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Scharfe Kritik an Anne Spiegel: Wo war die Ministerin bei der Flutkatastrophe?


Scharfe Kritik an Anne Spiegel
Es kam die Flut – nur wo war die Ministerin?

Von t-online, law

11.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Skeptischer Blick: Anne Spiegel mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch im Flutgebiet an der Ahr. Im Untersuchungsausschuss muss sie erklären, wie sie während der Katastrophe kommunizierte.Vergrößern des Bildes
Skeptischer Blick: Anne Spiegel mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch im Flutgebiet an der Ahr. Im Untersuchungsausschuss muss sie erklären, wie sie während der Katastrophe kommunizierte. (Quelle: Stephan Dinges)
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Bundesfamilienministerin Spiegel steht wegen ihrer Rolle bei der Flut im Ahrtal unter Druck: Sie muss erklären, warum sie als Landesministerin teilweise nicht erreichbar war. Aber sich Sorgen um ihr Image machte.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel wird an diesem Freitagabend schlecht erreichbar sein. Und das aus einem besonderen Grund: Die Grünen-Politikerin wird im Landtag in Mainz in einem Untersuchungsausschuss erklären müssen, ob sie wiederum erreichbar war, als sie im Juli 2021 noch Landesumweltministerin war. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als an der Ahr 134 Menschen beim Hochwasser starben.

Nach Informationen von t-online ist in den Akten für den Untersuchungsausschuss des Landtags sehr genau dokumentiert, welches Regierungsmitglied wann welches Gespräch geführt hat am 14. Juli, als die Flutkatastrophe hereinbrach über die Städte und Orte im Ahrtal.

Viele Kommunikationsdaten

Das Innenministerium soll besonders ausführlich Verbindungsnachweise für SPD-Minister Roger Lewentz vorgelegt haben. Telefonate und Nachrichten über einen Messengerdienst von Anne Spiegels Handy aus dem Zeitraum der Katastrophe finden sich dagegen offenbar nicht.

Ihr Ministerium hatte am 14. Juli um 16.43 Uhr eine Pressemitteilung mit dem Titel "Angespannte Hochwasserlage in Rheinland-Pfalz" verschickt. Spiegel wurde darin mit den Worten zitiert: "Wir nehmen die Lage ernst, auch wenn kein Extremhochwasser droht." Sie hatte sie um 16.26 Uhr freigegeben. Zuvor hatte Spiegel jedoch noch angemerkt, dass man in der Pressemitteilung bitte gendergerechte Sprache benutzen möge.

Das letzte bisher bekannte Signal von Spiegel ist ein Austausch "am späten Nachmittag" im Landtag: Laut Staatskanzlei hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu dieser Zeit mit ihr und Innenminister Roger Lewentz über den Starkregen gesprochen.

War sie nicht zu erreichen?

Die Telefondaten ihres Staatssekretärs Erwin Manz zeigen, dass er am Abend des 14. Juli um 22.24 Uhr und am Morgen des 15. Juli um 7.52 Uhr vergeblich versucht hatte, sie anzurufen. War die Klimaschutzministerin während der größten Unwetterkatastrophe nicht erreichbar? Ging Spiegel nicht ans Telefon, als bereits Keller überflutet wurden und Menschen in Lebensgefahr schwebten?

Um kurz nach sechs Uhr schrieb eine Mitarbeiterin der Pressestelle des Umweltministeriums per SMS, die Lage sei "sehr ernst", es würden Menschen vermisst. Von Spiegel gibt es dann wieder eine Reaktion auf eine Nachricht des stellvertretenden Regierungssprechers Dietmar Brück, der um 7.54 Uhr unter anderem schrieb: "Anne (Spiegel, Anm. d. Red.) braucht eine glaubwürdige Rolle". Gemeint war eine öffentliche Rolle, eine gute Position für die Politikerin.

Spiegel antwortete darauf: "Das Blame Game [Schuldzuweisungen] könnte sofort losgehen." Nötig sei "ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc." Die Planung ihrer eigenen Position war für sie bereits in vollem Gange. Über diese Vorgänge hatten "Focus" und "FAZ" zuerst berichtet. Brück warnte auch, aufzupassen, "dass MP und Roger [Malu Dreyer und Roger Lewentz] jetzt nicht Fünf-Punkte-Plan gegen Starkregen entwickeln".

Spiegels Ministerium steht deshalb bereits in der Kritik, sich nicht um die Menschen gesorgt zu haben, sondern um die Außendarstellung der Ministerin. Mangelnde Erreichbarkeit während der Flut wäre ein zusätzlicher Punkt, den man der Ministerin vorwerfen könnte. Für die CDU-Opposition ist Dirk Herber der Obmann im zuständigen Ausschuss. Der frühere Polizeibeamte sagte t-online: "Wenn sich so bestätigen sollte, dass die Ministerin nicht erreichbar war, wäre das ein weiterer großer Mosaikstein."

Im Profil der Grünen-Politikerin auf Instagram, das seit der Landtagswahl vor einem Jahr brachliegt, toben sich Nutzer aktuell mit Verwünschungen und Beleidigungen aus. Sie wird als Mörderin tituliert, ihr Gang ins Gefängnis – oder zumindest der Rücktritt – gefordert.

Für nicht mehr tragbar hält sie auch Lars Hennemann, Chefredakteur der "Rhein-Zeitung", die im Flutgebiet erscheint. "Unfreundliche Grüße nach Berlin, Frau Ministerin: Wenn Sie noch einen Funken Anstand besitzen, sollten Sie zurücktreten!", schreibt er in einem Kommentar. Wenn ihre Einsicht trotz der 134 Opfer so weit nicht reiche, zeuge das von viel Charakterlosigkeit.

Grünen-Chef: "Wird offene Fragen beantworten"

Grünen-Parteichef Omid Nouripour zeigt Verständnis für den Unmut: "Ich weiß, wie belastend die Situation für die vielen Opfer der Flutkatastrophe sein muss, und das weiß auch Anne Spiegel", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ich gehe davon aus, dass sie im Untersuchungsausschuss alle offenen Fragen beantworten wird."

Bislang haben diese Informationen vom Tag der Flut bei vielen zuständigen Stellen den Eindruck von heftigem Missmanagement und Versagen erweckt. Meteorologen haben im Ausschuss deutlich gemacht, dass die Katastrophe abzusehen war und deutliche Warnungen der Bevölkerung möglich gewesen wären.

Bei der Aufarbeitung und der Frage der Verantwortung geht es nun um die Rolle der damaligen Umweltministerin, ihrer Mitarbeiter und der unterstellten Landesumweltbehörde LfU. Bevor Spiegel selbst ab etwa 19.30 Uhr am Abend an die Reihe kommen soll, werden ein Spitzenbeamter des LfU, die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz Sabine Riewenherm und Mitarbeiter aus Spiegels damaligem Ministerium befragt. Nach dem Leiter des Ministerbüros, Giuseppe Lipani, ist vor Spiegel noch ihr Staatssekretär Manz an der Reihe.

Amt hatte Nachmittags Rekordpegel angekündigt

Manz hatte am Abend der Flut entschieden, auf die Pressemitteilung "Es droht kein Extremhochwasser" keine neue Mitteilung folgen zu lassen. Er hatte allerdings erkannt, dass sie "überholt" war. Es gebe ein "Extremereignis an der Ahr", schrieb er der Pressestelle. Bei einer entsprechend korrigierten Pressemitteilung hätten Radiosender vielleicht noch anderes reagiert. Auch dem SWR wird vorgeworfen, nicht ausreichend gewarnt zu haben.

Das LfU hatte an diesem Tag um 15.26 Uhr bereits eine Prognose veröffentlicht, wonach das Wasser am Pegel Altenahr auf einen nie zuvor gemessenen Stand steigen werde: bis zu 5,19 Meter. Kurz darauf wurde es nach unten korrigiert. Um 17.17 Uhr rief das Amt die höchste Warnklasse aus, "sehr hohe Hochwassergefährdung" mit der Gefahr der "Überflutung bebauter Gebiete in größerem Umfang".

Das ging auch an den Kreis Ahrweiler. Den Katastrophenalarm hatte der Krisenstab des Kreises um 23.09 Uhr ausgelöst. Der damalige Landrat Jürgen Pföhler hatte sich zehn Wochen nach der Flut in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen. Gegen ihn laufen nun Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung.

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