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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine Supermacht wankt Diese fünf Krisen erschüttern derzeit die USA
Die Corona-Pandemie hat nirgendwo so viele Todesopfer gefordert wie in den USA. Doch der dramatische Gesundheitsnotstand ist nur eine von fünf Krisen, mit denen das Land derzeit zu kämpfen hat.
In den USA sind so viele Menschen an einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben wie in keinem anderen Land auf der Welt. Am Mittwoch durchbrach die Zahl der Todesopfer die Schallmauer von 100.000. Rund 1,7 Millionen US-Amerikaner haben sich inzwischen infiziert.
Corona-Pandemie
Und das Virus ist in den meisten Staaten noch immer nicht unter Kontrolle: Landesweit steigen die Fallzahlen weiter fast ungebremst. Am Mittwoch kamen wieder deutlich mehr neue Todesopfer hinzu als in den vergangenen Tagen: Binnen 24 Stunden 1.401.
Trotzdem hat die Mehrzahl der US-Bundesstaaten mit einer Lockerung der Corona-Maßnahmen begonnen. Vielerorts öffneten Restaurants wieder, Firmen nahmen die Arbeit auf. Kommende Woche werden mehrere große Casinos in Las Vegas den Betrieb hochfahren. Donald Trump begrüßt das, weil er auf eine rasche Erholung der US-Wirtschaft hofft.
Lange Zeit hatte der US-Präsident die Gefahr durch das Coronavirus heruntergespielt, als die dramatischen Auswirkungen in anderen Weltregionen schon längst sichtbar waren. Mit dem starken Anstieg der Fallzahlen in den USA sah sich das Weiße Haus schließlich doch zum Handeln gezwungen. Allerdings wirkt Trump dabei bis heute orientierungslos und uninformiert. Mal gibt er den Bürgern Ratschläge, von denen Mediziner umgehend abraten, weil sie potenziell lebensbedrohlich sind. Mal ruft er zur "Befreiung" von Demokraten regierten Bundesstaaten von den Corona-Maßnahmen auf – während die Fallzahlen steigen und steigen.
Die Corona-Krise macht in den USA auch einmal mehr die ethnischen und sozialen Zerwürfnisse in der Gesellschaft sichtbar. So sterben etwa überproportional viele Schwarze und Latinos an Covid-19, weil sie einen Großteil der unverzichtbaren Beschäftigten in der Krise ausmachen, deren Jobs nicht von zu Hause erledigt werden können und die noch dazu verhältnismäßig weniger verdienen.
Einbruch am Arbeitsmarkt
Ähnlich dramatisch wie die gesundheitlichen Auswirkungen durch das Coronavirus sind die Verheerungen für die US-Wirtschaft. Über 40 Millionen Menschen haben zumindest zeitweise ihren Job verloren. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Nach Angaben der Regierung in Washington lag die Arbeitslosenquote in der vergangenen Woche bei über 17 Prozent. Weil die Statistik aber nicht alle Arbeitssuchenden erfasst, dürfte die Quote wohl bei über 20 Prozent liegen.
Da die soziale Absicherung in den USA nur schwach ist und die Menschen kaum Geld für Krisenzeiten beiseite legen, erleben die Tafeln dieser Tage einen nie dagewesenen Ansturm. Überall im Land bilden sich teils kilometerlange Staus und lange Warteschlangen vor den Einrichtungen für die Essensausgabe. Hinzu kommt, dass Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung zu verlieren drohen, weil die meisten Menschen über den Arbeitgeber krankenversichert sind. Und die Krise hat noch ein weiteres, alt bekanntes Problem verschärft: die private Verschuldung. Die Ausstände für private Kredite, Hypotheken und Finanzierungsleistungen summierte sich im April auf über 14 Billionen Dollar – und damit auf ein annähernd hohes Niveau wie vor der Finanzkrise 2008/09.
Konflikt mit China
Seit Monaten bereits tobt ein heftiger Handelskonflikt zwischen den USA und China, der sich unter anderem um das Handelsbilanzdefizit der USA, um Einfuhrzölle, aber auch den Diebstahl geistigen Eigentums dreht. Beide Seiten haben sich in diesem Konflikt mit immer neuen Strafmaßnahmen überzogen, unter denen die Wirtschaft weltweit leidet.
Doch im Zuge der Corona-Pandemie hat der Streit eine neue Dimension erreicht. US-Präsident Trump machte China mehrmals öffentlich für die massive Ausbreitung des Virus verantwortlich. Er behauptete, das Virus stamme aus einem Hochsicherheitslabor im zentralchinesischen Wuhan und drohte Peking mit dem Abbruch der Beziehungen. China wies die Vorwürfe empört zurück und warf dem US-Präsidenten seinerseits vor, beide Länder "an den Rand eines neuen Kalten Krieges" zu bringen.
Twitter-Krieg
Der Kurznachrichtendienst war die bevorzugte Plattform des US-Präsidenten, wenn es ihm darum ging, seine Anhänger zu mobilisieren. Doch nun ist Trump erzürnt, weil Twitter erstmals einen seiner Tweets einem Faktencheck unterzogen hat. Twitter tut das etwa dann, wenn in einem Beitrag mutmaßliche Fehlinformationen verbreitet werden. In dem beanstandeten Post hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug Vorschub leiste, was der Faktencheck als irreführend einordnete.
Doch bei der Auseinandersetzung um Trumps manipulativen Tweet – von denen der US-Präsident in seiner Amtszeit nachweislich Hunderte verfasst hat – geht es um weit mehr. Im Herbst stehen die Präsidentschaftswahlen an, und ohne seine 80 Millionen Anhänger auf Twitter kann Trump die Wiederwahl abschreiben. Entsprechend aufgebracht reagierte er am Mittwoch auf den Rüffel der Plattform. Er warf den großen Technologiekonzernen vor, Zensur ausüben zu wollen und drohte, soziale Medien zu regulieren oder ganz zu schließen, wenn sie "konservative Ansichten" unterdrückten. Für Donnerstag hat er eine Verfügung zu Online-Plattformen angekündigt.
Unruhen nach Tod von Afroamerikaner
Die USA werden erneut vom Tod eines schwarzen Mannes durch Polizeigewalt erschüttert. Bei einer Polizeikontrolle in der Stadt Minneapolis hatte ein weißer Polizist dem 46-jährigen George Floyd so lange sein Knie an den Hals gedrückt, bis dieser das Bewusstsein verlor und wenig später verstarb. Ein auf Facebook verbreitetes Video zeigt, wie der Afroamerikaner wiederholt um Hilfe flehte und sagte: "Ich kann nicht atmen."
Der Fall reißt in den USA alte Wunden auf. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze, nicht selten blieben die Täter dabei straffrei. In Minneapolis kochte die Wut am Mittwoch den zweiten Tag in Folge über. Der US-Sender NBC berichtete von in Brand gesetzten Geschäften, zahlreichen Plünderungen und Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. Proteste gab es auch in anderen Städten, in den sozialen Medien wurden Rassismusvorwürfe laut. "Versteht ihr es JETZT?", schrieb Basketball-Superstar LeBron James auf Instagram. "Oder ist es für euch immer noch nicht klar? #Augenauf."
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters