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen? (Quelle: Dominik Butzmann. Montage: t-online./t-online)

Verteidigungsminister Pistorius will junge Menschen zur Bundeswehr locken. Kann diese "Wehrpflicht light" ohne Zwang funktionieren? Das t-online-Streitgespräch zwischen CDU-Mann Roderich Kiesewetter und FDP-Politiker Alexander Müller.

Tausende unbesetzte Stellen, viele Abbrecher, eine ausgedünnte Reserve: Die Bundeswehr leidet seit Jahren unter Personalmangel. Damit die Truppe im Ernstfall zumindest auf genug fähige Reservisten zurückgreifen kann, will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nun die Wehrpflicht zurückbringen, zumindest eine "Light"-Version davon: Denn der Minister will vor allem durch Anreize junge Männer und Frauen für die Bundeswehr begeistern.

Doch kann das klappen – wo die Truppe doch seit Jahren wenig erfolgreiche Werbekampagnen betreibt? Oder werden am Ende doch wieder junge Menschen zum Wehrdienst verpflichtet, weil sich nicht genug Freiwillige melden?

Über diese und andere Fragen diskutieren zwei ausgewiesene Bundeswehrexperten: der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter und der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller. Ein t-online-Streitgespräch über staatlichen Zwang, die russische Bedrohung Deutschlands – und gemeinsame Fehler der Vergangenheit.

t-online: Boris Pistorius will die Bundeswehr "kriegstüchtig" machen. Sein kürzlich vorgestelltes Wehrdienstmodell setzt aber weitgehend auf Freiwilligkeit – und damit auf das Prinzip Hoffnung. Reicht das aus, um Putin abzuschrecken?

Roderich Kiesewetter: Nein, das reicht noch nicht. Von einer kriegstüchtigen Bundeswehr sind wir weit entfernt. Es fehlt an moderner Ausstattung und attraktiver Infrastruktur. Junge Menschen gehen nur in Streitkräfte, wenn sie nicht in maroden Kasernen schlafen müssen. Unabhängig davon aber zeigt der Gegenwind, den Pistorius für seine ursprüngliche Wehrpflicht-Idee bekommen hat, dass wir in Deutschland nicht strategisch denken. Ich frage mich: Was ist so schlimm daran, für ein Jahr etwas für die Gesellschaft zu tun und beim Militär oder im zivilen Bereich zu dienen, etwa im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz?

Für den Mangel an strategischem Denken kann aber der Verteidigungsminister nichts.

Kiesewetter: Das stimmt. Boris Pistorius gehört zu denen in der Ampel, die der Bevölkerung nichts vormachen. Kanzler Olaf Scholz hingegen macht es sich einfach: Er redet den Leuten ein, sie müssten eigentlich gar nichts groß verändern. Das ist eine Verzerrung der Wirklichkeit! Am Ende wird es ohne einen Pflichtdienst nicht gehen.

Alexander Müller: Moment. Bevor wir über staatlichen Zwang sprechen, sollten wir versuchen, möglichst viele junge Menschen freiwillig zu bewegen, zur Bundeswehr zu kommen. Daher ist der Vorschlag von Minister Pistorius im Grunde richtig. Zudem enthält der auch verpflichtende Elemente.

Die allerdings recht klein ausfallen: Die Pflicht junger Männer besteht darin, einen Fragebogen zurückzuschicken und – falls sie Interesse an der Bundeswehr bekunden – zur Musterung zu erscheinen. Für Frauen besteht keine Pflicht.

Müller: Eine umfassende Musterungspflicht wäre ein riesiger Aufwand. Wir reden von mehr als 350.000 18-Jährigen bei den Männern jedes Jahr, zusätzlich zu den freiwilligen Frauen. Hinzu kommen die sogenannten "weißen Jahrgänge" der letzten 13 Jahre, in denen es keine Wehrpflicht gab. Die müssten allein schon aus Gerechtigkeitsgründen mit hineingenommen werden. Am Ende hätten Sie über eine Million Fragebögen und Hunderttausende, die zur Musterung müssen. Das ist logistisch nicht zu schaffen.

Video | "Es gibt eine kommunikative Dysfunktion in der Regierung", sagt Roderich Kiesewetter.
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Quelle: t-online

Die Ziele hat der Minister schon mal vorsorglich niedrig gehängt: Lediglich 5.000 Rekruten pro Jahr sollen freiwillig dienen. Wie soll so die Zahl von 260.000 Reservisten zustande kommen, die es laut Pistorius im Verteidigungsfall bräuchte?

Kiesewetter: Die Aufwuchsfähigkeit der Bundeswehr ist beklagenswert klein. Wir haben Hunderttausende Altreservisten, mit denen wir im Kriegsfall wenig anfangen können. Die Bundeswehr leidet zudem unter einem chronischen Mangel an Ausbildern. Die Ausbildungskapazität wurde abgebaut, als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. In diesem Punkt stimme ich Dir zu, Alexander: Zu viele Wehrdienstleistende auf einmal würden die Truppe überfordern. Der gestufte Ansatz von Pistorius ist also nötig, weil wir zuerst die Strukturen schaffen müssen.

Und wenn sich nicht einmal die 5.000 pro Jahr melden – braucht es das Pflichtjahr dann doch?

Müller: Eine Auswahl-Wehrpflicht, wie sie Pistorius in letzter Konsequenz vorsieht, halte ich für den falschen Weg. Für uns als FDP wäre da die rote Linie überschritten. Es gibt aber auch bei den anderen beiden Ampelfraktionen erhebliche juristische und moralische Vorbehalte dagegen. Wie soll denn der Staat begründen, dass Peter gezogen wird, Patrick und Paul aber nicht? Was ist, wenn Peter dagegen klagt? Und überhaupt: Warum nur Peter und nicht auch Petra? Da sind zu viele Fragen offen.

Kiesewetter: Wir sollten keine roten Linien ziehen, wenn es darum geht, unsere Streitkräfte zu stärken. Pistorius hat doch recht: Was tun wir, wenn wir nicht genug Freiwillige bekommen? Wir brauchen einen Plan B, wenn wir trotz Anreizen nicht genug Menschen für die Bundeswehr begeistern. Auch ich bin ein starker Anhänger von Freiwilligkeit, weil ich motivierte Leute will. Aber am Ende geht es darum, sich auf einen möglichen Verteidigungsfall vorzubereiten. Bei einem Pflichtjahr sollte ein Großteil der jungen Leute auch nicht zum Militär gehen, sondern in den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.

Müller: Lass uns doch erst mal schauen, wie das jetzige System anläuft und wie die Anreize wirken: Lkw-Führerschein, Studienkredite, Verbesserung des Numerus clausus – da ist vieles denkbar. Wenn man als junger Mensch aus dem Wehrdienst etwas mitnimmt, was einem später im Betrieb oder Studium hilft, kann das eine große Wirkung entfalten. Ich bin überzeugt, dass sich im ersten Jahr die erhofften 5.000 bis 7.000 Freiwilligen melden werden.

Aber was kommt danach? Das Stufenmodell des Ministers sieht vor, dass die Zahlen in den nächsten Jahren deutlich anwachsen.

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Müller: Wenn wir über 20.000 oder 30.000 Rekruten reden, wird es schwierig. Bis dahin müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Kiesewetter: Da machst Du es Dir zu einfach! Es ist doch jetzt schon das erklärte Ziel, auf dieses Niveau zu kommen, Ihr müsst Euch also schon jetzt Gedanken machen, wie die Truppe attraktiver wird.

Müller: In der Opposition sagt sich das leicht. Was würdest Du denn tun?

Kiesewetter: Ich würde mir anschauen, warum bei der Bundeswehr weiter 20.000 reguläre Stellen offen sind. Warum wirft ein Viertel aller neuen Soldaten schon nach vier Monaten hin? Weil die Unterkünfte mies sind, die Entfernung vom Wohnort zu weit, die Ausstattung zu schlecht? Das ist ein Problem, das in den Griff zu bekommen ist.

Müller: Es stimmt, wir haben extrem hohe Abbrecherquoten bei der Bundeswehr. Leider macht das Ministerium keine systematische Untersuchung, warum die Leute abspringen.

Herr Müller, würde sich die FDP gegen einen Pflichtdienst sperren, wenn Pistorius seine Planzahlen verfehlt?

Müller: Man muss sehr genau abwägen, ob man junge Menschen dazu zwingen will, ein Jahr ihres Lebens in etwas zu investieren, was sie gar nicht möchten. Artikel 12 im Grundgesetz garantiert die Berufsfreiheit. Das halten wir als FDP sehr hoch. Wenn die Bedrohungslage erheblich steigt, kann ich mir allerdings vorstellen, dass wir uns einer Wehrpflicht nicht verweigern würden. Aber an dem Punkt sind wir noch lange nicht.

Die Bedrohung Deutschlands durch den russischen Imperialismus ist noch nicht groß genug?

Müller: So ist es. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Ich wollte nach dem Abi Informatik studieren, doch wurde stattdessen in die Uniform gezwungen und musste 15 Monate meines Lebens etwas tun, was ich nicht wollte. Das war ein harter Einschnitt in meine persönliche Freiheit. Allerdings war die Bedrohung damals im Kalten Krieg real.

Und das ist sie heute nicht?

Müller: Sie ist real, aber vor allem für die Ukraine. Für Deutschland ist sie zumindest nicht auf dem Niveau von damals, als wir jederzeit damit rechnen mussten, dass russische Panzerverbände die deutsch-deutsche Grenze überrollen.

Was müsste passieren, damit die FDP ihre Abwägung noch mal überdenkt? Ein russischer Angriff auf die Nato?

Müller: Ein militärischer Angriff Russlands auf das Nato-Gebiet würde wahrscheinlich zu einem Spannungsfall führen und damit die ausgesetzte Wehrpflicht wieder zum Wirken bringen.

Ist es dann nicht zu spät?

Müller: Das ist eine theoretische Frage. Ich glaube im Übrigen nicht, dass eine militärische Aggression Russlands gegen die Nato damit beginnen würde, dass plötzlich russische Panzer im Baltikum einfallen würden. Zuvor würden wir eine Truppenkonzentration und einen langsamen militärischen Aufbau an der Grenze sehen. Das Bundesverteidigungsministerium geht zudem nicht davon aus, dass Russland vor 2029 zu so einem Angriff fähig wäre. Wir haben also noch ein paar Jahre Zeit.

Kiesewetter: Ich bin schon der Auffassung, dass diese persönliche Einschränkung bei besonderer Bedrohungslage gerechtfertigt ist und dass es zu spät sein kann. Der hybride Krieg läuft bereits. Russland greift die Nato längst an, nur bislang nicht militärisch. Wir sollten langsam über Artikel 4 des Nato-Vertrags sprechen.

Artikel 4 des Nato-Vertrags sieht Konsultationen vor, wenn nach Auffassung eines Mitgliedstaats die Unversehrtheit seines Gebiets betroffen ist. Ist das der Fall?

Kiesewetter: Wenn wir an bestimmte Fabrikbrände, Spionageaktivitäten und politische Morde denken, dürfen wir uns nichts vormachen: Deutschland steht im Zentrum von Russlands hybrider Kriegsführung.

Müller: Ja, aber Fabrikbrände, die von einem staatlichen Akteur herbeigeführt wurden, kannst Du nicht mit Wehrpflichtigen kontern.

Kiesewetter: Natürlich nicht, aber die Frage ist, wann die Bedrohung so hoch ist, dass man ein Zeichen setzt. Auch Cyberangriffe auf unser Land werden wir nicht mit Wehrpflichtigen abwenden. Aber vielleicht lassen sich mögliche Folgen durch mehr Reservekräfte, die für den Schutz von Kritis (Kritische Infrastrukturen, Anm. d. Red.) ausgebildet sind, abmildern.

Der Pistorius-Plan sieht vor, zunächst die Wehrerfassung für die geplanten 5.000 Freiwilligen auszubauen. Dafür sind rund 1,4 Milliarden Euro veranschlagt. Hätte der Minister nicht ambitionierter sein müssen und etwa einen großen Infrastrukturplan vorlegen sollen?

Kiesewetter: Als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, hatten wir 750 Kasernen. Mittlerweile sind wir bei ca. 250. Um auf das alte Niveau zu gelangen, müssten wir Dutzende Milliarden Euro in die Hand nehmen. Das ist der falsche Weg. Statt der vielen alten Kreiswehrersatzämter braucht es einige wenige Musterungszentren, um letztlich nur die Wehrdienstleistenden aufzunehmen, die wir wirklich brauchen.

Müller: Interessant, dass ausgerechnet Du die Musterungen ansprichst, wo doch die Union maßgeblich daran beteiligt war, die Kreiswehrersatzämter zu schließen.

Kiesewetter: Die Wehrpflicht haben wir damals zusammen mit der FDP abgeschafft, so ehrlich wollen wir doch sein, Alexander. Aber ja, wir als Union tragen eine Mitverantwortung für den heutigen Zustand der Bundeswehr. Und unsere Lehre daraus ist: Wenn wir eine Partei der Bundeswehr sein wollen, können wir die Wehrausgaben nicht ständig senken, sondern müssen sie erhöhen.

Marode Kasernen, systematische Erfassung, moderne Waffensysteme: Für all das braucht der Verteidigungsminister Geld, das nicht da ist. Scheitert Pistorius an der Haushaltspolitik der Ampel?

Kiesewetter: Woher Pistorius die 1,4 Milliarden Euro für die erste Stufe nimmt, möchte ich auch gerne wissen. Klar ist: Finanzminister Lindner kennt die finanziellen Probleme der Truppe. Wenn die Bundeswehr unter die Räder gerät, nur weil die Ampel sich nicht einigen kann, wäre das katastrophal. An der Union jedenfalls wird eine bessere Ausstattung der Bundeswehr nicht scheitern.

Woran denken Sie: Ein neues Sondervermögen? Oder an eine Aussetzung der Schuldenbremse für Investitionen in die Streitkräfte, wie Sie es mal vorgeschlagen hatten?

Kiesewetter: Das muss die Bundesregierung entscheiden. Wenn wir eingebunden werden, beteiligen wir uns konstruktiv.

Das heißt, Sie schließen weder ein neues Sondervermögen noch neue Schulden aus, um die Truppe zu modernisieren?

Kiesewetter: Wir sollten uns als Union nicht verweigern. Ich sage aber ausdrücklich, dass es die Aufgabe der Bundesregierung ist, solche Vorschläge zu machen.

Pistorius hat zuletzt vorgeschlagen, Ausgaben für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbei über Milliardenkredite zu finanzieren. Eine gute Idee?

Kiesewetter: Da will ich mich nicht festlegen. Fakt ist: Irgendwoher muss das Geld kommen. Und wir dürfen nicht vergessen, wir brauchen es nicht nur für die Bundeswehr allein. Wir müssen unser ganzes Land kriegstüchtig machen, das betrifft vor allem auch unsere maroden Brücken, Schifffahrtswege und Bahnlinien. Wenn Sie heute der Deutschen Bahn sagen, Sie wollen am 7. August um 12.30 Uhr eine Division verlegen, dann zeigt Ihnen die Bahn den Vogel.

Die FDP inszeniert sich als Anwältin der Interessen der Bundeswehr, hat aber bis heute keinen Plan vorgelegt, wie sie den Mehrbedarf der Truppe finanzieren will.

Müller: Wir müssen mehr Einnahmen generieren, indem wir das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, wie wir Deutschland entbürokratisieren und die Unternehmen entlasten. Kurzfristig müssen wir aber auch sparen, vor allem im Bereich Arbeit und Soziales: Das Bürgergeld verschlingt einen enormen Teil des Haushalts. Der wichtigste Hebel ist, mehr Menschen aus dem Bürgergeld herauszubekommen und in Arbeit zu bringen. Da müssen wir auch über Anreize und stärkere Sanktionen nachdenken.


Quotation Mark

Allen ist klar, dass der Wehretat deutlich wachsen muss.


Alexander Müller


Aber reichen ein paar mehr Sanktionen und Kürzungen in anderen Ressorts, um die Verteidigungsausgaben adäquat zu erhöhen?

Müller: Wir haben einen Gesamthaushalt von 475 Milliarden Euro. Es muss möglich sein, einen zusätzlichen einstelligen Milliardenbetrag für den Verteidigungsminister herauszuholen.

Kiesewetter: Es geht aber um mehr als den einstelligen Milliardenbetrag für den Haushalt 2025. Wenn das Bundeswehr-Sondervermögen 2027 ausläuft, droht uns ein riesiges Loch bei den Verteidigungsausgaben. Um die Nato-Zusage eines Verteidigungsetats in Richtung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts einzuhalten, müsste der Wehretat auf eher 110 Milliarden steigen. Umso wichtiger ist es jetzt, in einer Phase der Verunsicherung unserer Gesellschaft für Klarheit zu sorgen.

Die Kontrahenten

Alexander Müller, Jahrgang 1969, ist verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Er leistete seinen Wehrdienst 1988 in der Heeresflugabwehrschule in Rendsburg und ist heute Oberstleutnant der Reserve. Auch Roderich Kiesewetter. Jahrgang 1963, hat eine Bundeswehrvergangenheit: Bis zum Einzug in den Bundestag für die CDU im Jahr 2009 war Kiesewetter Oberst im Generalstabsdienst und in dieser Verwendung mehrfach im Ausland, unter anderem auf dem Balkan und in Afghanistan.

Hat Pistorius das Stufenmodell auch deshalb gewählt, um die finanziellen Ausgaben zu strecken, Herr Müller?

Müller: Das müssen Sie ihn fragen. Aber: Allen ist klar, dass der Wehretat deutlich wachsen muss. Aktuell stehen rund 52 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung, bis 2030 muss diese Summe auf jährlich 75 Milliarden Euro wachsen. Wie wir dahin kommen, muss aber im Wesentlichen die nächste Bundesregierung bestimmen, das ist eine Diskussion für den Bundestagswahlkampf 2025.

Kiesewetter: Da machst Du Dir es zu leicht, Alexander. Wir müssen schon jetzt über Wege sprechen, wie wir die Bundeswehr besser ausrüsten und wie viel Geld sie dafür braucht. Die Wehrbeauftragte Eva Högl spricht von 300 Milliarden Euro, die die Truppe bis 2030 braucht. Angesichts der instabilen Weltlage ist das vermutlich eine finanzielle Untergrenze.

Auch der künftige Wehrdienst wird zwischen Männern und Frauen diskriminieren: Männer werden verpflichtet, den Fragebogen zurückzuschicken, für Frauen bleibt er freiwillig. Wie stehen Sie beide dazu?

Müller: Wir haben mit dem Minister darüber gesprochen. Er ist der Meinung, dass er im letzten Jahr der Legislatur keine Grundgesetzänderung mehr durchbekommt.

Ist das auch Ihre Meinung?

Müller: Als er seine Vorschläge dem Verteidigungsausschuss vorgestellt hat, gab es aus allen demokratischen Parteien das Signal, dass der Grundgesetzartikel 12a geändert werden muss, sodass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Aus meiner Sicht sollte man es wenigstens versuchen, das noch bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 zu schaffen.

Stände die Union bereit, Herr Kiesewetter?

Kiesewetter: Es ist eine Frage der genauen Ausgestaltung des Artikels, aber an uns wird es nicht scheitern. Der 12a wird geändert werden, allerspätestens in diesem Jahrzehnt. Wir können nicht einen Teil der Gesellschaft ausklammern. Man könnte das auch noch in dieser Legislatur schaffen, wenn man wirklich wollte.

Fehlt Pistorius der politische Wille?

Kiesewetter: Den hat er, glaube ich, aber ihm fehlt der Mut des Tüchtigen. Den wünsche ich ihm.

Herr Kiesewetter, Herr Müller, vielen Dank für dieses Gespräch.

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Verwendete Quellen
  • Streitgespräch mit Roderich Kiesewetter und Alexander Müller
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